IT-Manager wetten

Der digitale Zwilling wird die zentrale Datenplattform

Frank Riemensperger leitet als Vorsitzender der Geschäftsführung die Accenture-Ländergruppe Deutschland, Schweiz, Österreich und Russland.

Komplexe Systeme in Echtzeit

Weil der digitale Zwilling nahezu perfekte Simulationen der echten Welt ermöglicht, lassen sich auch geschäftliche Risiken bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte minimieren. Zum einen fällt der Aufwand für den Bau und das Testen von physischen Prototypen deutlich geringer aus, was Zeit und Kosten spart. Zum anderen werden auf statischen Annahmen basierende Fehlplanungen unwahrscheinlicher. Ein Bahnhof mit zu wenigen Rolltreppen oder ein Flughafen mit zu wenigen Gepäckbändern sind dann nahezu ausgeschlossen.

Eine große Stärke des digitalen Zwillings liegt darin, dass er äußerst komplexe Systeme in Echtzeit simulieren kann. Dabei bricht er mit Abteilungs- und Unternehmensgrenzen und führt Daten aus den unterschiedlichsten Bereichen auf einer Plattform zusammen. Ein Autohersteller hat somit beispielsweise immer einen Überblick über die aktuellen Produktionsdaten eines Zulieferers, kennt den aktuellen Lagerbestand für bestimmte Bauteile beim Logistikpartner und hat die Auslastung des eigenen Motorenwerks am anderen Ende der Welt im Blick. So entsteht eine ganze neue Transparenz über alle an die Fahrzeugproduktion angeschlossenen Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.

Innovationen und Kundendienst

Der digitale Zwilling bietet auch neue Möglichkeiten für die gemeinsame InnovationInnovation mit ­Partnern. So können Teams aus Entwicklern, Forschern, Designern und Wissenschaftlern standortunabhängig an Projekten arbeiten und gemeinsam ein virtuelles Modell eines Produktes entwickeln und verbessern. Diese Art der Co-Innovation verkürzt die Entwicklungszyklen deutlich und vereinfacht die Abstimmung unter den beteiligten Akteuren. Alles zu Innovation auf CIO.de

Ähnlich verhält es sich mit dem Kundendienst: Bisher müssen Servicemitarbeiter zum Kunden ausrücken, um etwa einen defekten Fahrstuhl wieder in Betrieb zu nehmen. Allein für Anfahrt und Fehleranalyse werden nicht selten mehrere Stunden oder sogar Tage benötigt. In Zukunft kann der Kundendienst die Ursache für einen Defekt bereits am digitalen Zwilling eines Fahrstuhls erkennen und den Fehler möglicherweise schon aus der Ferne beheben. Selbst wenn das nicht möglich ist, verrät der digitale Zwilling, welches Bauteil defekt ist und ausgetauscht werden muss. Damit es gar nicht erst zu Ausfällen kommt, würde die virtuelle Kopie eines Fahrstuhls anhand der Betriebsdaten sogar von selbst erkennen, ob sich ein Problem andeutet, das behoben werden muss, ehe es zum Ausfall kommt.

Think small!

Während die virtuelle Replik eines Produkts oder einer Maschine anhand vorhandener Konstruktions- und Betriebsdaten vergleichsweise leicht erstellt werden kann, sind für komplexere Simulationen deutlich mehr Datenpunkte nötig. Je mehr smarte und mit IoT-Sensoren ausgestattete Produkte im Einsatz sind und Betriebsdaten liefern, desto genauere Erkenntnisse liefert auch der digitale Zwilling.

Dort sind wir auf einem guten Weg, denn immer mehr Geräte sind vernetzt und liefern immer mehr Daten. Das Analystenhaus IHS Markit geht davon aus, dass bis 2030 über 125 Milliarden Gerätschaften mit dem Internet der Dinge verbunden sein werden. Nur einmal zur Verdeutlichung der enormen Datenmengen: Ein Airbus A320 sammelt pro Flugstunde etwa 10 Gigabyte Daten, ein autonomes Fahrzeug wird nach Schätzungen von Intel pro Tag etwa 4.000 Gigabyte Daten produzieren.

Wenn Unternehmen diese Betriebsdaten nun über eine digitale Plattform sammeln und ihren Kunden auf dieser Grundlage neue Leistungsversprechen anbieten wollen, stellt sich die Frage: Wie gehe ich am besten vor? An dieser Stelle sei dazu nur folgender Rat gegeben: Think small! Viele Unternehmen denken in großen Strategien und ambitionierten Plänen, wie der digitale Zwilling ein ganzes Ökosystem von neuen Diensten für Kunden ermöglichen soll.

Klüger ist es jedoch, eine Vorgehensweise wie in der agilen Softwareentwicklung zu wählen und sich auf "Minimum Viable Products" statt "Best Possible Products" zu konzentrieren. Das bedeutet, mit Hilfe des digitalen Zwillings solche Produkte zu entwickeln, die trotz minimaler Konfiguration den Nutzern ein konkretes und erlebbares Leistungsversprechen bieten und dieses im Alltag einhalten. Wie eben der Zug der nie zu spät kommt, oder der Motor, der Benzin sparen hilft.

Schließlich geht es beim digitalen Zwilling genau darum: Das virtuelle Abbild eines Produkts oder Service ermöglicht die fortlaufende Optimierung im Alltagseinsatz. Der Perfektionismus der Ingenieure von gestern wird durch einen pragmatischen und kundenzentrierten Ansatz von heute ersetzt. Der Fokus verschiebt sich von der Entwicklungsphase auf den laufenden Betrieb. Statt ultimativer Performance stehen nunmehr konkrete Leistungsversprechen für den Nutzer im Mittelpunkt. Somit ist der digitale Zwilling der wichtigste Schlüssel zu den datengetriebenen Geschäftsmodellen von morgen.

Wer sich als Unternehmen am Markt behaupten will, kommt nicht umhin, von nun an "doppelt" zu sehen. Deshalb wette ich, dass sich der digitale Zwilling in fünf Jahren in vielen Branchen als zentrale Datenschaltstelle in einem digitalen Ökosystem aus Herstellern, Zulieferern und Kunden durchgesetzt haben wird.

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Foto: CIO.de

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