Management-Strategien

Die Mitarbeiterführung der alten Griechen

13.07.2009
Von Olaf  Kraus

Von den Griechen lernen

Für den Leser lautet die Kernbotschaft Xenophons deshalb: Die Mannschaft, das Kollektiv ist wichtiger als die Person an der Spitze, deren Machtbefugnisse strikt beschränkt werden sollten. Bei den heutigen Unternehmen weist der Trend eindeutig in die andere Richtung: Spitzenmanagern wird immer höhere Verantwortung aufgebürdet, und sie werden mit immer höheren Vergütungen geködert, um ihre Organisationen rücksichtslos auf Erfolg zu trimmen. Eine Art neuer Personenkult und skandalöse moralische Entgleisungen sind die Folge. In der Führungsliteratur werden zwar Soft Skills und die Aufteilung der Verantwortlichkeit durch "Empowerment" propagiert, aber die grundsätzliche Machtstruktur der Organisationen wird nicht infrage gestellt; die vorgeschlagenen "partizipativen Führungsmodelle" erfüllen eher eine taktische Funktion und haben mit der wirklichen Machtverteilung in den Unternehmen meist nichts zu tun.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt Situationen - wie das berühmte vom Untergang bedrohte Schiff -, in denen der Kapitän machtvoll, schnell und ohne Rücksichten durchgreifen muss. Aber das sind Ausnahmesituationen, wie sie für Unternehmen allenfalls bei Gründung, Sanierung oder bei drohender Illiquidität bestehen. Und es gibt zu denken, dass Xenophon selbst in Kriegszeiten für das individualistische, freiheitliche griechische Geschäftsmodell plädierte. Als der erwähnte Kommandeur gewählt werden sollte, lehnte er es ab, sich zur Wahl zu stellen.

Xenophon: "Des Kyros Anabasis: Der Zug der Zehntausend."; Reclam, 2005, 284 Seiten, 7,00 Euro.
Xenophon: "Des Kyros Anabasis: Der Zug der Zehntausend."; Reclam, 2005, 284 Seiten, 7,00 Euro.
Foto: Reclam

Während meiner Tätigkeit bei der Metallgesellschaft habe ich mit dem bekannten Sanierungsmanager Kajo Neukirchen zusammengearbeitet. In der Sanierungsphase habe ich sein blitzschnelles Erfassen der Lage und seine scharfsinnigen, konsequent durchgezogenen Entscheidungen bewundert; später musste ich aber auch erleben, wie kontraproduktiv sich derselbe Führungsstil in der Aufbauphase auswirkte.

Der aus den USA kommende Trend, das Heil in einem starken, mit allen Vollmachten ausgestatteten CEO zu sehen, ist nicht nur - wie die moralischen Entgleisungen und die ins Astronomische gestiegenen Managervergütungen zeigen - gesellschaftspolitisch ein Irrweg, dieser Trend ist auch wirtschaftlich unvernünftig. Und gerade aus den USA kommen in letzter Zeit Stimmen, die ein Umdenken ankündigen.

Von Xenophon können wir lernen: Gemeinschaften, in denen sich eigenständige Individuen, die Machtkonzentrationen strikt ablehnen und ein klares gemeinsames Ziel haben, freiwillig zusammenschließen, sind zu Höchstleistungen fähig, und zwar über lange Zeit und nicht nur in der Phase der "Sanierung". Aber auch, dass es höchster Konzentration, Geschicklichkeit und Professionalität bedarf, in solchen Gemeinschaften die höchste Verantwortung zu übernehmen und zu behalten.

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