Bob Mankoff

Humor ist der Sieg über die Angst

16.07.2014
Von Martin Seiwert

Warum auch nicht? Es sind überall Krisen - ökonomische, gesellschaftliche, ökologische, politische.

Bob Mankoff: Aber es gibt wenige Krisen, die so katastrophal sind, dass Humor tabu wäre. Nehmen Sie das Finale in unserer Baseball-Liga. Das ist eine Veranstaltung, die den Amerikanern wirklich heilig ist, die andere Kulturen aber überhaupt nicht interessiert. Bei einem solchen Finale kommt es immer zu Momenten, die Millionen von Fans als schwere Krise verstehen. In einer solchen sehr ernsten Lage sagte einmal ein Spieler zum anderen: Entspann dich, Junge, einer Milliarde Chinesen ist es scheißegal, wie das hier ausgeht. Was meinen Sie, wie befreiend das für die beiden Spieler war.

"Humor ist ein sehr wirksames Mittel im Alltag"

Das Magazin "New Yorker" steht für eine bestimmte Art von Humor. Wie würden Sie ihn beschreiben?

Bob Mankoff: Bei 95 Prozent des Humors im Alltag geht es darum, sich über andere lustig zu machen. Der Humor im "New Yorker" ist breiter angelegt. Vor allem geht es darum, dass die Leser weniger über andere, sondern eher über sich selbst lachen. Das ist eine recht hoch entwickelte Form von Humor. Für die Philosophen der alten Griechen war Humor noch eine Form von Aggression. Quasi Schläge ohne körperliche Folgen. In den humoristischen Schriften Großbritanniens des späten 19. Jahrhunderts ging es vor allem darum, dass die herrschende Aristokratie sich lustig machte über die armen, ungebildeten Leute. Heute haben wir uns von diesen primitiven Formen des Humors ein gutes Stück entfernt. Der Humor wurde menschlicher und gebildeter.

Nicht unbedingt. Millionen erfreuen sich an YouTube-Videos von fatalen Missgeschicken anderer Menschen.

Bob Mankoff: Sicher, es gibt diese Formen von Humor. Aber der gesellschaftlich akzeptierte Humor ist ein anderer, als noch vor 100 Jahren. Die Menschen lachen vor allem über Filme, bei denen Menschen nicht wirklich verletzt werden. Früher lachten die Leute, weil Menschen schwer verletzt wurden. Hinrichtungen waren ein Unterhaltungsprogramm.

Die Texte im "New Yorker" sind sehr seriös, trotzdem ist die Zeitschrift voller Cartoons. Wie passt das zusammen?

Bob Mankoff: Der Humor in den "New Yorker"-Cartoons ist ziemlich intelligent und feinsinnig. Oft wird die Pointe nur angedeutet. Platte Comedy wäre bei uns fehl am Platz. Wir hatten einmal einen Cartoon, der eine Hinrichtungsstätte mit Galgen zeigte. Erst auf den zweiten Blick bemerkte man, dass neben der Treppe auch eine Rollstuhlrampe zum Galgen führt. Wir haben nur die leere Hinrichtungsstätte gezeigt, nicht etwa einen Rollstuhlfahrer, der sich abmüht, zum Galgen hochzukommen. Das ist der Unterschied zwischen unseren Cartoons und Comedy.

Ihre Leser gehören zur amerikanischen Elite. Ist es schwierig, diese Leser zum Lachen zu bringen?

Bob Mankoff: Es gelingt uns offenbar, sonst würden sie unser Magazin nicht kaufen. Aber es ist tatsächlich so, dass es im modernen Alltag hart arbeitender Menschen eine gewisse Traurigkeit gibt. Obwohl wir, verglichen mit früheren Zeiten, ein völlig opulentes Leben führen, tendieren wir zur Unzufriedenheit. Das muss wohl so sein, denn nur weil Menschen unzufrieden sind, streben sie nach Verbesserungen. Glücklichsein ist aus evolutionärer Sicht keine Stärke, denn wer glücklich ist, arbeitet nicht am Fortschritt.

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