Relationship Alignment im IT Outsourcing

Herausforderungen im IT Outsourcing begegnen

22.01.2018
Von  und Carolin Joseph


Prof. Dr. Markus H. Dahm ist als Abteilungsleiter und "Digital Transformation Thought Leader" in der Beratungspractice „Digital Change Management“ bei IBM tätig. Parallel ist er Honorarprofessor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management.
Dieser Beitrag zeigt, wieso zum IT-Outsourcing besonders viel Beziehungsarbeit erforderlich ist und harte Faktoren alleine nicht ausreichen.

In Outsourcing-BeziehungenOutsourcing-Beziehungen steht für den Auftraggeber ganz klar die Kosteneinsparung im Mittelpunkt, doch gleichzeitig verlangt er auch die beste Qualität der Dienstleistung. Der Dienstleister hingegen möchte durch diesen Deal seinen Gewinn möglichst maximieren und den Aufwand und die Kosten dafür möglichst gering halten. Diese beiden Erwartungshaltungen bleiben häufig unausgesprochen und sorgen dadurch oft für Friktionen zwischen den Partnern. Alles zu Outsourcing auf CIO.de

Outsourcing-Projekte sind aufgrund ihrer Komplexität besonders anfällig für Beziehungsprobleme.
Outsourcing-Projekte sind aufgrund ihrer Komplexität besonders anfällig für Beziehungsprobleme.
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Unruhige Gewässer und Problemfelder im IT-Outsourcing

Nach der Anfangsphase, die einem Honeymoon in einer Ehe gleicht, beginnt sich die Lücke zwischen Erwartungshaltung und der Realität zu manifestieren. In einer beispielhaften Geschäftsbeziehung zwischen einer Behörde und einem jungen IT-Startup-Unternehmen verhärtet sich die Situation schnell.

Die sichtbaren Defizite lassen sich auch leicht messen. Werden etwa Service Level Agreements nicht wie im Vertrag vereinbart erfüllt, ist es für die Behörde sehr einfach, Sanktionen zu rechtfertigen und einzuleiten. Die Behörde und das Startup geraten währenddessen in Diskussionen und verwickeln sich mehr und mehr in zwei Parteien, die gegeneinander statt miteinander arbeiten.

Dabei liegt der Fokus auf den harten Faktoren; nach den zugrundliegenden Ursachen und situativen Bedingungen wird nicht gefragt. Die meisten weichen Faktoren liegen unterhalb der Oberfläche. Dazu gehören zum Beispiel Kommunikation, gegenseitige Erwartungen, Vertrauen und Wertevorstellungen. Diese Faktoren haben einen viel wesentlicheren Einfluss auf die Geschäftsbeziehung als die harten Faktoren, die sichtbar, wie die Spitze eines Eisbergs, aus dem Wasser ragen.

Statt sich mit der zugrundeliegenden Ursache - dem fehlenden Beziehungsmanagement - zu beschäftigen, wird viel Zeit und Energie in die Behandlung der Symptome investiert. Jedoch können die Streitigkeiten über die harten Faktoren nur dann überwunden werden, wenn die soften Faktoren wie Vertrauen in die Fähigkeiten des anderen, Kommunikation, Wertevorstellungen und Zuverlässigkeit als gemeinsame Basis zugrundeliegen.

Harte und weiche Faktoren im IT-Outsourcing.
Harte und weiche Faktoren im IT-Outsourcing.
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Klar zum Wenden

Hat man die Anzeichen des nahenden Eisbergs nicht hinreichend gut erkannt, bewegt man sich nach langen kraft- und kostenintensiven Machtkämpfen auf dem Scheideweg der Partnerschaft. Tiefe Gräben und festgefahrene Sichtweisen stellen unüberwindbare Hindernisse dar und lassen beide Seiten an einer erfolgreichen Zusammenarbeit zweifeln. Um einen Zusammenstoß mit dem Eisberg zu vermeiden, ist eine Kurskorrektur zwingend notwendig. In dieser Phase entpuppt sich oft die wahre Gestalt des Vertrags. Auf der einen Seite strebt die Behörde als Auftraggeber eine Optimierung der Kosteneffizienz und Betriebsqualität an. Auf der anderen Seite aber erwartet sie hohe Flexibilität, Reaktionsgeschwindigkeit und Innovationskraft.

In der Hektik des Alltags wird erst auf den zweiten Blick deutlich, dass es sich um widersprüchliche Ziele handelt, wenn sehr hochwertiger Service in kürzester Zeit ermöglicht werden soll. Und auch das Startup-Unternehmen steht dem mit seinen Zielen und Erwartungen entgegen. Möglichst viel Geld mit dem Vertrag zu verdienen und damit die eigene Reputation zu steigern, gelingt nur, wenn die gemeinsame Geschäftsbeziehung insgesamt erfolgreich ist. Erst wenn sich beide Partner einig darüber sind, dass sie gemeinsam an der Beziehung arbeiten müssen, kann eine neue Richtung eingeschlagen werden. Es ist essentiell, dass beide Partner gleichermaßen entschlossen sind, an der Beziehung zu arbeiten.

Der Entschluss zur Beziehungsarbeit: klar zum Wenden.
Der Entschluss zur Beziehungsarbeit: klar zum Wenden.
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Land in Sicht

Zu diesem Zeitpunkt ist es noch nicht zu spät für die Geschäftsbeziehung. Weil beide Partner zu tief in die Situation eingebunden sind, fällt es ihnen schwer, eine objektive Sicht zu behalten. Daher ist es sinnvoll, dass sich beide Partner gemeinsam Hilfe von einem Experten mit einer neutralen Sicht auf die Beziehung holen. Analog zu einer Ehe, die zu scheitern droht und bei der die unterstützende Instanz eine Eheberatung ist, sind es in einer Geschäftsbeziehung Relationship Alignment Berater, die die Geschäftspartner auf dem Weg zu einer besseren Beziehung unterstützen.

Die Relationship Alignment Berater setzen sich ausführlich mit den Beziehungsproblemen der Partner auseinander und helfen ihnen, konstruktiv damit umzugehen. Damit dies gelingt, bedienen sie sich verschiedener Werkzeuge aus der Relationship Alignment Methode (Relationship Alignment Solutions, RAS). Dieser modulare Baukasten beinhaltet von der Ist-Analyse über die Entwicklung von Maßnahmen zur Verbesserung bis hin zur Umsetzung und kontinuierlichen Erfolgsbegleitung verschiedene Vorgehensweisen, die einer Beziehung zur Regeneration verhelfen.

Beziehungsarbeit bringt die wahren Ursachen für die schwierige Geschäftsbeziehung zum Vorschein - Land in Sicht?
Beziehungsarbeit bringt die wahren Ursachen für die schwierige Geschäftsbeziehung zum Vorschein - Land in Sicht?
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Systematisches Beziehungsmanagement in der Praxis

Den Ausgangspunkt eines Relationship Alignment bildet zunächst die Diagnose des Ist-Zustandes der Beziehung. Mittels Vorgesprächen mit Schlüsselpersonen in beiden Parteien, Online-Umfragen (sogenannten Pulse Surveys) und Tiefeninterviews mit beteiligten Personen in der Kooperation bilden sich die RAS-Berater ein erstes Bild vom Status Quo der Beziehung. Anschließend teilen sie dieses den Kooperationspartnern mit, beispielsweise durch ein Townhall-Meeting.

Auf Basis dieser Daten beginnt die Entwicklung und schließlich auch die Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Beziehung. Drei Instrumente können hierbei zum Einsatz kommen, nämlich Coaching, Teambuilding und Workshops. Das Kernelement ist der RAS-Workshop und der dazugehörige Vorbereitungsworkshop. Im Vorbereitungsworkshop klären die Beteiligten innerhalb ihrer Organisation, welche Erwartungen sie grundsätzlich an die Partnerschaft haben.

Die Module des Relationship Alignment Ansatzes.
Die Module des Relationship Alignment Ansatzes.
Foto: Markus H. Dahm

Im RAS-Workshop finden sich in einer externen Lokation ca. 10 bis 15 Schlüsselpersonen aus beiden Organisationen zusammen. Der Workshop ist meist für zwei Arbeitstage angesetzt, sodass ausreichend Zeit und Raum für die gemeinsame Beziehungsarbeit gegeben ist. Dabei beschäftigen sich die Partner mit den Ergebnissen der Pulse-Survey und der Tiefeninterviews. Sie gleichen ihre Erwartungen an die Beziehung ab und erarbeiten gemeinsame Wege für die Verbesserung ihrer Partnerschaft. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt Lösungswege zu finden, die für beide Partner gleichermaßen akzeptabel sind, um damit Vorteile für beide zu bewirken.

"Faule Kompromisse", bei denen nur scheinbar ein Vorteil für beide erzielt wird und in Wirklichkeit einer den Kürzeren zieht, sollen verhindert werden. In dieser Art von Kompromissen sind häufig durch einen der Streitpartner beabsichtigt versteckte Nachteile enthalten. Diese werden oft erst später ersichtlich und erfordern Nachverhandlungen. Um das zu verhindern, bieten die Relationship Alignment Berater den Teilnehmern einen neutralen Raum und helfen ihnen, das Verständnis für den andern zu schärfen.

Unter Anleitung erlernen und stärken die Teilnehmer die weichen Faktoren, wie zum Beispiel Vertrauen in den anderen zu haben. Im Rahmen vieler, extra auf die besondere Situation der einzelnen Partnerschaft angepassten Übungen, finden wichtige Team-Building-Maßnahmen statt. Daneben kann RAS auch genutzt werden, um die Governance-Struktur zu verbessern. So agieren die RAS-Berater, im Rahmen der dargestellten Governance-Pyramide, als Vermittler zwischen den beiden strategischen und taktischen Ebenen der kooperierenden Unternehmen.

Einfluss des Relationship Alignments auf die Governance Struktur beider Organisationen.
Einfluss des Relationship Alignments auf die Governance Struktur beider Organisationen.
Foto: Markus H. Dahm

Erst wenn sich die Verantwortlichen im Führungskreis der Kooperation vertrauen, gemeinsame Verhaltens- und Kommunikationsregeln aufgestellt haben und sich in ihrer Vorbildposition daran halten, kann die Partnerschaft auch für die einzelnen Mitarbeiter auf operationaler Ebene gelingen. Begleitend zum RAS-Workshop können Einzel- und Gruppencoachings erfolgen. Diese sollen helfen, die Workshops vorzubereiten und deren Ergebnisse besser umzusetzen.

Das Coaching zielt unter anderem darauf ab, dass die Beteiligten besser mit dem Veränderungsdruck umgehen können und sich dadurch die Bereitschaft zu einer tatsächlichen Verhaltensänderung erhöht. Zudem ist das Coaching hilfreich bei der Umsetzung des Maßnahmenplans. Die kontinuierliche Erfolgsbegleitung beinhaltet unter anderem eine regelmäßige Evaluation mithilfe weiterer Pulse Surveys und bei Bedarf weiterer RAS-Workshops.

Fazit: Gesunde Beziehungen sind möglich

Letztlich ist es weniger relevant, sich einzig auf die harten Faktoren wie z.B. auf das Service-Level-Management oder die finanziellen Aspekte zu fokussieren. Viel zielführender ist es, von Anfang an auch zu berücksichtigen, dass die "soften" Faktoren einen maßgeblichen Einfluss auf das Gelingen der Partnerschaft haben.

Gegenseitiges Verständnis, abgestimmte Erwartungen und eine effektive Kommunikation sind essentiell für den Erfolg in IT-Outsourcings. Die Fahrtrichtung dafür sollte zu Beginn der Geschäftsbeziehung so früh wie möglich durch ein gemeinsames Beziehungsmanagement festgelegt werden. Fest steht, dass man auf der gemeinsamen Reise einigen Eisbergen begegnen wird.

Entscheidend ist aber der Umgang damit und die gemeinsame Reaktion darauf. Beide Partner müssen sich bewusst machen, dass es neben den vielen harten Faktoren durchaus noch mehr einflussreichere softe Faktoren unter der Oberfläche gibt, denen man vorausschauend begegnen muss. Wenn beide Parteien gemeinsam am Lenkrad stehen und sich einig darüber sind, dass sie zusammen an ihrer Beziehung arbeiten müssen, kann die Kollision mit dem Eisberg erfolgreich vermieden werden.

Da IT-Outsourcing-Projekte aufgrund ihrer Komplexität und durch verschiedene aufeinandertreffende Kulturen besonders anfällig für Beziehungsprobleme sind, ist es ratsam, sich so früh wie möglich Zeit und Raum für Relationship Alignment zu nehmen.

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