Irren sich öfter als andere

Die Denkfehler intelligenter Menschen

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Der Bias-Test zielte allerdings noch auf ganz andere Formen von Voreingenommenheit ab. In einer Frage ging es etwa um ein gefährliches Auto, das mit achtfach höherer Wahrscheinlichkeit andere Verkehrsteilnehmer tötet als ein sicheres Gefährt. Die Antworten auf die Frage, ob das Fahrzeug verboten werden sollte, fallen wegen des „Myside Bias“ höchst unterschiedlich aus: je nachdem, ob man Amerikaner nach einem deutschen Auto auf amerikanischen Straßen fragt oder nach einem Ford, der in Deutschland unterwegs ist.

Irritiert vom Linda-Problem

Ein anderes Beispiel ist der „Outcome Bias“: Ein Herzkranker kann durch eine Operation gesunden, schmerzfrei sein und erwartungsgemäß fünf Jahre länger leben. Allerdings sterben bei der Operation selbst acht Prozent der Patienten. Handelt der Arzt richtig, wenn er operiert? Die Antwort auf die Frage schwankt enorm: je nachdem, ob man eine erfolgreiche oder eine gescheiterte Operation unterstellt. Die Verzerrung liegt erkennbar darin, dass eine Entscheidung nach ihrem Ergebnis beurteilt wird und nicht nach den Faktoren, die sie ursprünglich beeinflussten.

Zuordnungsprobleme offenbart das Linda-Problem. Linda ist 31 Jahre, Single, hat Philosophie studiert, an Anti-Atomdemonstrationen teilgenommen, ist gegen Diskriminierung zu Felde gezogen und hat sich für soziale Gerechtigkeit stark gemacht. Erstaunlicherweise gibt es beim Bias-Test eine höhere Zustimmungsrate für die Aussage, dass Linda in einer Bank arbeitet und als Feministin aktiv ist, als für die bloße Aussage, dass sie in einer Bank arbeitet. In einer Bank arbeitet sie aber in beiden Fällen.

Bisher nur Erklärungsansätze

Woran liegt es nun, dass hohe Intelligenz nicht vor den Torheiten der Voreingenommenheit schützt? Die Forscher haben in ihrer aktuellen Studie das Problem nicht untersucht und legen sich deshalb nicht fest. Sie verweisen allerdings auf Erklärungsansätze, die in der Wissenschaft bereits bemüht wurden. Zum einen gibt es die These vom „naiven Realismus“. Demnach neigen Menschen dazu, die von ihnen wahrgenommene Realität mit der Welt, wie sie ist, gleichzusetzen. Zum anderen besteht offenbar eine Art Grenze bei der Introspektion. In der Selbstwahrnehmung bleiben notorisch Dinge außen vor, die bei anderen klar wahrgenommen werden.

So betrachtet gibt es nicht wirklich einen Schutz vor den eigenen Irrtümern. In der Praxis dürfte es jedoch nicht schaden, sich das bewusst zu machen und Entscheidungen im Dialog mit Vertrauten auf ihre Sinnhaftigkeit abzuklopfen. Schließlich suchte schon Sokrates in philosophischen Gesprächen mit anderen Denkern und Schülern nach der Weisheit.

Zur Startseite