Freigesetzte Synergie
Die fusionsbedingte IT-Transformation von Siemens Gamesa
Die Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE) ist einer der großen globaler Player auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Sie entstand in den Jahren 2017 bis 2019 aus der Fusion von Siemens Windpower, Gamesa Corporation, Adwen sowie schließlich Senvion (2020).
Mit dem Zusammenschluss realisierte das neue Unternehmen eine weltweite Produktionspräsenz: Siemens Wind Power war in Nordamerika und Nordeuropa etabliert, und Gamesa hatte eine umfangreiche Präsenz in Südeuropa, Lateinamerika und Indien - alles Märkte, die sich schnell entwickelten.
Das fusionierte Unternehmen besteht nun aus drei Geschäftsbereichen: dem Onshore- und Offshore-Windgeschäft sowie einem Servicebereich für die Wartung. Einen guten Eindruck von dem Geschäftsfeld vermittelt dieses Video. Es zeigt in vier Minuten, mit welchen Techniken heute ein Offshore-Windrad im Meer aufgebaut wird.
Die Herausforderung: komplexe, unharmonische Prozesse
Wie so oft bei Fusionen kommen unterschiedliche Sets an Prozessen und unterschiedliche IT-Umgebungen zusammen. Das Unternehmen produziert an 22 Standorten weltweit und verfügte über zwölf ERP-Altanwendungen mit zehn verschiedenen SAP-Instanzen, außerdem über 1.300 periphere Anwendungen - ohne jede übergreifende Standardisierung der Prozesse oder Systeme. "Die Unternehmen nutzten veraltete, überholte Technologien, die weder kompatibel noch skalierbar waren", erklärt Alan Feeley, CIO bei Siemens Gamesa.
Für dieses Projekt musste die SGRE u.a.
|
Der Zusammenschluss erforderte deshalb eine IT-Antwort zur Realisierung eines globalen, agilen und flexiblen Unternehmens, um Marktchancen zu nutzen und die Digitalisierung in der gesamten Organisation voranzutreiben. Das Timing erlaubte einen Greenfield-Ansatz, der es ermöglichte, die Standardisierung von Prozessen und Dienstleistungen auf globaler Ebene durchzusetzen. "Dieser Ansatz wurde durch klare Designprinzipien untermauert, um Prozesse und Dienstleistungen weltweit zu standardisieren, sie skalierbar, sicher, erschwinglich und nachhaltig für die Zukunft zu machen", führt Alan Feeley aus.
Um den notwendigen Rahmen im gesamten Unternehmen zu schaffen, wurden die Transformation im Greenfield-Ansatz und ein Budget von mehreren Millionen Euro genehmigt. Alan Feeley wurde mit der globalen Verantwortung betraut, die erfolgreiche und rechtzeitige Umsetzung auf globaler Ebene sicherzustellen. Gleichzeitig musste die bestehende IT-Dienstleistung der Siemens AG so schnell wie möglich außer Betrieb genommen werden. In der Konsequenz bedeutete dies:
die Aufrüstung von 25.000 Computern auf einen neuen SGRE-Client mit Cybersecurity
die Installation von neuen sicheren SGRE-Netzen an 72 Hauptstandorten und 170 Projektstandorten
die Migration mehrerer Rechenzentren in ein neues sicheres und skalierbares Rechenzentrum
eine neue Azure Public Cloud, um digitale Initiativen flexibel und skalierbar durchführen zu können.
das Überprüfen von mehr als 200 Anwendungen mit Geschäftsanwendern und Prozessverantwortlichen
die Stabilisierung und Absicherung privater Netzwerke für das operative Geschäft, nachdem COVID-19 alle SGRE-Mitarbeiter ins Homeoffice gezwungen hatte
Der Meilenstein: Migration auf SAP S/4HANA
Im Herbst 2019 gab die Siemens Gamesa den Startschuss für eines der größten Programme auf der grünen Wiese (Greenfield). Für ein Projekt dieser Größenordnung war es dem CIO und seinem Team wichtig, einen erfahrenen Partner an Bord zu nehmen. "Um Verfahren zu standardisieren, die betriebliche Komplexität zu verringern und die Kosten zu senken, haben wir uns zur Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister und IT-Beratungsunternehmen Infosys entschieden."
Fünf Felder für Innovation von Infosys
Die Umstellung der verschiedenen SAP-Instanzen auf SAP S/4HANA Cloud im Greenfield-Ansatz ist für Feeley ein Meilenstein des Projekts. Kernprämisse war: Für alle Vorgänge sollten Standard-Tools zum Einsatz kommen. Ausnahmen wurden nur gemacht, wenn es den Geschäftswert steigerte.
Des Weiteren wurden das Kernmodul SAP Ariba für die indirekte Beschaffung, Workday für die HR-Transformation und Salesforce für das CRM eingeführt. "Für das IT-Team war es eine Herausforderung, den Überblick über alle Abhängigkeiten zwischen den Anwendungen zu behalten und eine solide Integration zu gewährleisten", so Feeley. "Die Einführung von Out-of-the-Box-Lösungen ist ein großer Schritt für ein Unternehmen, das es bislang vorzog, alles individuell zu gestalten".
Seit Mitte 2023 ist das Projekt in 48 Ländern mit 17.200 Nutzern abgeschlossen. Die Umsetzung verlief ohne Ausfallzeiten - trotz weltweiter Pandemie und Herausforderungen durch die technische und organisatorische Umstellung. 16 weitere Länder und 4.000 weitere Nutzer folgen.
Die wichtigsten IT-Projekte bei Siemens Gamesa
- SIEMENS CIO Alan Feeley
Alan Feeley ist CIO und Chief Cyber Security Officer der Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE). Eines seiner größten Projekte, das derzeit bei SGRE läuft, ist AGORA. Es geht um Design und Implementierung von SAP S/4 HANA. Ziel ist eine ERP-Plattform für mehr als 10.000 Mitarbeiter mitsamt harmonisierter Prozesslandschaft. - Siemens SGRE
Bei dem Leuchtturmprojekt Siemens Gamesa ONE geht es um die umfassende Erneuerung der Infrastruktur von den Produktionsstätten bis zum Backoffice. Das Ziel ist die Transformation von innen heraus und ein Umbau der IT-Umgebung für die mehr als 29.000 Mitarbeiter von Siemens Gamesa. - Siemens GAMESA
Diese Offshore-Anlage liegt in den Niederlanden und profitiert von dem Aufbau interner digitaler Lösungen. Diese unterstützen die Geschäftseinheiten, das volle Potenzial der Windparklösungen, -dienstleistungen und -prozesse auszuschöpfen und dadurch den Gewinn vor Steuern (EBIT) und die Kundenzufriedenheit zu steigern.
Erfolgsfaktor Zusammenarbeit von IT und Business
Doch wie lässt sich erreichen, ein Transformationsprojekt dieser Größenordnung zeitlich und inhaltlich ganz nach Plan umzusetzen? Einer der Erfolgsfaktoren sei in jedem Fall der gelungene Aufbau eines neuen IT-Teams, das aus vier zuvor getrennten Unternehmen hervorging, betont Feeley. Zu den obersten Prinzipien beim Aufbau des Teams gehörte, dass auf rein organisatorische Rollen verzichtet wurde: Vielmehr ist jede und jeder IT-Mitarbeitende stets für eine bestimmte Ebene an Inhalten verantwortlich.
Talente transformieren mit Infosys
Die Teams aus diesen Mitarbeitenden sind international und vielfältig, und sie genießen Feeleys volles Vertrauen, weil sie "kompetent sind und ihre Befugnisse und Grenzen kennen". Und er ergänzt: "Mein persönlicher Stil basiert auf transparenten Fakten und absoluter Ehrlichkeit und Klarheit. Ich betrachte alles aus einer Perspektive von außen. Ich bin kein Mikromanager, sondern stehe immer für Coaching und Unterstützung zur Verfügung."
Auf dieser Basis entwickelte sich die Kooperation zwischen Business und IT zum zweiten Erfolgsfaktor. Sie beruht auf einem agilen Konzept und folgt den folgenden Prinzipien:
klare Verantwortlichkeiten durch transparente und globale Genehmigungsprozesse (Limitations of Authority Concept, LoA), das heißt, jeder Verantwortliche kennt die Genehmigungsstufen
Anforderungen werden gemeinsam über Prozess-Cluster-Teams gemanagt, die mit unternehmensweiten Entwicklungszielen beauftragt sind
eingebettete Prozess- und IT-Teams in den Geschäftsbereichen unterstützen Change Management und Deployment
alle Entwicklungen basieren auf Business Cases - ohne Case keine Genehmigungen oder Priorisierung
Lessons learned: Auf das Unvorhergesehene vorbereitet sein
Die digitale Transformation mit dem Wechsel der IT-Abteilung von den alten Implementierungsmethoden zu einem agilen, cloud-basierten Ansatz bedeutete für Siemens Gamesa einen tiefgreifenden Kulturwandel. Auf dieser Reise machten die Projektverantwortlichen wertvolle Erfahrungen, die der Branche heute als Best Practices dienen können.
Eine der wichtigsten Lektionen für Feeley: Unterbrechungen vorherzusehen und sich darauf vorzubereiten - zum Beispiel durch die Abhängigkeit von anderen Bereichen, durch laufende Fusionen oder durch die Inkompatibilität von Altanwendungen mit SAP S/4HANA, usw. Zu den am wenigsten erwarteten Ereignissen gehörte wohl die Epidemie, die dazu führte, dass alles - einschließlich der Schulungen - in weite Ferne rückte.
Empfehlenswert ist außerdem, eine unabhängige Organisation einzurichten, die an wichtigen Wendepunkten Qualitäts-Audits durchführt und so den Fortschritt überwacht und für Transparenz sorgt.
Ein weiterer wichtiger Punkt: die Bereitstellung zusätzlicher Mittel, um programmübergreifende Abhängigkeiten zu managen und zu synchronisieren. Das ist von entscheidender Bedeutung, um Fristen halten und eine einheitliche digitale Kernarchitektur sicherstellen zu können.
Und, last but not least, hier noch der Schlüssel zur sicheren Einhaltung von Standards: Setzen Sie auf eine Top-Down-Strategie, die von der Geschäftsleitung vorgegeben wird. Abweichungen müssten generell vom Büro des CIOs genehmigt werden.
Transformation bei SGRE in Stichpunkten (Stand Juni 2023) Projektdauer: November 2019 - Ende 2024 48 Länder live, weitere 16 Länder folgen 17.200 Nutzer migriert, 4.000 weitere folgen 12 SAP-Altsysteme migriert auf SAP S/4HANA 1.300 periphere auf 200 essenzielle Anwendungen konsolidiert |
Foto: petrmalinak - shutterstock.com
Fazit
Der Weg, den die Siemens Gamesa bei ihrer Transformation eingeschlagen habe, sei zweifellos der richtige, resümiert Feeley. Die Ergebnisse sprächen für sich: Die Prozessparameter und operativen KPIs zeigen deutliche Verbesserungen. "Die Systeme, die wir im Zuge der Umstellung implementiert haben, unterstützen die Organisation, schneller und reibungsloser zu arbeiten und reduzieren die Komplexität der Prozesse deutlich."
Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie mit Infosys digitale Kompetenzen entwickeln können.