Corona befeuert alte Debatten neu

Die Krise und das Grundeinkommen

27.07.2020
Weltweit haben viele Menschen durch Corona-Beschränkungen ihre Jobs verloren, Massenarbeitslosigkeit und Elend drohen. Sollen die Staaten in dieser Situation ihrer Bevölkerung ein Grundeinkommen zahlen?
Die Meinungen über ein Grundeinkommen gehen weit auseinander. Afrika prescht nun vor.
Die Meinungen über ein Grundeinkommen gehen weit auseinander. Afrika prescht nun vor.
Foto: Travel man - shutterstock.com

Der Job weg, die Einkommensquelle versiegt - aber die Kosten bleiben: Weltweit stürzt die Corona-Krise viele Menschen in Existenznot. Kritisch wird es vor allem in Ländern mit ohnehin schon vielen armen Menschen. In Südafrika etwa lag die Arbeitslosenquote zum Jahresbeginn bei 30,1 Prozent, und das war vor dem Corona-Lockdown. Nun wird sie auf über 50 Prozent geschätzt. Die Regierung erwägt daher ein staatliches Grundeinkommen für alle Bürger zwischen 18 und 59 Jahren. "Die Diskussionen über die Einführung des bedingungslosen Basis-Einkommens sind wieder auf dem Tisch", erklärte Sozialministerin Lindiwe Zulu.

Auch die Vereinten Nationen haben sich dazu positioniert: ihre Entwicklungsorganisation UNDP befürwortet ein solches Grundeinkommen, zumindest erst einmal befristet. Das Projekt ist ein Klassiker, der seit Jahren auch in Deutschland und anderen Ländern Debatten prägt. Die Idee: Unabhängig von Lebens- und Einkommensverhältnissen und dem Status der Beschäftigung soll ein bedingungsloses Grundeinkommen jedem Bürger zustehen und weitgehend die lebensnotwendigen Grundbedürfnisse wie Wohnen, Ernährung und gesundheitliche Versorgung absichern.

"Bürgergeld" oder "Faulheitsprämie"?

Doch am Thema Grundeinkommen scheiden sich die Geister: was den einen als "Bürgergeld" gilt, nennen andere schlicht "Faulheitsprämie". In Deutschland haben sich die Gewerkschaften oder die Bundesagentur für Arbeit bisher eher ablehnend geäußert. Von einer "Stillhalteprämie" für Menschen war die Rede, denen sich kaum Perspektiven der Erwerbsarbeit eröffnen. Weltweit gab es dennnoch von Finnland bis Namibia Pilotprojekte. In Deutschland macht der Verein "Mein Grundeinkommen" dafür Stimmung, der seit sechs Jahren regelmäßig spendenfinanzierte Grundeinkommen für ein Jahr zu je 1.000 Euro pro Monat zahlt.

Angesichts der weltweiten Beschränkungen im Kampf gegen das Coronavirus bekommt die Debatte nun neuen Schwung. Viele Unternehmen gehen pleite, Millionen Arbeitsplätze fallen weg, soziale Sicherungssysteme sind mangelhaft und stehen vor dem Kollaps.

Kosten von 1,1 Milliarden Euro für Südafrika pro Monat

In einem Land wie Südafrika mit seiner weltweit wohl einmalig hohen Ungleichheit der Gesellschaft könnte so ein Ansatz zur Vermeidung sozialer Spannungen Sinn machen - auch wenn die Frage bleibt, woher der überschuldete Kap-Staat das Geld nehmen soll. Die südafrikanische Zeitung "Business Day" hat Zulus Vorschlag grob überschlagen und spricht von einer "noblen, aber unbezahlbaren Idee": "Es würde den Staat mindestens 21 Milliarden Rand (1,1 Mrd Euro) pro Monat kosten - oder rund 252 Milliarden Rand (13,2 Mrd Euro) pro Jahr."

Schon bisher zahlt Südafrika der armen Bevölkerung eine befristete Corona-Überbrückungshilfe von monatlich 350 Rand - umgerechnet knapp 20 Euro. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, nichts weiter. Doch es ist ganz im Sinne der UN-Entwicklungshelfer vom UNDP. Sie regen in einem gerade vorgestellten Bericht auch für andere arme Länder eine solche auf sechs Monate befristete Hilfe an. Die Kosten machten in Afrika maximal drei Prozent des regionalen Bruttoinlandsprodukts aus.

Der Hintergrund: UNDP-Chef Achim Steiner fürchtet den Verlust jahrzehntelanger Entwicklungsfortschritte. Sein Chef-Ökonom George Gray Molina meinte zudem in einer Videokonferenz: "Das Grundeinkommen könnte bei der Reduzierung der Virus-Ausbreitung helfen." Immerhin würden viele Menschen deswegen ja zu Hause bleiben können. Ihm schwebt ein befristeter Geldtransfer vor, der den Ärmsten der Armen zukommen soll. Molina führt den westafrikanischen Kleinstaat Togo als Beispiel an. In der ehemaligen deutschen Kolonie sei der Regierung gelungen, was andere noch für kaum durchführbar halten.

Transfer-Programm "Novissi"

Dort gibt es ein staatliches Transfer-Programm namens "Novissi" - Solidarität in der lokalen Ewe-Sprache. Vom Schneider über den Taxifahrer bis zur Haushaltshilfe kann es jeder volljährige Togoer beanspruchen, der Einkommen durch die Corona-Restriktionen verloren hat. Es sind keine hohen Summen, aber willkommene Beihilfen: Frauen erhalten mit 12.500 CFA (19 Euro) mehr als Männer mit 10.500 CFA (16 Euro). Zudem gibt es Beihilfen für Strom- und Wasserrechnungen.

Der Geldtransfer geschieht auf elektronischem Wege schnell und unbürokratisch per Smartphone. Bei einer Bevölkerung von rund sieben Millionen Menschen sind 1,4 Millionen Empfänger registriert. "Die Bevölkerung soll nicht wählen müssen zwischen Covid-19 und dem Hunger", lautet das Credo von Präsident Faure Gnassingbé, der das System für übertragbar auf andere Länder in Afrika hält. (dpa/rs)

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