Consultant-News


Freiberufler mit Wut im Bauch

Der steinige Weg zum nächsten Auftrag

07.07.2014
Von Oliver Knittel

Ich fasse nochmals nach, da mich der Job reizt und verhandle folgendes Angebot: Ich komme am Mittwoch, 23.1., zu einem Präsentationstermin nach Hamburg und am Donnerstag, 24.1., um 13:00 Uhr habe ich ein Telefoninterview mit dem anderen Abteilungsleiter aus München. Insgeheim freue ich mich, da ich mir so beide Optionen offen halten kann. Als ich gerade auf dem Weg nach Heidelberg bin, erhalte ich einen Anruf vom Personalvermittler Nr. 2. Der Kunde hat es sich anders überlegt. Aus Gerechtigkeitsgründen möchte er jetzt doch kein Telefoninterview, sondern will mich noch mal persönlich am Montag in München sehen.

Moment mal! Für einen Auftrag, von dem ich nicht mal weiß, ob ich ihn bekomme, werde ich auf eigene Kosten durch die Republik gejagt, während Monsieur Personalvermittler im warmen Büro sitzt? Aber was hilft es? Wenn ich einen neuen Auftrag haben möchte, muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Nachdem Heidelberg nicht so gut gelaufen ist, surfe ich im Internet. Ein Flug nach München kostet wegen der kurzen Vorausbuchungsfrist 700 Euro. Eine Bahnfahrt kostet nur 239 Euro. Mir graut schon jetzt vor sechs Stunden Bahnfahrt, einfache Strecke.

Ich stehe am Montag extra früh auf und bin gegen 7:00 Uhr auf dem Bahnsteig. Mein Zug soll um 7:21 Uhr fahren, hat aber über eine Stunde Verspätung. Aber ich habe Glück. Da ja alle Züge eine Stunde Verspätung haben, fährt der Zug, der eigentlich um 6:21 Uhr fahren sollte, gerade in den Bahnhof ein. Ich überlege nicht lange und steige ein. Meine Reservierung nützt mir jetzt nichts mehr. Der Zug ist bis auf den letzten Platz voll. Es kommt echt indisches Feeling auf. Mit viel Glück finde ich noch einen Platz und bin auch pünktlich bei meinem Gespräch. Nach einer Stunde Gespräch darf ich auf dem Heimweg noch mal sechs Stunden den ganzen Weg wieder zurück fahren.

29 Stunden Fahrt für zwei Aufträge

Ich fasse zusammen:

Personalvermittler 1: Fahrt mit dem Auto nach Heidelberg und zurück: 7 Stunden und Sprit

Personalvermittler 2: Fahrt mit dem Auto nach Hamburg und zurück: 9 Stunden und Sprit; Fahrt mit der Bahn nach München und zurück: 13 Stunden und 239 Euro

Nur bei einem der drei Termine glänzte der Personalvermittler durch Anwesenheit im Präsentationstermin. Es bleibt daher die Frage: Wie viel Idealismus muss ein Freelancer haben, um das mitzumachen? Wieso werden Freelancer wie selbstverständlich durch die Republik gejagt, während der Personalvermittler im warmen Kämmerlein sitzt?

Dieser Artikel stammt aus dem IT-Freelancer-Magazin.

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