Unter staatlichem Einfluss

Die Commerzbank und ihr Großaktionär

13.05.2019
Ist es ein Makel oder eine willkommene Stütze? Seit zehn Jahren ist der Bund größter Einzelaktionär der Commerzbank. Zumindest manches Attribut wäre der Konzern in diesem Zusammenhang gerne los.
Hauptsitz der Commerzbank in Frankfurt am Main. Der Staat als Anteilseigner würde aussteigen, aber nicht zum aktuellen Aktienkurs.
Hauptsitz der Commerzbank in Frankfurt am Main. Der Staat als Anteilseigner würde aussteigen, aber nicht zum aktuellen Aktienkurs.
Foto: Commerzbank

Sie hören es nicht gerne bei der CommerzbankCommerzbank: "teilverstaatlicht". Fakt ist: Der Bund rettete den Konzern in höchster Not mit Steuermilliarden und wurde im Gegenzug mit Abstand größter Anteilseigner. Zehn Jahre ist das her. Ein Ausstieg des Staates ist nicht in Sicht - dafür ist der Aktienkurs zu niedrig. Top-500-Firmenprofil für Commerzbank

Dass der Bund seinen Einfluss nutzt, um im Hintergrund Strippen zu ziehen - etwa bei den jüngsten Annäherungsversuchen von Commerzbank und Deutscher Bank - wird in Frankfurt wie in Berlin bestritten. Politischer Druck, so heißt es in den Bankentürmen, sei bei den inzwischen gescheiterten Fusionsgesprächen nicht spürbar gewesen.

15,6 Prozent der Commerzbank in staatlicher Hand

Mitte Mai 2009 hatte die Commerzbank wohlweislich gleich zwei Tage für ihre Hauptversammlung angesetzt. Schließlich galt es, den Aktionären eine historische Entscheidung abzutrotzen: Die Eigentümer sollten den Staat in ihre Reihen aufnehmen und so die riskante Übernahme der Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise absichern.

Am Abend des 16. Mai 2009 war die erste direkte Beteiligung des Bundes an einer großen Privatbank in Deutschland besiegelt: Mit 97,7 Prozent Zustimmung billigte die Hauptversammlung die notwendige Kapitalerhöhung. Heute hält der Bund 15,6 Prozent der Anteile des inzwischen in den MDax abgestiegenen Frankfurter Instituts.

Fast demütig warb der damalige Konzernchef Martin Blessing um die Gunst der Anteilseigner. "Auch wir haben Fehler gemacht", sagte er angesichts einer weltweiten Finanzkrise, die die Branche an den Rand des Abgrunds brachte. "Wir hätten einfach mehr unseren gesunden Menschenverstand walten lassen sollen."

Den Dresdner-Deal verteidigte der Ex-McKinsey-Mann standhaft. Der Zusammenschluss der beiden GroßbankenGroßbanken sei "strategisch sinnvoll", betonte Blessing. Er räumte aber ein, es sei nicht absehbar gewesen, wann die Bomben in der Dresdner-Bilanz platzen würden. Top-Firmen der Branche Banken

Ballast der Dresdner Bank zog die Commerzbank nach unten

Die Tinte unter dem Übernahmevertrag war kaum getrocknet, da stürzte die US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008 in die Pleite und riss die Märkte weltweit mit in den Abgrund. Der Dresdner-Ballast, den zuvor der Versicherer Allianz über Jahre mit sich herumgeschleppt hatte, machte die Commerzbank zum Rettungsfall.

"Der Kauf der Dresdner Bank war seinerzeit die Ursache dafür, dass die Commerzbank fast umgefallen ist", kritisiert Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW. Hohe Kosten, viel Aufwand, wenig Ertrag - so das ernüchternde Fazit des Anlegeranwalts. Die Commerzbank sei wegen der Dresdner-Integration über Jahre mit sich selbst beschäftigt gewesen und dadurch nicht wirklich vorangekommen, meint Nieding.

1.000 Tage - so die offizielle Lesart - dauerte es, die gelbe und die grüne Bank zusammenzuführen. Commerzbank-Insider sind überzeugt, ihr Haus stünde ohne die Übernahme heute nicht so solide da. Die Konzentration auf Privatkunden sowie Mittelstand und Firmenkunden zahle sich aus - auch wenn Zinstief und Preiskampf das Geldverdienen seit Jahren erschweren.

"Staatsbanker" Blessing

Die Häme, dass 2008/2009 letztlich der Staat den gut 100 Tage nach Blessings Amtsantritt noch gefeierten Dresdner-Deal mit Steuergeldern retten musste, war groß. Blessing musste sich wahlweise als "Staatsbanker" oder "Merkels Pudel" veralbern lassen. Irgendwann war selbst Blessing genervt und betonte, sein Institut werde den Staat nicht noch einmal anpumpen: "Ich gehe da nicht nochmal hin!"

Ist die Beteiligung des Bundes denn ein Nachteil? "Der Einstieg des Staates hat der Commerzbank nicht geschadet - im Gegenteil: er hatte stabilisierende Wirkung", bilanzierte im Januar der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust. Allerdings meint Faust auch: "Der Staat müsste heute nicht mehr bei der Commerzbank beteiligt sein. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn sich der Bund endlich zurückziehen würde."

Doch absehbar rechnet niemand damit. Denn das einst für 5,1 Milliarden Euro erworbene Aktienpaket ist nur noch einen Bruchteil wert. Damit der Bund ohne Verlust aussteigen könnte, müsste nach Angaben der Bundesregierung je Aktie ein Preis von etwa 26 Euro erzielt werden. In den vergangenen Wochen dümpelte das Papier um die Acht-Euro-Marke herum. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nannte die Beteiligung des Staates an der Commerzbank kürzlich eine "Kapitalanlage" und gab zu Protokoll: Man könne davon ausgehen, dass diese noch eine Zeit lang gehalten werde. (dpa/rs)

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