Strategien


Lilium

Ein Startup geht in die Luft

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

Ganz akut muss der CIO entscheiden, ob und wie viel SAP er einkauft. Auch hier: Für insgesamt 300 Mitarbeiter SAP einzurichten, ist natürlich maßlos übertrieben. Aber Lilium will ja wachsen. Also wird für die Zukunft eingekauft, unabhängig von der unbeantworteten Frage, wie sehr und wie gut SAP mit seiner Lösung "Leonardo" in die Produktion hineinreichen wird. Und zu welchen Konditionen. Bekannt ist, dass die Walldorfer nicht günstiger werden, sobald ein Kunde angebissen hat. Für Seidel steht immerhin schon fest: "Eigenentwicklung kommt in diesem Gebiet auf keinen Fall in Frage."

Auf dem Weg zur Airline

Noch ist Lilium ja keine Fluggesellschaft. Aber fest steht für das Startup, dass der Jet nicht gebaut wird, um ihn an reiche Eigentümer zu verkaufen. Privatflieger hält man bei Lilium für ein Auslaufmodell. Shareconomy ist das Schlagwort. Die Vision lautet so: Einen Platz im Flieger zieht sich der Passagier bei Bedarf über eine App. An Sammelstart- und Landeplätzen treffen sich dann vier Mitflieger für maximal eine Stunde, um maximal 300 Kilometer zurückzulegen. Viel mehr als ein Taxi soll der Spaß nicht kosten - wobei der Taxameter bei Kilometer 300 natürlich schon glüht.

Für die IT heißt das zunächst: Hier muss eine App entstehen, die dem Endkunden sofort Lust auf mehr macht. Der Nukleus für die App-Entwicklung steht auch schon. In London hat Lilium die ersten Entwickler um sich geschart, um ein hippes, zeitgemäßes Tool zu schaffen. Seidel und die Unternehmens-IT sind daran zunächst genauso wenig beteiligt wie an der IT im Flieger. Die Schnittstelle zum Kunden hält man bei Lilium für ebenso entscheidend wie die autonomen Flugsysteme. Das soll niemand - kein CIO und schon gar kein CDO - nebenbei mitsteuern. Auf den CIO warten ja noch zwei größere Aufgaben.

Vernetzung und Sicherheit

Vernetzung und Sicherheit werden perspektivisch die zeitintensivsten Jobs für Seidel. Um die Flieger richtig auszulasten, müssen sie ständig vernetzt sein - ganz egal, wo sie sich gerade bewegen. Und die allergrößte Aufgabe für die Zukunft: Kein Hacker darf an die Steuerungssysteme der autonomen Flieger geraten. Bilder von einem autonom in den Graben gesteuerten Jeep kann vielleicht Google überleben. Für Lilium wären sie das Ende des Unternehmens.

Warum tut sich Seidel all diese Unsicherheiten an? "Ich hab ja noch rund 15 Jahre Arbeit vor mir", sagt der CIO. Bei BMW sei einigermaßen absehbar gewesen, was da auf ihn zugekommen wäre. Zuletzt war Seidel dort für die Werks-IT zuständig. Er lobt seinen alten Arbeitgeber immer noch in höchsten Tönen, will aber die Freiheit in einem Startup nicht mehr missen: "Bei BMW haben wir uns ja auch bemüht, so etwas wie Startup-Islands zu kreieren. Aber am Ende war es immer noch ein Konzern."

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