Entscheidung des Kartellamts

Facebook muss Datensammeln verringern

07.02.2019
Das Bundeskartellamt betritt juristisches Neuland mit der Verknüpfung von Datenschutz und Wettbewerbsaufsicht.
Facebook steht in der Kritik der deutschen Wettbewerbsbehörde und wehrt sich.
Facebook steht in der Kritik der deutschen Wettbewerbsbehörde und wehrt sich.
Foto: Bloomicon - shutterstock.com

Das Bundeskartellamt will die Sammlung von Nutzerdaten durch FacebookFacebook in Deutschland massiv einschränken und will damit einen Präzedenzfall für die Online-Wirtschaft schaffen. Das Kartellamt verfügte "weitreichende Beschränkungen" bei der Verarbeitung von Nutzerdaten. Das Online-Netzwerk darf danach Daten seiner Dienste wie Instagram und Whatsapp oder von Websites anderer Anbieter nur noch mit dem Facebook-Konto des Nutzers verknüpfen, wenn dieser es ausdrücklich erlaubt hat. "Es ist so eine Art interne Entflechtung der Datenverarbeitung bei Facebook", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Donnerstag in Bonn. Wenn der Nutzer die Einwilligung verweigere, dürfe Facebook ihn nicht von seinen Diensten ausschließen. Alles zu Facebook auf CIO.de

Das Online-Netzwerk hat nun zwölf Monate Zeit, sein Verhalten zu ändern. Komme Facebook den Auflagen nicht nach, könne das Kartellamt wiederholt Zwangsgelder von jeweils bis zu 10 Millionen Euro verhängen. Facebook kann Beschwerde gegen die Entscheidung des Kartellamts beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen und mit einem Eilantrag die Aussetzung der Fristen beantragen. Das Online-Netzwerk machte bereits deutlich, dass es sich vor Gericht wehren will. Der Fall könnte durch die Verknüpfung von DatenschutzDatenschutz und Wettbewerbsaufsicht wegweisend werden - und jahrelang durch die Instanzen gehen. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Kartellamt handelt im Nutzerinteresse

Kartellamtspräsident Mundt sieht in dem Fall grundlegende Bedeutung. "Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen", sagte er. "Der Nutzer gewinnt ein Stück Datenhoheit zurück." Er könne in Zukunft selbst bestimmen, welche Daten von ihm genutzt und wie sie zusammengeführt werden. Die Entscheidung des Kartellamts gelte aber nicht rückwirkend für bereits von Facebook gesammelte und verknüpfte Daten, schränkte er ein.

Die Entscheidung der Wettbewerbshüter traf bei Verbraucherschützer und in der Politik auf breite Zustimmung. "Der Datensammelwut des Unternehmens wird nun zum Schutze von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch mit Mitteln des Kartellrechts begegnet", sagte der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck nannte den Beschluss "wegweisend".

Facebook müsse entflochten und das europäische Wettbewerbsrecht reformiert werden. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer betonte: "Die Absage an eine ungebremste Datensammelwut war überfällig." Vom Digitalverband Bitkom kam hingegen Kritik: Der Versuch, eine große Plattform zu regulieren, werde wieder einmal negative Folgen für kleine Unternehmen, Verlage und Internet-Nutzer haben. Denn sie profitierten zum Beispiel von den "Like"-Buttons.

Marktbeherrschende Stellung problematisch

Das Kartellamt wirft Facebook vor, seine marktbeherrschende Stellung für unzulässige Vertragsbedingungen zu nutzen. "Facebook vermisst den Nutzer bis ins Detail", sagte Mundt. Es komme auch nicht darauf an, dass für die Nutzung von Facebook kein Geld bezahlt werden müsse. "Die Daten sind das Öl, dass die Internetwirtschaft schmiert", betonte der Kartellamtschef. "Die Daten haben einen hohen Wert. Deshalb ist das Wort kostenlos in diesem Zusammenhang auch unangebracht."

Facebook kontert, das Online-Netzwerk sei zwar populär, aber habe keine marktbeherrschende Stellung. "Das Bundeskartellamt unterschätzt den starken Wettbewerb, dem wir in Deutschland ausgesetzt sind", heißt es in einer Mitteilung des Online-Netzwerks. Zudem sei das Kartellamt gar nicht zuständig. Facebook halte sich an die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), für deren Kontrolle die irische Datenschutzbehörde zuständig sei. Der Beschluss des Bundeskartellamts laufe hingegen Gefahr, den europäischen Rechtsrahmen zu untergraben, indem er das datenschutzrechtliche Schutzniveau von der Größe des betroffenen Unternehmens abhängig mache.

Eine entscheidende Frage in dem Verfahren wird sein, wie man den Markt für soziale Netzwerkesoziale Netzwerke überhaupt definiert - denn das ist nicht so eindeutig wie bei klassischen Industrien. Das Bundeskartellamt entschied sich für eine enge Auslegung und zählt Berufsnetzwerke wie Xing und LinkedIn, aber auch Plattformen wie Snapchat, Twitter oder YouTube nicht dazu. "Zu Facebook gibt es aus unserer Sicht keine Alternativen", sagte Mundt. Alles zu Social Media auf CIO.de

Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Nutzer

Bei Netzwerken, die von der Funktionsweise letztlich wie Facebook sind, waren in den vergangenen Jahren diverse Konkurrenten wie StudiVZ oder Google+ nach und nach in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Aus Sicht von Facebook müssen aber die anderen sozialen Medien, die das Kartellamt außen vor lässt, mit in die Rechnung einbezogen werden. Der wahre Wettbewerb sei um die Aufmerksamkeit der Nutzer.

Facebook hat in Deutschland nach jüngsten Angaben zufolge rund 32 Millionen mindestens einmal im Monat aktive Nutzer, 23 Millionen greifen täglich auf den Dienst zu. Das Online-Netzwerk argumentiert, 40 Prozent der Nutzer sozialer Medien verwendeten Facebook gar nicht, das habe auch das Bundeskartellamt selbst festgestellt.

Das Kartellamt begründet seine Einschätzung der Marktbeherrschung unter anderem mit "Netzwerkeffekten" - wo viele Nutzer sind, zieht das mehr Nutzer an. Außerdem gibt es den sogenannten "Lock-In" - es ist schwer, einen Dienst zu verlassen, wenn es keine Alternativen gibt.

Facebook gibt zudem zu Bedenken, die auf fremden Websites erhobenen Daten würden auch genutzt um gefälschte Accounts zu entdecken oder um Konten zu sperren, die im Zusammenhang mit Terrorismus, Kindesmissbrauch, oder der Manipulation von Wahlen stünden. Der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Diensten des Facebook-Konzerns sei wiederum nötig, um sie überall zu löschen.

Daten, die bei der Nutzung von Facebooks Kern-Plattform selbst anfallen, sind bisher ausdrücklich nicht Gegenstand der Untersuchung des Kartellamts. (dpa/rs)

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