Mit dem Auge des Adlers

Ein Tag im Leben eines Entwicklers

Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Was macht ein Software-Entwickler eigentlich den ganzen Tag? Wir haben Günther Reisner vom Münchner Systemhaus Pentasys acht Stunden lang über die Schulter geschaut.
Entwickler aus Leidenschaft: Günther Reisner mag es, komplexe Strukturen zu begreifen und zu entwerfen.
Entwickler aus Leidenschaft: Günther Reisner mag es, komplexe Strukturen zu begreifen und zu entwerfen.
Foto: Friedrich Schanda/Pentasys

9:00 Ein verregneter Montagmorgen, Notarzteinsatz am Münchner Marienplatz, U- und S-Bahnen fahren mit Verspätung. Günther Reisner kommt darum eine halbe Stunde später als gewohnt ins Büro. Er schlüpft gleich ins Besprechungszimmer, dort warten schon drei Kollegen auf ihn. In der nächsten Stunde gilt es, den Aufwand für ein neues Projekt zu schätzen. Ein Kunde will sein Lieferantenportal verschlanken, wie lange werden die Entwickler von Pentasys für die Umsetzung brauchen? Reisners Erfahrung ist gefragt, auch wenn sein Kollege Manuel Lilienberg das Projekt umsetzen wird.

Seit über elf Jahren arbeitet Reisner als Entwickler, davon über neun Jahre im Java-Bereich, er kennt das Lieferantenportal aus früheren Projekten. Zusammen gehen Reisner, die Kollegen und die beiden verantwortlichen Führungskräfte Günter Wildner und Eckhard Bahle das Fachkonzept Punkt für Punkt durch. Bald steht hinter jedem Arbeitsschritt ein Zeitraum, angegeben in Manntagen, berechnet nach der PERT-Methode, die einen minimalen, mittleren und maximalen Zeitwert berücksichtigt. Wildner, der eine Java-Division leitet, ist zufrieden: "Eine valide Schätzung. Mit der Kennzahl kann unser Vertrieb dem Kunden ein kaufmännisches Angebot unterbreiten."

10:10 Günther Reisner fährt seinen Laptop hoch, öffnet seinen Mail-Account und wundert sich, dass dieser mit Mails zu den automatischen Softwaretests, die in der Regel nachts oder am Wochenende ablaufen, überflutet ist. Normalerweise bekommt er zwischen zehn und 20 Mails pro Tag, die er bearbeiten muss. Projektleiter Bertram Ufer winkt ab, die Test-Mails seien nicht das Problem, vielmehr brauche er Reisners Arbeitsbericht von Freitag. Was hat er gemacht, und wie lange hat er dafür gebraucht? Diese Informationen, täglich in das Planungs-Tool eingetragen, verschaffen allen den Überblick, wie sie im Projektplan stehen und ob sie ihn einhalten können. Letzteres ist nicht immer der Fall, räumt Reisner ein.

"Der Idealfall ist natürlich ein Projekt, in dem ich als Entwickler gemeinsam mit dem Kunden das Fachkonzept erarbeiten und ohne Reibungsverluste programmieren kann. Doch oft liegt das Fachkonzept bereits vor, und erst hinterher stellt sich heraus, dass vieles nicht so einfach in Code umzusetzen ist. Da ist viel Abstimmung nötig, vor allem, wenn nicht nur der Kunde, sondern weitere Dienstleister beteiligt sind." So wie in Reisners aktuellem Projekt: Für einen Kunden soll sein Team vier wichtige Applikationen, mit denen Kunden ihre Bestellungen konfigurieren können, auf eine neue Plattform transformieren. Während die Pentasys-Entwickler in den kommenden Monaten für die Transformation zuständig sind, kümmert sich ein zweiter Dienstleister um den Betrieb des Rechenzentrums. Morgen steht für Reisner zum Beispiel wieder die wöchentliche Telefonkonferenz mit dem zweiten Dienstleister an, in der technische Probleme im Vordergrund stehen.

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