Große Skepsis

Die HP-Umbaupläne im Urteil der Analysten

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer IDC Deutschland und Schweiz, betrachtet Zeitpunkt und Art der Kommunikation als folgenschweres Eigentor: „Durch HPs Ankündigung, PSG abstoßen zu wollen, und das ohne klare Pläne oder einen potenziellen Käufer, läuft nun der Countdown für rentable PC-Geschäfte und der Wert sinkt“, so Moussavi-Amin. „Trotz anders lautender Aussagen von HP haben diese Bekanntmachungen den sowieso schon geringen Marktchancen von WebOS als mobiles Betriebssystem den Garaus gemacht.“

Mögliche Käufer der PC-Sparte: Samsung und Lenovo

IDC erwartet nun ein schnelles Abwandern der besten PSG-Mitarbeiter. Als potenzielle Käufer dieser HP-Sparte denkt Moussavi-Amin insbesondere an Samsung und Lenovo. „Das wäre in jedem Fall ein Riesending, egal wer nun letztendlich der Käufer ist“, so der Analyst. „Beide Hersteller verfolgen aggressive Wachstumspläne. Wenn diese umgesetzt werden, dann werden die Karten in der gesamten PC-Welt wohl neu gemischt.“

HP drohten in den kommenden Monaten schwere Einbußen insbesondere bei den Geschäftskunden. „Schafft es HP nicht, hier schnell eine Lösung zu finden, werden Großunternehmen, die von ihren Lieferanten klare Produkt-Roadmaps, ein stabiles Image und eine garantierte langfristige Verfügbarkeit für die Geräte fordern, zweifellos der HP-Konkurrenz den Vorzug geben“, argwöhnt der IDC-Deutschlandchef. Die Konkurrenz werde sich jetzt rüsten und aggressiv um das HP-Geschäft kämpfen, meint Moussavi-Amin.

Aus Sicht seiner Kollegen von IDC Europe, Douglas Hayward, Jane Doorly und Mette Ahorlu, gibt HP mit PSG die Kostenvorteile eines Marktführers aus der Hand – und damit auch die Macht, seinen Kunden Support und Service für die eigene Produktfamilie aufzudrücken. Firmenkunden eröffne das eine gute Gelegenheit, hart über diese Kostenstellen zu verhandeln. Zudem sei zu erwarten, dass sowohl beim PC-Segment als auch bei WebOS Großkunden langfristige Roadmaps und eindeutige Support-Garantien einforderten. Wie einst bei IBM/Lenovo sei davon auszugehen, dass HP auch einige Zeit nach einem PSG-Verkauf auf Basis eines Reseller-Agreements weiter PCs verkaufe.

HP-Tablets und WebOS: leichterftig verspielte Chance

Im Smartphone- und Tablet-Bereich verschenkt HP nach Einschätzung von IDC-Deutschland leichtfertig eine Chance. Da nach dem Google-Motorola-Deal Anbieter wie HTC, LG und Samsung auf der Suche nach einer Alternative zu Android seien, hätte HP WebOS jetzt gut als Lizenzgeber vermarkten können, so Moussavi-Amin: „Doch HP hat WebOS sozusagen erst einmal aufs Abstellgleis geschoben, bis über die Zukunft von PSG entschieden ist, und dem Betriebssystem damit den Todesstoß versetzt.“ Auf WebOS werde niemand warten, der Vorsprung von Apple und Android sei nahezu unaufholbar, so IDC. Und wenn von den aktuellen Entwicklungen ein Dritter profitiere, dann Microsoft. Dazu passen die Gerüchte, dass Microsoft bereits um WebOS-Mitarbeiter buhlen soll.

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