Wirtschaftskriminalität

Die Jäger der Wirtschaftsbosse

05.02.2013
Von Jürgen Berke, Harald Schumacher, Martin Seiwert und Melanie Bergermann

Auf dem Prüfstand

Zugleich steht die grassierende Deal-Praxis beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand. Ein Gutachten, das die Karlsruher Richter dazu bei der Universität Düsseldorf in Auftrag gaben, fiel wenig schmeichelhaft für die Damen und Herren in den schwarzen Roben aus: Die Hälfte aller Deals könnte illegal sein. Ex-Staatsanwalt Karge verwundert das nicht. "Deals", sagt er, "sind einfach eine Kapitulation vor der Komplexität der wirtschaftlichen Materie. Der Staatsanwalt steigt nicht durch, bekommt aber trotzdem ein Urteil. Das lautet dann meist: zwei Jahre auf Bewährung."

Als ehemaliger Vorstandschef der Deutschen Bank stand Josef Ackermann im November 2006 im Visier. Der Fall: Bei der Mannesmann-Übernahme 2000 durch Vodafone segnete der Aufsichtsrat 60 Millionen Mark Extra-Prämien und Abfindungen für Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser und weitere Manager ab. Die Folgen: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhob Anklage wegen schwerer Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu. Nachdem der BGH die erstinstanzlichen Freisprüche kassiert hatte, stellte das Landgericht Düsseldorf 2006 gegen Geldauflagen die Verfahren ein. Ackermann zahlte 3,2 Millionen Euro, Esser 1,5 Millionen, Ex-Aufsichtsratschef Joachim Funk eine Million und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel 60.000 Euro.
Als ehemaliger Vorstandschef der Deutschen Bank stand Josef Ackermann im November 2006 im Visier. Der Fall: Bei der Mannesmann-Übernahme 2000 durch Vodafone segnete der Aufsichtsrat 60 Millionen Mark Extra-Prämien und Abfindungen für Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser und weitere Manager ab. Die Folgen: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhob Anklage wegen schwerer Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu. Nachdem der BGH die erstinstanzlichen Freisprüche kassiert hatte, stellte das Landgericht Düsseldorf 2006 gegen Geldauflagen die Verfahren ein. Ackermann zahlte 3,2 Millionen Euro, Esser 1,5 Millionen, Ex-Aufsichtsratschef Joachim Funk eine Million und Ex-IG-Metall-Chef Klaus Zwickel 60.000 Euro.
Foto: Deutsche Bank

Das war auch das Strafmaß etwa im Fall des Ex-Postchefs und rechtskräftig verurteilten Steuerhinterziehers Klaus Zumwinkel oder des früheren Ferrostaal-Rüstungsmanagers und Schmiergeldzahlers Johann-Friedrich Haun, die mit ihren Deals längere Verfahren mit ungewissem Ausgang abwenden konnten.

Die Komplexität, die für immer mehr Deals sorgt, sei aber nicht bloß Schicksal, sondern kalte Strategie von Wirtschaftsanwälten, sagt der Aktienrechtler Oliver Maaß von der Münchner Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds: "Wenn es um Wirtschaftsstrafrecht, etwa größere Betrugs- und Untreuefälle geht, ist es kein Problem, die Fälle so komplex zu machen, dass der Staatsanwalt aufgibt und gegen geringe Auflagen das Verfahren einstellt."

Bereits 2006 hagelte es Kritik, als der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und andere frühere Mannesmann-Aufsichtsräte sich so aus den Verfahren wegen unberechtigter Megaabfindungen ans frühere Mannesmann-Management herauskaufen konnten. Jetzt brach erneut ein Entrüstungssturm über die Praxis der Deals los, als sich das Landgericht München im September mit Ex-MAN-Vorstand Weinmann auf zehn Monate und 100.000 Euro Geldauflage einigte.

Doch was, wenn die Verfassungsrichter strikte Grenzen ziehen? Ohne Deals müssten die Staatsanwaltschaften statt der juristischen Abkürzung trotz überstrapazierter Kapazitäten häufiger den langen Verfahrensweg gehen - oder eingestehen, dass sie mit einem Verdacht auf dem Holzweg sind.

Genau diese Größe haben professionelle Ermittler nicht immer. Manchmal verbeißen sie sich so in das Ziel, einen Schuldigen zur Strecke zu bringen, dass ihnen der Blick für dessen Unschuld schlicht fehlt - und vergeuden dabei knappe Kapazitäten.

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