Jörg Liebe, CIO der Lufthansa Systems AG

"Hundertprozentige Sicherheit kann niemand garantieren"

Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Cloud Vendor Benchmark 2013

Lufthansa Systems taucht nicht im "CloudVendor Benchmark 2013" der Experton Group auf - in keiner von acht Disziplinen. Dabei hat Lufthansa Systems doch ehrgeizige Pläne bezüglich ihrer Rolle als Cloud-Dienstleister...

Jörg Liebe: Lufthansa Systems hat ein breites Portfolio an IT-Lösungen, die als Private-Cloud-Lösungen unseren Kunden zur Verfügung gestellt werden. Neben einer Reihe von Airline-spezifischen Lösungen wie etwa Navigationskarten, die wir auch als App anbieten, oder unserer Inflight-Entertainment-Lösung BoardConnect gehören dazu: ein auf SAP-Basis entwickeltes Vertriebs- und Anzeigensystem für Medienunternehmen und Verlage, ein integriertes Vertriebs- und Abrechnungssystem für den Personennahverkehr sowie das Guest-Service-Portal Velimo, das erfolgreich auf Kreuzfahrtschiffen und Bussen eingesetzt wird.

Wir sind mit den Erfolgen unserer Lösungen auf Basis der Private Cloud sehr zufrieden. Zudem haben wir ein Public-Cloud-Angebot an den Markt gebracht. Mit der neuen "CloudLounge" können Kunden im Online-Portal über Schieberegler die benötigten Ressourcen Rechenleistung, Arbeitsspeicher, IP-Adressen und Speicherplatz konfigurieren. Sie bekommen unmittelbar den Preis für die ausgewählte Konfiguration angezeigt. Wir sprechen damit neue Kunden insbesondere im Mittelstand an.

Die reine Lehre unterscheidet zwischen Private, Public und Hybrid Clouds. Welchen Typen bevorzugen Ihre Kunden bei Lufthansa Systems?

Jörg Liebe: Bisher haben unsere Kunden fast ausschließlich Private-Cloud-Angebote genutzt. Nur in vereinzelten Einsatzfällen wurden Public-Angebote eingesetzt oder Public- und Private-Cloud-Angebote im Sinne einer Hybrid Cloud integriert verwendet. Allerdings gibt es bei unseren Kunden ein verstärktes Interesse an einer sinnvollen Kopplung der verschiedenen Optionen.

Daher stellt ihnen Lufthansa Systems mit "CloudLounge" seit Oktober dieses Jahres erstmals ein eigenes Public-Cloud-Angebot zur Verfügung. Der entscheidende Vorteil von CloudLounge gegenüber anderen Public-Cloud-Angeboten liegt darin, dass Daten und Applikationen im Rechenzentrum in Deutschland gehostet werden. Das bedeutet, es gelten deutsches Recht und die hohen Sicherheitsstandards, die für die Luftfahrtindustrie und andere besonders sensible Branchen unverzichtbar sind. Ausschlaggebend für die Entwicklung war der Wunsch vieler unserer Kunden, die die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Private Cloud von Lufthansa Systems schätzen, nach gesicherten Umgebungen für Tests neuer Routinen und Ideen.

Beispielsweise werden reale, historische Daten über Flugplan, Ticketverkauf und Auslastung einer Airline genutzt, um neue Ansätze für Vorhersagen auf die Entwicklung des Ticketverkaufs und der Flugzeugauslastung zu validieren und zu optimieren. Auch wenn es sich dabei um historische Daten handelt, sind diese trotzdem schützenswert, weil sich daraus Informationen über Verkehrsströme ableiten ließen, deren Kenntnis wettbewerbsrelevant wäre. Mit CloudLounge haben wir ein Angebot geschaffen, das dem Wunsch nach kostengünstigen, flexiblen und kurzfristig verfügbaren Ressourcen bei hoher Sicherheit für die verarbeiteten Prozesse und Daten gerecht wird. Gerade mit diesem Public-Cloud-Angebot erwarten wir eine deutliche Zunahme an Hybrid-Cloud-Nutzung.

Wenn man sich Ihre Cloud-Kunden ansieht: Kommmen sie gehäuft aus bestimmten Branchen? Weisen sie eine typische Größe auf?

Jörg Liebe: In jeder der von Lufthansa Systems betreuten Branchen werden Cloud-basierte Angebote genutzt. In der Airline-IT gibt es bereits seit Jahrzehnten für bestimmte IT-Dienstleistungen Cloud-ähnliche nutzungsabhängige Abrechnungsmethoden. Die Migration vieler Host-basierter Airline-Kernsysteme auf hochverfügbare Client-Server-Infrastrukturen und deren Betrieb als virtualisierte Instanzen hat die Affinität der Airline-Branche zu (Private-)Cloud-Lösungen weiter verstärkt.

Allerdings nehmen Interesse und Nutzung auch in den anderen Branchen zu. Dabei gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Zielsetzung, die damit verbunden ist. Große Unternehmen lagern eher die weniger unternehmenskritischen Systeme in die Private oder Public Cloud aus, um ihre IT-Kosten zu senken. Mittelständische Unternehmen sind aufgrund von intern nur mit hohem Aufwand abzubildenden Sicherheitsanforderungen eher interessiert, unternehmerische Kernsysteme in einer möglichst sicheren, hochverfügbaren Private Cloud zu betreiben. Ein Beispiel ist die schon vorhin genannte Tecosim, die mit der Lufthansa Systems Private Cloud sicherstellt, dass die hohen Sicherheitsanforderungen der Automobilindustrie in Bezug auf die verwendeten Daten erfüllt werden.

Vertrauen Unternehmen, die Kunden von Lufthansa Systems sind, auch Klassiker wie HR- oder Finanzanwendungen der Cloud an?

Jörg Liebe: Auf jeden Fall! Unsere Kunden betreiben in der Lufthansa Systems Private Cloud sowohl HR- als auch Finanzanwendungen. Bei ihnen erkennen wir insgesamt ein starkes Vertrauen in den sicheren und hochverfügbaren Betrieb der Lufthansa Systems Private Cloud. Wie schon gesagt, wurden wir genau aus diesem Grund gebeten, auch einen entsprechenden Public-Cloud-Ansatz anzubieten, so dass wir nun auch die CloudLounge zur Verfügung stellen.

Welche Anwendungen verlagern Unternehmen garantiert nicht in die Cloud?

Jörg Liebe: Das hängt anscheinend von der Unternehmensgröße und damit von den intern verfügbaren Ressourcen ab. Große Konzerne beispielsweise betreiben ihre Forschungsabteilungen zum Teil außerhalb der sonstigen Unternehmens-IT und können sich dafür eine Cloud-basierte Abbildung der IT nicht vorstellen. Für mittelständische Unternehmen dagegen sind die Anforderungen an eine hochverfügbare und sichere IT gerade ein starkes Argument, sich mit Private Cloud zu beschäftigen und die entsprechenden Anwendungen Cloud-basiert zu betreiben.

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