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Der Traum von einer Auszeit im Job

06.02.2019
Von Claus G. Schmalholz

Der Mediziner wundert sich immer wieder über das fehlende Gespür vieler Manager für die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit - und ihre oftmals falschen Vorstellungen von seiner Klinik als einer Art Reparaturbetrieb für gestresste Führungskräfte: "Die kommen dann hier an und sagen: Spritzen Sie mich wieder fit. Die haben einen ganz maschinellen Zugang zu sich selbst."

Auszeit als Entdeckungsreise

Die typische Ausweichstrategie bei zu viel Stress im Job ist der Sport. Solche regelmäßigen kleinen Fluchten können helfen, meint auch Mediziner Sprenger, aber manchmal braucht es eben etwas mehr Zeit. So ist die Auszeit von Camilla Kockberg beispielhaft für Manager, die der zermürbenden Tretmühle gern entkommen wollen. Der Berufsstart der Telekommunikationsexpertin bei der US-Beratung AMS fiel mitten in die Blütezeit der Branche Ende der 90er Jahre. Für Kockberg hieß das: Zehn Jahre lang volle Power arbeiten mit 18-Stunden-Tagen, in denen ein Projekt das andere jagte. Wenn sie spätabends dann endlich nach Hause kam, nahm sie ihren Laptop noch mit ins Bett.

Als ihr Unternehmen vor vier Jahren von einem Konkurrenten übernommen wurde, kam für Kockberg der Augenblick des Innehaltens. Sie fragte sich: "Was will ich wirklich in meinem Leben erreichen?" Bis dahin hatte sie immer das nächste Projekt angetrieben, der nächste Bonus. Doch nun setzte sie sich ein ganz persönliches neues Ziel in ihrem Leben, "das Projekt Camilla, die Entdeckungsreise zu mir selbst". Sie beschloss, ihren lang gehegten Wunsch einer Auszeit zu realisieren, von der sie zumindest die Umrisse kannte. Es sollte etwas Sportliches und etwas Ungewöhnliches sein. Ihr Ziel: das Dach der Welt.

Drei Monate genoss sie ihre Freizeit auf Reisen in Kambodscha, Laos und Thailand und wanderte zum Schluss sechs Wochen lang durch Nepal. Auf die Strapazen in der dünnen Luft des Himalayas bereitete sie sich mit professioneller Unterstützung eines persönlichen Trainers vor. Bis auf 6.000 Meter Höhe führte sie schließlich ihr Weg.

Am Ende waren es aber nicht nur die unvergesslichen Eindrücke in der freien Natur, sondern vor allem die Begegnungen mit den Nepalesen, die sie nachhaltig beeindruckten. "Die Bauern dort oben leben in einfachsten Verhältnissen, sind aber zutiefst zufrieden mit ihrem Leben, das ganz ohne die materiellen Dinge auskommt, die für uns so wichtig sind", sagt Kockberg. Die spirituelle Sicht der Nepalesen auf die wichtigen Dinge des Lebens veränderten auch Kockbergs Einstellung zum Beruf.

So hat sie sich zum Beispiel abgewöhnt, über jedes Problem zu meckern, das sich stellt, stattdessen sagt sie sich nun: Löse es, oder lege es zur Seite. Bei ihren Wanderungen merkte sie, dass ihr der Sport tatsächlich hilft, Stress abzubauen. Und so geht sie nun nicht mehr - wie vor ihrer Auszeit - nur ab und zu einmal ins Fitnessstudio, sondern trägt diese Termine genauso konsequent in ihren Kalender ein wie jeden Geschäftstermin. Für die Telekomexpertin ist die wichtigste Erkenntnis ihrer Auszeit: "Ich habe gelernt, dass ich effektiver arbeite, wenn ich nicht ständig arbeitsbereit bin."

Tipps gegen Stress

Und wenn der Stress im Job dann doch wieder einmal überhandzunehmen droht, kramt Camilla Kockberg ihr Wandertagebuch heraus und liest jenen Eintrag, der sie im Geiste zurückführt in die imposante Landschaft der Bergwelt rund um den höchsten Gipfel der Erde: "Diese großartigen Eindrücke von so viel Schönheit und Vielfalt schwirren in meinem Kopf herum. Ich wünschte, diese Reise möge nie zu Ende gehen. Ich muss versuchen, mich an diesen wunderschönen Tag zu erinnern, wenn ich mal wieder frustriert und niedergeschlagen bin."

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