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Commerzbank-COO Hessenmüller

"Digitalisierung beginnt im Kopf"

Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Teil des Inkubators war früher auch das Distributed Ledger Lab der Commerzbank. "Als das Thema immer näher an die Produktionsreife rückte, haben wir es zurück in die Bank geholt", erinnert sich der COO. Dabei ging es auch um eine bessere Skalierung der dort entstehenden Lösungen mit den Kundendaten der Commerzbank.

Für besonders aussichtsreich hält er das Thema Selbstbestimmte Identität (Self-Sovereign Identity, SSI). Dahinter steckt die Idee, dass eine Person, Organisation oder Maschine eine digitale Identität erzeugen und kontrollieren kann, ohne dass dazu die Erlaubnis eines Vermittlers oder einer zentralen Partei vonnöten ist. Die SSI soll zudem die volle Kontrolle darüber sicherstellen, wie persönliche Daten geteilt und genutzt werden, am Ende also wie eine Art digitaler Personalausweis funktionieren. "Wie schaffen wir es mithilfe von Blockchain-Technik, dass jeder seine digitale Identität für verschiedenste Zwecke selbst vorhalten und verwalten kann?", umreißt Hessenmüller die Aufgabe einer aktuellen Initiative.

Digitale Identitäten auf der Blockchain

Als Partner im Projekt "IDunion" arbeitet die Commerzbank am Aufbau eines Ökosystems für digitale Identitäten mit und entwickelt die Identitäts-Wallet "Lissi". Kunden sollen damit ihre digitalen Identitäten direkt auf dem Smartphone verwalten können. Zu den Projektpartnern gehören mehr als 40 Institutionen und Unternehmen aus dem privaten und öffentlichen Sektor, beispielsweise die Bundesdruckerei, Bosch, die Deutsche Bahn und die Bank ING. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt.

Im Projekt "IDunion" arbeitet die Commerzbank gemeinsam mit Partnern an einem offenen Ökosystem für digitale Identitäten.
Im Projekt "IDunion" arbeitet die Commerzbank gemeinsam mit Partnern an einem offenen Ökosystem für digitale Identitäten.
Foto: Blue Planet Studio - shutterstock.com

Die Use Cases sind vielfältig, erläutert Hessenmüller. Mit der digitalen Identität in seiner Wallet könne ein Kunde etwa in wenigen Minuten ein Konto eröffnen und sofort nutzen, ohne den bislang notwendigen Prozess der Authentifizierung via PostIdent oder VideoIdent. Auch andere Einsatzszenarien hält er für realistisch, beispielsweise in der KFZ-Anmeldung oder beim Abschließen von Mobilfunk- und Versicherungsverträgen.

Kulturwandel und Change Management

Ohne einen weitgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur sind solche Initiativen auf Dauer nicht zu stemmen, ist sich der COO sicher. Schon Ende 2016, damals noch in anderer Funktion für Strategie und digitale Transformation verantwortlich, gründete er eine Abteilung für Cultural Change. Sie war die Keimzelle für einen Bereich, der heute auch die organisatorische Heimat für Agile Coaches bildet.

Dass eine IT der zwei Geschwindigkeiten, einst von Gartner mit dem Begriff der Bimodal IT geprägt, Change-Prozesse entscheidend voranbringt, glaubt Hessenmüller nicht: "Entweder die ganze Bank macht den Schritt oder es gibt immer wieder Reibungen." Das ausgegründete Schnellboot neben dem traditionellen Organismus funktioniere nicht nachhaltig. "Man muss die komplette IT, das Produkt-Management und alle beteiligten Einheiten auf die Reise mitnehmen."

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