Haus via 3D-Druck

Die ersten Häuser aus dem Printer

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Ein Wohnhaus aus dem 3D-Drucker? Was lange nach Science Fiction klang, wird jetzt in Nordrhein-Westfalen und Bayern Realität. Steht die Baubranche vor einer Revolution?
Während des 3D-Drucks des Hauses können im Bauraum des Druckers Menschen weiterarbeiten.
Während des 3D-Drucks des Hauses können im Bauraum des Druckers Menschen weiterarbeiten.
Foto: Rupp Bauunternehmung GmbH

Nachdem Ende September 2020 im westfälischen Beckum das erste Wohnhaus in Deutschland gedruckt wurde, steht der 3D-Druck3D-Druck jetzt vor seiner nächsten Bewährungsprobe: Im bayerischen Wallenhausen soll ein Fünffamilienhaus gedruckt werden. Nach seiner Fertigstellung wäre das dreistöckige Haus mit rund 380 Quadratmetern Wohnfläche das größte gedruckte Wohnhaus Europas. Alles zu 3D-Druck auf CIO.de

3D-Druck-Premieren: Die Häuser aus dem Printer

Das Wallenhausen-Projekt ist bereits das zweite Haus aus dem 3D-Drucker, an das sich das mittelständische Familienunternehmen PERI GmbH - ein Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen wagt. Der Startschuss fiel im September 2020 für ein Einfamilienhaus in Beckum, bei dem sich PERI ebenfalls um die Bauausführung kümmerte.

Die Experten für Schalungs- und Gerüstsysteme produzierten dabei mit einem riesigen Portalroboter in fünf Minuten ungefähr einen Quadratmeter Wandfläche - und das völlig ohne Schalung. Das Material, das die besonderen Anforderungen erfüllt, kommt von HeidelbergCement. Die Baustoffspezialisten haben zusammen mit der Tochterfirma italcementi für den 3D-Druck einen Spezialbeton namens i.tech 3D entwickelt, der schalungslos aufgetragen werden kann.

Das Projekt in Beckum wurde vom Land NRW mit 200.000 Euro gefördert. Für NRW-Ministerin Ina Scharrenbach verkörpert der 3D-Druck die Zukunft des Bauens: "Digital, Dynamisch, Druckfertig". Beide Projekte - sowohl in Beckum als auch in Wallenhausen - weisen noch eine Besonderheit auf: Sie sind behördlich komplett durchgenehmigt, haben also das experimentelle Stadium verlassen.

Hausbau mit 3D-Druck: Neue Freiheiten, neue Herausforderungen

Der 3D-Druck ermöglicht dabei neue gestalterische Möglichkeiten, etwa für komplexere Formen, und dadurch mehr Freiraum für den Architekten in Planung und Gestaltung. "Der 3D-Druck bietet ein hohes Maß an Designfreiheit, die in herkömmlicher Bauweise nur mit hohem finanziellen Aufwand zu realisieren wäre", unterstreicht Architekt und Büroinhaber Waldemar Korte.

Sein Büro MENSE-KORTE gehört zu der Bauherrengemeinschaft HOUS3DRUCK, die das Projekt in Beckum realisiert. Das jetzt gedruckte Pilothaus soll nach seiner Fertigstellung vorerst eineinhalb Jahre als Musterhaus dienen, denn im Anschluss ist der 3D-Druck einer ganzen Siedlung geplant.

Wie das erste gedruckte Einfamilienhaus in Beckum zeigt, eröffnet der 3D-Druck neue gestalterische Möglichkeiten (Im Bild: Computermodell des Hauses).
Wie das erste gedruckte Einfamilienhaus in Beckum zeigt, eröffnet der 3D-Druck neue gestalterische Möglichkeiten (Im Bild: Computermodell des Hauses).
Foto: MENSE-KORTE, ingenieure+architekten

Eine Herausforderung, so die am Projekt Beteiligten, stellt momentan noch die Aufbereitung der 3D-Modelldaten dar. Zwar wurde das zweigeschossige Einfamilienhaus mit einer Nutzfläche von etwa 160 Quadratmetern problemlos in der BIM-Lösung Allplan modelliert. Doch danach mussten die Modelldaten durch mehrere Softwareprodukte geschickt werden, ehe der Drucker alle für die automatisierte Fertigung notwendigen Informationen hatte. Deshalb arbeiten MENSE-KORTE und PERI derzeit mit Allplan an einer verbesserten Schnittstelle zwischen CAD und Drucker, denn die 3D-Druck-Pioniere sehen in der neuen Technik ein enormes Potenzial.

Welches Potenzial die neue Technik bietet, will PERI in Wallenhausen demonstrieren. "Mit dem Druck des ersten Mehrfamilienhauses in Deutschland treten wir den Beweis an, dass diese neue Bautechnologie auch für den Druck größerer Wohneinheiten geeignet ist. Damit eröffnen wir dem 3D-Betondruck weitere Anwendungsbereiche in neuen Größenordnungen", so Thomas Imbacher, Geschäftsführer Marketing & InnovationInnovation der PERI Gruppe. Bauherr für das Mehrfamilienhaus ist die Michael Rupp Bauunternehmung GmbH, die sich mit der neugegründeten Tochter Rupp Gebäudedruck ab 2021 auf den 3D-Drucks spezialisieren will. Alles zu Innovation auf CIO.de

Ein Mehrfamilienhaus in Wallenhausen ist das zweite Haus aus dem 3D-Drucker, bei dem das Familienunternehmen PERI die Bauausführung übernimmt. Dabei ist die Aufbereitung der 3D-Modelldaten noch eine Herausforderung.
Ein Mehrfamilienhaus in Wallenhausen ist das zweite Haus aus dem 3D-Drucker, bei dem das Familienunternehmen PERI die Bauausführung übernimmt. Dabei ist die Aufbereitung der 3D-Modelldaten noch eine Herausforderung.
Foto: Rupp Bauunternehmung GmbH

3D-Printing auf dem Bau: Ein Haus in 48 Stunden

Das Wohnhaus in Wallenhausen ist voll unterkellert und wird nach Fertigstellung auf drei Stockwerken fünf Wohnungen mit insgesamt rund 380 qm Wohnfläche bieten. Wohnungen, die später vermietet werden sollen, denn bei dem Projekt handelt es sich nicht um ein Forschungs- oder Demonstrationsobjekt. Lediglich eine Wohnung wird weiterhin als Musterwohnung genutzt.

Beim Druck in Wallenhausen setzt PERI den Portaldrucker BOD2 ein. Bedient wird der Drucker von zwei Personen. Den Druckkopf und die Druckergebnisse überwacht eine Kamera. Mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s zählt der BOD2 aktuell zu den schnellsten 3D-Betondruckern auf dem Markt. Für eine ein Quadratmeter große, doppelschalige Wand benötigt der Drucker rund fünf Minuten. Dabei bewegt sich der Druckkopf über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen. Der Vorteil: Der Drucker kann sich in seinem Rahmen an jede Position innerhalb der Konstruktion bewegen und muss nur einmal kalibriert werden. Dies spart Zeit und Kosten.

Während des Druckvorganges berücksichtigt der Drucker zudem bereits die später zu verlegenden Leitungen und Anschlüsse für Wasser, Strom etc. Der BOD2 ist ferner so zertifiziert, dass auch während des Druckvorgangs im Druckraum gearbeitet werden kann. Manuelle Arbeiten, wie etwa das Verlegen von Leerrohren und Anschlüssen, können auf diese Weise einfach in den Druckprozess integriert werden. Wie in Beckum wird auch hier das von HeidelbergCement speziell für den 3D-Druck entwickelte Material i.tech 3D verwendet.

Der 3D-Drucker BOD2 druckt eine ein Quadratmeter große, doppelschalige Wand in knapp fünf Minuten.
Der 3D-Drucker BOD2 druckt eine ein Quadratmeter große, doppelschalige Wand in knapp fünf Minuten.
Foto: PERI GmbH

3D-Druck: Revolution in der Bauindustrie?

Setzt sich die neue Technik durch, dürfte die Bauindustrie vor einer Revolution stehen. Bei Rupp Gebäudedruck rechnet man damit, dass ein typisches Einfamilienhaus durchschnittlich in 48 Stunden fertig gedruckt sein kann. Und da der Drucker auch gleich alle Aussparungen und Kanäle, beispielsweise für Sanitärleitungen und Elektrik, mitdruckt, müssen diese später nicht mehr herausgebrochen oder geschlitzt werden.

Des Weiteren heißt es bei PERI, dass für den Druck eines Hauses nur noch zwei Mitarbeiter benötigt werden: Einen Maschinenbediener am Laptop, Tablet oder Smartphone sowie ein Mitarbeiter für das Materialmanagement an der Mischmaschine. Von Druckbeginn bis Schlüsselübergabe sind laut PERI für ein Haus in der Größe des Wallenhausener Projekts rund sechs Monate Bauzeit einzukalkulieren.

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