Wirtschaftskriminalität

Die Jäger der Wirtschaftsbosse

05.02.2013
Von Jürgen Berke, Harald Schumacher, Martin Seiwert und Melanie Bergermann

Overkill: Der Fall Friedrich

Einen Fall von Ermittlungs-Overkill erlebte Harald Friedrich. Ob der 60-Jährige, der heute freiberuflicher Umwelt-Gutachter ist, Opfer einer politischen Intrige war oder im Wuppertaler Oberstaatsanwalt Ralf Meyer bloß den falschen Gegner hatte, wird wohl nie geklärt werden. Jedenfalls war Friedrich vor sechs Jahren noch grüner Abteilungsleiter im damals christdemokratisch geführten NRW-Umweltministerium. Im Gegensatz zu seinem Minister Eckhard Uhlenberg forderte er wegen der Wasserbelastung mit der Chemikalie PFT eine Nachrüstung der Wasserwerke an der Ruhr. Dann kosteten ihn 2006 plötzlich massive Vorwürfe den Job. Wegen Korruption, Betrug und Untreue wurde gegen Friedrich ermittelt. Angeblicher Schaden für das Land: 4,3 Millionen Euro.

Staatsanwalt Meyer ließ 275 Polizeibeamte 45 Wohnungen in drei Bundesländern durchsuchen, mehr als 1.000 Telefongespräche abhören und steckte Friedrich 22 Tage in Untersuchungshaft. Sämtliche Vorwürfe mussten auf Weisung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Doch Meyer suchte immer neue Angriffspunkte. Nach gut drei Jahren Ermittlungsqual ging es noch um 40 keineswegs teure Arbeitsessen - unter anderem Salatteller und Currywurst -, zu denen sich Friedrich hatte einladen lassen. Gegen 700 Euro Geldauflage wurden die Ermittlungen eingestellt - Friedrich zahlte, "auch wenn diese Geldbuße nur dazu dient, dass Staatsanwalt Meyer sein Gesicht wahren kann".

Der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Gregor Steinforth, der mehrfach versucht hatte, die Wuppertaler zu stoppen, weil er unter anderem "Sensibilität und Fingerspitzengefühl" vermisste, erklärte in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss das Vorgehen seines Kollegen mit einem "Tunnelblick". Das Phänomen kenne er selbst aus seiner Zeit in der großen Wirtschaftsabteilung, sagte Steinforth: "Da bearbeitet man ein einziges Ermittlungsverfahren nicht nur über Monate, sondern über Jahre hinweg." Und dabei komme es halt "gelegentlich vor - und das dürfen Sie niemandem verübeln und auch niemandem zum Vorwurf machen -, dass man den Tunnelblick bekommt".

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