Mehr Kundenorientierung durch vertikale Vernetzung

Digitalisierung muss integrativ sein

10.02.2015
Ima Buxton arbeitet als freie Redakteurin in München. Sie schreibt schwerpunktmäßig zu Strategie- und Trendthemen.

Sowohl das Beispiel BayWa wie auch Hamburger Hafen zeigen deutlich: Der Begriff Eco-Systeme darf beim Thema Integration nicht zu eng gefasst werden. Hier geht es um mehr als die Bereitstellung eines Zugangs zu bestimmten Kommunikations- oder Verkaufsplattformen - und darin liegt auch die Komplexität des Themas für Unternehmen. "Eco-Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass sich Unternehmen vertikal vernetzen, um die mobile, permanent vernetzte Kundschaft gemeinsam zu gewinnen", resümieren die Autoren von KPMG. "Dabei tritt das einzelne Produkt in den Hintergrund." Statt dessen stelle sich die Frage, welche Services insgesamt mit einer Lösung oder einem Kundenwunsch verbunden seien.

Erst branchenübergreifende Zusammenarbeit schafft Mehrwert für Kunden

Beispielhaft dafür sei der Bereich Connected Home, in dem Kundenkontakt, die Steuerung mittels Soft- und Hardware sowie die Endgeräte über Allianzen sichergestellt würden. Erst diese branchenübergreifende Zusammenarbeit schaffe den gewünschten Mehrwert für den Kunden.

Was diese Anforderungen für die Unternehmens-IT bedeuten, wurde bereits im Zusammenhang mit dem Konzept Industrie 4.0 ausführlich dargelegt. Wenn auch auf den industriellen Sektor fokusiert, sieht das Konzept vor, durch firmenübergreifende Vernetzung und Integration Wertschöpfungsnetzwerke zu errichten, die es ermöglichen die Produktentwicklung aus Sicht der Kundenanforderungen zu betrachten. Um dies zu erreichen gibt der Arbeitskreis Industrie 4.0 die folgenden IT-relevanten Umsetzungsempfehlungen:

  • Festlegung von Standards für die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen

  • Festlegung einer Referenzarchitektur, also eines Musters für Produkte und Dienstleistungen aller kooperierenden Unternehmen

  • Entwicklung einer gemeinsamen Sichtweise von Produktionstechnik, Automatisierungstechnik und IT / Internet

  • Entwicklung von Modellen komplexer (Produktions-)Systeme, um diese sicher zu beherrschen

  • Eine Breitbandinfrastruktur die einfach, skalierbar, sicher, verfügbar und bezahlbar ist und damit viele Anwender erreicht

  • Entwicklung integrierter Sicherheitskonzepte, -architekturen und -standards

Kommentar: Nur Digitalisierung reicht nicht

von Frank WolfsteinerFrank Wolfsteiner, Partner Information Services Group Germany (ISG) Profil von Frank Wolfsteiner im CIO-Netzwerk

Das „Age of the Customer“ und die damit verbundenen, veränderten Produktwelten und Geschäftsmodelle sind nicht aufzuhalten: Studien zeigen, dass in rund 80 Prozent der deutschen Unternehmen diese Erkenntnis noch nicht angekommen ist.

Dabei ist die Digitalisierung aus technologischer Sicht noch die leichteste Übung. Vielmehr wirkt sich der Paradigmenwechsel weitaus tiefgreifender auf die Unternehmen aus.

Eine Neubewertung des Portfolios ist angeraten. Das Portfolio muss gewährleisten, dass das Unternehmen selbst die „Customer Ownership“ behält und den Mehrwert liefert, den Kunden zunehmend erwarten. Gelingt das nicht, werden traditionelle Produktanbieter buchstäblich überrannt und zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert: Andere werden den Wunsch der Kunden erfüllen, ihre Produktwelten selbst zu gestalten und neue Wege zum Kunden etablieren. Wie weit Kunden sich vom Ursprung der Leistung oder des Produkts entfernen, zeigt der Erfolg von z.B. „Spotify“ - die Digitalisierung von Musik hat ihre Entsprechung in einem Geschäftsmodell gefunden, das die Erwartungen von Kunden an Mehrwert erfüllt: Bequemlichkeit, Verfügbarkeit, individualisierte Angebote und nicht zuletzt Einfluss auf das Portfolio über ihr Kaufverhalten. Die eigentlichen Produzenten haben hier kaum noch Einfluss und den Zugang zu ihren Kunden in weiten Teilen verloren.

Der Paradigmenwechsel wird sich auch massiv auf die Unternehmensorganisation auswirken. Abgeschottetes Abteilungsdenken lässt eine übergreifende Zusammenarbeit, die die neuen eng vermaschten Produktstrukturen erfordern, nicht zu. Gebraucht wird eine einheitlich geführte Organisation, die mehrwertorientierte Produktwelten entwickelt.

Fazit: Die zitierten Studien zeigen, dass die Unternehmen die Digitalisierung noch nicht nachhaltig einsetzen. Sie sind jedoch gut beraten, die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, zu nutzen und ihr Portfolio im Einklang mit ihrer Organisation den neuen Bedingungen folgend anzupassen. Nur so können sie Kunden im „Age of the Customer“ langfristig einen Mehrwert bieten und sie an ihr Unternehmen binden, bevor es andere tun.

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