Business Intelligence gegen Betrüger

Einblick in die Ärztetaschen

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.

Dies festzustellen ist angesichts der Zahl der Vorgänge, die die TK Jahr für Jahr abarbeitet, eine komplexe Aufgabe. Jedes Jahr erhält die Kasse 42 Millionen Abrechnungsfälle aus Arztpraxen, 30 Millionen Rezepte und 80 000 Heil- und Kostenpläne von Zahnärzten. Dazu kommen 1,2 Millionen Rechnungen von Orthopäden, 15 000 von Optikern und eine Million von Hebammen.

Möglichkeiten, im Abrechnungsdschungel mit fremden Karten zu tricksen, gibt es viele. Anders als EC-Karten lassen sich verlorene oder gestohlene Krankenversicherungskarten nicht sperren. Und den Ausweis muss niemand in einer Praxis vorzeigen, weil dies das Vertrauensverhältnis zum Patienten stört. Immer wieder reichen Betrüger fremde Chipkarten über den Tresen um an Rezepte zu kommen, die sie weiterverkaufen. „Ein Rezept funktioniert wie ein Verrechnungsscheck“, erklärt Frank Keller. Egal, ob Medikamente, Rollstühle oder Reha-Stunden verschrieben werden: Bis zu 4 000 Euro kann ein Rezept wert sein, das bei der TK in Rechnung gestellt wird. Wenn der Patient es zu einem Apotheker trägt, der in den Schwindel eingeweiht ist, stellt dieser die Medikamente in Rechnung. Das Geld teilen sich die Betrüger.

Um ihnen auf die Schliche zu kommen, setzt die TK auf Business-Intelligence-Software des Anbieters SAS, die auf IBM-Servern läuft. Im SAS Data Warehouse werden sämtliche Versicherungsdaten zusammengefasst: Informationen über die mehr als fünf Millionen Versicherten selbst, Krankenhaus- und Apothekendaten. Data-Mining-Technologien von SAS, die zunächst für Marketinganalysen angeschafft worden waren, hat Kellers Mannschaft beim Bau von Anwendungen wie PLP für ihre Zwecke massiv angepasst. Für die komplexen Fragen, die Keller an die Datenbank stellt, gibt es keine Lösungen von der Stange.

Mit Hilfe von Mustererkennungsverfahren filtert die PLP unter den Millionen Transaktionen Verdachtsfälle heraus. Alle Belege aus der Pharmazie werden beim „Apotheken-Hauptverfahren“ nach ähnlichen Methostrategie den untersucht. „Unsere Spezialität ist es, Auffälligkeitsraster zu erstellen“, sagt Keller. Ein Hinweis auf Kartenmissbrauch kann sein, wenn Arzt, Apotheker und Patient in unterschiedlichen Städten gemeldet sind. Auch die Durchschnittssummen aller erfassten Vorgänge geben wertvolle Hinweise. Wenn eine Hebamme etwa besonders viele komplizierte Geburten in Rechnung stellt oder ein Apotheker extrem häufig teure HIV- oder Hepatitis-C-Medikamente oder das bei Bodybuildern beliebte Wachstumspräparat Genotropin verschreibt, wird das System hellhörig. Je nach Rechnung werden zehn bis 15 Kriterien abgeprüft. „Unser Vorteil ist, dass Betrüger faul sind“, sagt Keller, der 17 Jahre beim Bundesgrenzschutz arbeitete. „Wenn sie mit einer Methode Erfolg haben, verwenden sie sie immer wieder.“


Versicherte alarmieren selbstständig

Die IT hilft der TK, Betrugsfälle zu erkennen, sie gerichtsfest aufzubereiten und im Idealfall Schadensersatz einzufordern. „Wegen der Verjährungsfristen ist der Faktor Zeit im Zivil- und im Strafrecht von enormer Bedeutung“, erklärt Frank Keller. „Zeit ist für uns im wahrsten Sinne des Wortes Geld.“ Keller und sein Team ergänzen deshalb die bestehenden Anwendungen ständig um neue Abfragemöglichkeiten, pflegen neue Tarife, Medikamentenpreise oder gesetzliche Regelungen ein. Die Versicherten selbst können zudem seit kurzem über die Online-Plattform TK-VIA eine Liste ihrer verschriebenen Arzneimittel einsehen und die TK alarmieren, wenn Unregelmäßigkeiten auffallen. Die Integration eines Verzeichnisses mit gestohlenen oder verlorenen Karten, die so genannte Verax-Liste, in die Arztsoftware der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte erschwert zudem seit Oktober 2004 Kartenbetrügern das Geschäft.

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