KI verbessert Kundenservice?

Der Sünden-Bot



Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Mehr und mehr Unternehmen setzen auf Chatbots. Leider steigt damit häufig auch die Unzufriedenheit der Kunden. Diese Fehler sollten Sie vermeiden.
Viele Nutzer reagieren entnervt, wenn Chatbots beim Lösen ihrer Probleme versagen.
Viele Nutzer reagieren entnervt, wenn Chatbots beim Lösen ihrer Probleme versagen.
Foto: panuwat phimpha - shutterstock.com

Die DigitalisierungDigitalisierung hat dazu geführt, dass E-Mail und Telefon allein für den Kundenkontakt nicht mehr ausreichen. Dank Social-Media- und Instant-Messaging-Diensten wie WhatsApp, Snapchat und Co. erwarten die Verbraucher inzwischen verschiedenste Kanäle, um mit einem Hersteller oder Dienstleister zu kommunizieren. Als Konsequenz investieren viele Unternehmen in neue Technologien wie intelligente Chatbots, um ihre bestehenden Teams zu unterstützen, die Erwartungen der Kunden in puncto Personalisierung, Geschwindigkeit und Effizienz zu erfüllen und so einen besseren Kundenservice zu bieten. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Doch leider ist es für die Unternehmen nicht einfach, diesen Balance-Akt mithilfe von Bots hinzubekommen - sehr zum Unmut der Kunden. In einer aktuellen Umfrage von Freshworks, einem US-Anbieter von Kundenservice-Software, gaben 92 Prozent der deutschen Befragten an, sie hätten schon einmal einen Bot beschimpft oder beleidigt. Sie liegen damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 83 Prozent - wobei hier die Niederländer mit den Deutschen gleichauf liegen, während die Briten mit 52 Prozent den Schnitt senken. Zugegeben: Mit einer Beleidigungsquote von 82 Prozent werden die menschlichen Servicemitarbeiter von deutschen Kunden nicht viel besser behandelt. Im europäischen Vergleich liegt der Wert bei 75 Prozent.

Die Wurzel der Kundenenttäuschung

Doch weshalb sind die Kunden so unfreundlich gegenüber den technischen Helfern? Auch hier liefert die Freshworks-Studie einen Erklärungsversuch: Mehr als ein Viertel der befragten Nutzer in Europa (26 Prozent) gaben an, die Chatbots hätten beim Lösen ihrer Probleme versagt.

Dies deute darauf hin, dass Unternehmen die Programme noch nicht ausreichend in ihre Prozesse eingebunden haben und dass die Lösungen technologisch noch ausgefeilter werden müssen, erklärt Jens Leucke, Deutschlandchef von Freshworks, im CW-Gespräch: "Die Erwartungshaltung der Kunden geht sehr stark nach oben, einerseits was die Anzahl der Kanäle angeht, andererseits auch ganz allgemein."

Leucke zufolge müssten Unternehmen über jeden Kommunikationskanal eine super Kundenerfahrung bereitstellen, was Effektivität und noch wichtiger die Einfachheit betrifft. "Die entscheidende Frage für den Kunden ist doch: Hänge ich 30 Minuten oder eine Stunde in einer Telefon-Hotline, weil mir ein Unternehmen eben nur diesen Kanal anbietet oder habe ich andere Möglichkeiten, um in Kontakt zu treten und gegebenenfalls innerhalb von Sekunden oder Minuten zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen?", so der Manager.

KI-basierte Chatbots böten hier große Chancen, erklärt Leucke: So hätte die Studie ergeben, dass 41 Prozent der Befragten zwar keinen Vorteil in einem ChatbotChatbot sehen, auf der anderen Seite aber auch nicht gewillt seien, länger als eine bis drei Minuten auf den Kundenservice zu warten. Alles zu Chatbot auf CIO.de

Wie der Chatbot-Experte ausführt, sind sich viele Unternehmen ihrer Defizite gar nicht bewusst. So bewerten 66 Prozent der Entscheidungsträger in den Unternehmen ihren Kundenservice als exzellent. Dies sei eine sehr große Diskrepanz, auch angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, so Leucke: Eine frühere Freshworks-Studie zum Customer Engagement habe nämlich ergeben, dass mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Kunden nach einer negativen Support-Erfahrung aufhörten, sich für eine Marke zu interessieren.

Vorsicht Falle!

Aus Sicht von Leucke gibt es beim Bot-Einsatz etliche Fallstricke, die man als Unternehmen unbedingt vermeiden sollte. Ein häufig begangener Fehler sei etwa, den Bot zu viele Aufgaben abwickeln zu lassen. "Bots sind heute zu generisch, sollen eine Art eierlegende Wollmilchsau sein - zumindest wird dies dem Verbraucher vorgegaukelt", erklärt Leucke. Häufiges Resultat sei dann, dass der Kunde in einer Endlos-Bot-Schleife feststeckt und der virtuelle Assistent immer nur sagt: "Entschuldigung, ich habe Sie nicht verstanden."

Anstatt zu generalisieren, empfiehlt der Freshworks-Manager Unternehmen, Chatbots Use-Case-zentriert zu designen und dies auch dem Kunden verständlich zu machen. Dazu gibt man dem Kunden eine Reihe von Funktionen wie Produktauswahl, Lieferstatus etc. zur Auswahl und erklärt dann: "Dieser Bot hilft Dir gerade bei Anfragen zum Lieferstatus."

Ein weiterer Fehler ist Leucke zufolge, zu verheimlichen, dass es sich bei dem Gesprächspartner um einen Bot handelt. "Es geht um Anspruch und Erwartungshaltung", erklärt er. Es sei für viele Nutzer frustrierend, wenn sie zunächst nicht erkennen, ob sie mit einem Mensch oder einem Bot kommunizieren.

Andererseits spräche jedoch nichts dagegen, wenn Unternehmen Bots extra eine Persönlichkeit mit Logo, Bild, Dialekt oder sogar Hobbies geben. Wenn es offensichtlich ist, macht dies die Systeme menschlicher und steigert die Akzeptanz, so der Manager. Wie weit man es dabei treiben will, müsse aber jedes Unternehmen selbst entscheiden. Es sollte aber offensichtlich sein, mit wem man da redet.

Kein Bot für alle Fälle

Und auch wenn Bots vielfältig einsetzbar sind, sollte man als Unternehmen eine klare Strategie haben, für welchen Themenbereich sie geeignet sind und wo Nutzer lieber einen persönlichen Kontakt wünschten. "Man darf nicht alles mit einem Bot versorgen, sondern muss den Anwendungsfall abwägen", erklärt Leucke. In bestimmten Szenarien sei ein persönlicher Mitarbeiter besser geeignet - beispielsweise, wenn ein Thema kompliziert ist oder bei der Auswahl zwischen verschiedenen Produkten die Erfahrung oder Einschätzung eines Mitarbeiters gefragt ist. Ein Bot könne dagegen im Anschluss bei der Abwicklung einer Transaktion oder einer Recherche mit Geschwindigkeit punkten.

Grundsätzlich bemängelt Leucke, dass Unternehmen Bots viel zu leichtfertig auf ihre Kunden loslassen. "Es ist mittlerweile viel zu einfach, einen Bot auf die Website zu packen", erklärt er. Er stelle Interessenten häufig die Frage: 'Ihr denkt über den Einsatz im Kundenservice nach. Habt Ihr den Bot schon intern im Einsatz?' Er registriere bei Unternehmen sehr häufig eine Reserviertheit, den Bot auf die eigenen Mitarbeiter loszulassen, obwohl es dort sehr viele Use Cases geben könnte, berichtet der Freshworks-Manager. So werde häufig vergessen, dass die Systeme auch intern Vorteile bieten, etwa für den IT-Service im Ticketing-System. Genauso könnte ein Bot auch das Einlernen von neuen Mitarbeitern unterstützen, indem er sie durch das System führt und Fragen beantwortet.

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