Aristoteles als Vorbild

Die Rhetorik-Tricks von Steve Jobs



Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Der Apple-Gründer wirkte deshalb so überzeugend, weil er sich Aristoteles zum Vorbild nahm, so zwei britische Autoren in einer Analyse von Jobs' Rhetorik. 6 einfache Regeln, die jeder lernen kann.
Der gigantische Erfolg von Apple wird bis heute zu einem Gutteil Steve Jobs zugeschrieben.
Der gigantische Erfolg von Apple wird bis heute zu einem Gutteil Steve Jobs zugeschrieben.

Sein Name produziert in der englischsprachigen Google-Suche 135 Millionen Treffer, fast viermal so viele wie der des US-Präsidenten. Amazon.com hat fast 20.000 Steve Jobs-Produkte im Sortiment, vor allem Bücher natürlich. Ihre Titel reichen von "So lernen Sie zu denken wie Steve Jobs", über "Das Genie, das die Welt veränderte" bis zu "Der Mensch hinter der Maschine."

Tatsächlich wird Jobs, 2011 verstorbener Mastermind von AppleApple, weniger als genialer Erfinder verehrt, nicht so sehr wegen seiner Rolle bei der Entwicklung von Produkten, sondern mehr als Visionär. Als Seher, Gestalter und Charismatiker, dessen öffentliche Auftritte wie heilige Messen inszeniert und von den Zuhörern auch so aufgenommen wurden. Alles zu Apple auf CIO.de

Was alle lernen wollen, ist sein Stil zu kommunizieren, zu überzeugen, zu vermitteln und zu verkaufen. Die Fähigkeit, Menschen in seinen Bann zu schlagen. Wie ihm das gelang, haben jetzt die beiden britischen Autoren Loizos Heracleous und Laura Klaering analysiert.

Das Paper "Charismatische Führung und rhetorische Kompetenz: Eine Analyse von Steve Jobs' Rhetorik", veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Group & Organization Management", erklärt, warum sich fast niemand der Überzeugungskraft dieses Mannes entziehen konnte.

Aristoteles als Vorbild

Ihre Kernthese: Jobs bediente sich vor allem dreier einst vom antiken griechischen Philosophen Aristoteles beschriebenen Kommunikationstechniken: Ethos, Pathos und Logos. Mit Ethos ist in diesem Zusammenhang das eigene Image als moralische Instanz gemeint, mit Pathos die Fähigkeit, selbst emotional zu wirken und mit Erfolg an die Gefühle des Publikums zu appellieren. Logos schließlich bezeichnet den überzeugenden Gebrauch rationaler, logischer Argumente.

Wie und in welchem Verhältnis zueinander Jobs diese Mittel einsetzte, beschreiben die Autoren anhand dreier öffentlicher Auftritte des Halbgotts: Die Befragung durch eine Untersuchungskommission, ein TV-Interview sowie die Rede auf einer Konferenz über Digital-Trends.

Zentral sei dabei stets der Faktor Ethos gewesen, also sein Image als moralische Instanz: Wie genau er mit den Tools Pathos und Logos spielte, hing stets davon ab, wie sehr ihn das jeweilige Publikum als moralische Instanz betrachtete, so die Autoren.

Vor der US-Börsenaufsicht SEC, wo sich Jobs im März 2008 zu mutmaßlichen Verstößen gegen US-Aktiengesetze durch Apple äußern musste, schätzte er seine Macht als moralische Autorität - sicher zu recht - als eher niedrig ein. Auch auf rationale Argumente (Logos) wollte er sich in diesem Umfeld weniger verlassen. Umso mehr setzte Steve Jobs vor der Kommission auf den Faktor Pathos, das heißt seine Rede war ein Appell, eine Art Aufruf.

Zentrale Thesen bleiben immer gleich

Bei anderen Gelegenheiten nahm Jobs nach Ansicht der Autoren von "Charismatische FührungFührung und rhetorische Kompetenz" an, dass sein Auditorium vor allem auch echten Bewunderern bestand. Dann geriet seine Rede weniger dramatisch, stattdessen glänzte er mit logisch aufgebauter, schlüssiger Argumentation. Loizos Heracleous, einer der Autoren der Analyse: "Steve Jobs war extrem gut darin, seine Rhetorik exakt an die entsprechende Situation anzupassen." Alles zu Führung auf CIO.de

Auf der anderen Seite - und das sei mindestens ebenso wichtig - transportierte er auch die immer selben zentralen Themen und Metaphern. Zentrale Jobs-Themen waren immer Zukunft, Technologie und Menschen. Lieblingsmetapern waren "Business as a Journey" oder auch "Life as a Journey".

Zweierlei wollte er damit zum Ausdruck bringen. Erstens: Im Geschäftsleben, und besonders in der IT-Branche, gibt es keine unverrückbaren Ergebnisse, keine klar definierbaren Anfänge und Endpunkte. Sondern nur Entwicklungen, alles bewegt sich wie ein Fluss ständig weiter. Zweite Botschaft: Mein Ansatz und mein Mythos sind ganzheitlich, jede Abgrenzung zwischen Business-Denke und Lebenseinstellung wäre unangemessen.

Letztgenannte Perspektive entspricht der Blickrichtung auch anderer US-Management- und Marketingvordenker, die ihre Botschaft wie Religionsstiftern und Sektenführer unters Volk bringen: Das eigene Credo liefert Antworten auf alle Fragen, Widersprüche werden definitorisch beseitigt.

Teamwork steht im Mittelpunkt

Vom ersten PC im Jahre 1954 bis zum Mac war der Weg lang.
Vom ersten PC im Jahre 1954 bis zum Mac war der Weg lang.
Foto: RAND Corporation

Wer in diesem Umfeld erfolgreich führen will, muss in der Lage sein, Kontinuität und Anpassungsfähigkeit geschickt zu kombinieren. Wie man das in Perfektion hinkriegt, bewies Steve Jobs bei seinen unzähligen Auftritten.

Und er muss sich mächtiger Sprachbilder bedienen. Auf der bereits angesprochenen Konferenz zum Thema Digitalisierung sagte Steve Jobs unter anderem: "Technologische Entwicklungen vollziehen sich in Zyklen. Sie haben ihren Frühling, ihren Sommer und ihren Herbst. Und irgendwann werden sie beerdigt. Wir (von Apple) versuchen uns mit Dingen zu beschäftigen, die gerade ihren Frühling erleben."

Bezeichnend ist auch häufige Betonung des Faktors Mensch. So sagte Jobs auf derselben Veranstaltung über Apple: "An der Spitze des Unternehmens steht Teamwork ganz klar im Mittelpunkt, auch deshalb gibt es so viel Teamwork in allen Abteilungen. Solche Zusammenarbeit funktioniert aber nur dann, wenn wir Vertrauen darin haben, dass andere ihren Teil des Jobs auch dann gut machen, wenn wir sie nicht ständig kontrollieren."

Zusammenfassend kann man sagen, dass die als charismatisch empfundene öffentliche Wirkung von Steve Jobs Auftritten auf einer Reihe von Regeln beruht, die (fast) jeder lernen kann. Es gilt, konsistent und anpassungsfähig zugleich zu sein.

So lauten die 6 Regeln

  • Fokussiere dich auf wenige zentrale Themen, die dich und dein Business beschreiben.

  • Eigene dir eine Reihe eingängiger Metaphern an, die du je nach Situation variierst.

  • Wiederhole diese Themen und Metaphern ständig.

  • Kenne deine Zuhörerschaft. Was denken sie? Was fühlen sie? Was erwarten sie von dir?

  • Stelle dich auf die jeweilige Situation ein, indem du die Anteile von Logos, Ethos und Pathos in deiner Rede anpasst.

  • Lege großes Augenmerkt auf deine Glaubwürdigkeit und dein Image. Sie sind der Schlüssel zu fast allem.

Auch Halbgötter machen Fehler

Fraglos kann man von Steve Jobs rhetorisch sehr viel lernen. Allerdings: Perfekt war auch er nicht. Auf jener schon mehrfach angesprochenen Konferenz zum Thema Digitalisierung im Juni 2010 wurde er auch auf die Arbeitsbedingungen beim chinesischen Apple-Zulieferer Foxconn und die dortige Selbstmordserie angesprochen.

Steve Jobs traute der Welt fast alles zu - doch auch er machte Fehler.
Steve Jobs traute der Welt fast alles zu - doch auch er machte Fehler.

Jobs sagte, die betreffende Fabrik sei kein Sweatshop. Es gebe Kinos, Schwimmbäder, Restaurants, Krankenhäuser. Und 13 Selbstmorde im Jahre 2010 bei 400.000 Mitarbeitern, das sei immerhin eine niedrigere Selbstmordrate als in den USA.

Die Wirkung dieser Worte war durchschlagend, allerdings ganz anders als sonst bei Steve Jobs üblich. Unter der Interviewpassage auf Youtube stehen fast 500 Kommentare. Ihre Lektüre ist dazu geeignet, die Heldenverehrung etwas zu dämpfen.

Zur Startseite