Ein Selbstversuch

Der holprige Weg zum papierlosen Büro

12.08.2013
Von Sebastian Matthes

Startup will "das Papier töten"

An einer noch weitreichenderen Lösung arbeitet das Bonner Unternehmen Doo. Das 45-köpfige Team will "das Papier töten", wie Doo-Mitgründer Frank Thelen sagt. Die Software seiner mit zehn Millionen Euro finanzierten Firma sortiert - noch akkurater als Neat - Rechnungen, Kontoauszüge und Behördenpost intelligent in Ordner. Zudem verhandelt Thelen mit Stromversorgern und Telekommunikationsunternehmen: Sie sollen Rechnungen bald direkt ins Doo-System spielen - ganz ohne Papier. "In diesem Feld", sagt Papier-Killer Thelen, "werden wir in den nächsten Monaten noch viele Innovationen sehen."

Schon bald wird unser Computer nicht nur Dokumente lesen. Er wird sie auch so gut verstehen, dass er Adressen selbstständig ins Adressbuch übernimmt, auf auslaufende Verträge oder verstreichende Kündigungsfristen hinweist und sogar ungefragt einen billigeren Stromanbieter vorschlägt. An so einem smarten Alltagsassistenten arbeitet das Münchner Startup Smarchive, das spätestens im Sommer mit einer öffentlichen Testphase loslegen will.

Für Privatleute ist diese Art der Digitalisierung praktisch, für große Konzerne wird sie zur Überlebensfrage. Sobald Wissen virtuell verfügbar ist, können externe Experten, Menschen im Heimbüro sowie deren Kollegen auf anderen Kontinenten darauf zugreifen. "Jüngere Mitarbeiter fordern diese Art zusammenzuarbeiten", hat der Unternehmensberater Bernhard Zöller beobachtet, der Konzernen dabei hilft, ihre Büroorganisation zu verbessern. "Wer mit dem Internet aufgewachsen ist, hat kein Verständnis dafür, dass nicht alle Informationen digital verfügbar sind", sagt er. Kollegen aber, die sich Jahrzehnte an Papier gewöhnt haben, tun sich mitunter schwer mit dem Wandel. "Manche drucken sogar E-Mails aus", sagt Zöller. Sie an eine digitale Dokumentenverwaltung zu gewöhnen, grenze an eine Kulturrevolution.

Virtuell lesen

Viele Menschen sagen, sie wollten nicht auf die Haptik von Papier verzichten, wenn sie lesen - vor allem bei Zeitungen, Magazinen und Büchern. Ich habe in den vergangenen Monaten zig Bücher auf dem Kindle gelesen. Gefehlt hat mir dabei nichts. Die elektronischen Ausgaben waren mir mitunter sogar lieber, weil sich die Schriftgröße der Texte bei schlechterem Licht anpassen lässt.

Das sehen nicht alle so positiv. Für so manchen scheint die neue Technik eher der Anfang vom Ende abendländischer Kulturgeschichte einzuläuten. "Vielleicht wird sich in 50 Jahren niemand mehr um gedruckte Bücher scheren", sagt der amerikanische Starschriftsteller Jonathan Franzen nicht ohne Bedauern. Er glaubt, dass Leser digitale Texte weniger wertschätzen als solche auf Papier. Auf einem Bildschirm habe man immer den Eindruck, die Dinge ließen sich "löschen oder verändern".

Ist das tatsächlich so? Nehmen wir Inhalte auf Tablet-Rechnern und E-Books anders wahr, als wenn sie gedruckt sind?

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