Lebensart

Die Gartenlust kehrt zurück

16.07.2013
Von Christopher Schwarz

Natürlich ist dieses Verlangen nach Separation, nach ungestörtem Bei-sich-Sein in der Intimität des Gartens, ein uralter Wunsch. Unsere Gärten, die erst mit den Städten nach Europa gekommen sind, waren immer private Zufluchtsorte inmitten urbaner Zivilisation. Noch die großen Wiener und Berliner Wohnblöcke des späten 19. Jahrhunderts boten in ihren geräumigen Innenhöfen neben Grünflächen für alle Mieter auch Parzellen für kleine private Gärten. Erst der moderne Städtebau hat vergessen, dass zu den Errungenschaften der Stadt neben den öffentlichen Plätzen und Straßen auch die Welt der privaten Höfe und Gärten gehört und mit ihnen das Bedürfnis nach Orten der Überschaubarkeit, des kleinen, behaglichen Glücks.

Was Wunder, dass mit den Innenhöfen längst auch die Gartenlust in unsere Städte zurückgekehrt ist. Zum Beispiel im rheinischen Neuss. Dass der hufeisenförmige, geklinkerte Wohnkomplex in der Salzstraße zu den begehrten Adressen in der Innenstadt gehört, liegt nicht nur an der günstigen Lage, sondern vor allem an der grünen Oase hinterm Haus.

Buddha-Figur und Obstspalier

Der zentrale Gemeinschaftsgarten ist von lauter kleinen Gärten umschlossen, die von den Mietern im Parterre mit Fleiß und Stilgefühl gepflegt werden: An das thailändisch inspirierte Gärtchen mit fächelnden Gräsern und Buddha-Figur fügt sich der Naschgarten mit Tomaten, Kletterbohnen und Mini-Obstspalier. Neben dem Rasenspielplätzchen mit Klettergestell, Sandkasten und Schaukel kuschelt sich im schattigen Winkel der Feng-Shui-Garten mit Blauregen, Hortensien, grüngelbbläulichen Funkien und weißen Rosen. Nur die Buchenhecke, die das Neusser Gartenreich in seine Gartenparzellen teilt, will nicht so, wie die Neusser Gärtner wollen. Weil sie es versäumt haben, die Zweige am Boden rechtzeitig zurückzuschneiden, gucken die Kinder durch die Hecke - und die Nachbarn, die sonst um jeden Zentimeter Abstand ringen, rücken einander unfreiwillig näher. Gerade aber die Abgrenzung ist es, die bei aller Nähe die Privatsphäre schafft und Erholung bereitet. "Sichtschutz", auf dem Land gewährleistet durch große Entfernungen zwischen den Nachbarn, entsteht auf engem Raum durch Grenzen.

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