Keine Hierarchien, keine Taktik - einfach Mal entspannen

Echte Freunde statt ein Business-Netzwerk

09.03.2009
Von Klaus Werle

3,3 Stunden täglich bleiben der deutschen Führungskraft laut einer Studie für Familie und Freunde. Darauf kann man antworten: "In dem Job können Sie sich Freundschaften nicht leisten." Oder, wie Joussen sagt: "Diese Aufgabe können Sie nur schaffen, wenn Sie gute Freunde haben." Denn Freundschaft habe weniger mit Zeit als mit Intensität, Ritualen, Erinnerungen zu tun. Und mit Wollen - ein schneller Kaffee in Bonn oder Düsseldorf ist immer drin: "Ich möchte meine privaten Beziehungen nicht vom Beruf abhängig machen."

Freunde sind wichtig für das Selbstwertgefühl

Dass nur wenige Jungsfreundschaften Studium und erste Berufsjahre überdauern, liegt also weniger am Zeitmangel. Sondern am männlichen Konkurrenzdenken. Joussen und Winklbauer sind beide Manager und zudem in verschiedenen Branchen - das ist ideal, weil der direkte Vergleich entfällt. "Wenn aber beide in gleicher Ausgangsposition starten, und einer steigt schneller auf, beendet der andere oft die Freundschaft, weil die Augenhöhe fehlt", sagt Soziologe Wolf. Freunde loben dich für gutes Schwimmen, nachdem du gerade gekentert bist. Wolf: "Sie sind wichtig für unser Selbstwertgefühl, und das wird angekratzt, wenn man ständig vor Augen hat, dass es das Gegenüber weiter gebracht hat." Noch ein Grund, warum Freunde mit dem Aufstieg wechseln - und ab einer bestimmten Ebene kaum neue dazukommen.

Allerdings haben gerade Jugendfreundschaften gute Überlebenschancen, wenn der Karriereturbo in ganz unterschiedlichen Bereichen zündet. Hermann Kreitmeir (55) sitzt seit 24 Jahren für die CSU im Stadtrat von Lindau, war Vizeweltmeister im Surfen, betreibt eine Surfschule am Bodensee - und ist seit dem Gymnasium einer der besten Freunde von Andreas von Bechtolsheim (53), Mitgründer von Sun Microsystems, Serienentrepreneur und Milliardär. "Andreas ist auf dem Teppich geblieben, er gibt kaum Geld aus, im Kühlschrank sind meist nur Milch und Müsli. Aber im Supermarkt in Palo Alto stellt er mich dann Sergej und Larry vor."

Fünf Jahre saß er mit Bechtolsheim in der gleichen Bank, dem hochbegabten Birkenstock-Träger und Tüftler, der für Schulpartys schnell mal eine Lichtorgel bastelte, "während wir uns um die Mädchen kümmerten", wie Kreitmeir sagt. Nach dem Abitur verloren sich die beiden kurz aus den Augen - bis Bechtolsheim eine Nachricht aus Stanford schickte. Seitdem schreibt Kreitmeir regelmäßig Briefe an das Stanforder Postfach, sie treffen sich zum Surfen oder auf Kreitmeirs Weingut im Piemont, cruisen mit dem Auto die kalifornische Küste entlang und feiern ihren Geburtstag, der praktischerweise am selben Tag ist - wie 2005, als Bechtolsheim 50 wurde und sich 150 Gäste im Haus des Surflehrers über amerikanische Burger und bayerische Weißwürschtl hermachten.

Bechtolsheim ist das vermögende Genie - aber Kreitmeir gibt Nachhilfe in Lebenskunst: "Wenn ich in Kalifornien bin, dann schleppe ich ihn in gute Lokale oder koche selbst, wir reden über Weine, Reisen oder Kinder." Konkurrenz, sagt Kreitmeir, war nie ein Thema. Und Bechtolsheim mailt aus Kalifornien: "Unser Verhältnis ist genauso offen wie früher in der Schule. Geld hat mit Freundschaft nichts zu tun."

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