Healthcare IT


Pfizer und Biontech

Wie IT die Impfstoffentwicklung revolutioniert

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Bislang dauerte die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs bis zu zehn Jahre. Konsequentem IT-Einsatz verdanken es Pfizer und Biontech, dass sie schon nach zehn Monaten am Ziel waren.
Dank konsequenter Digitalisierung konnte Pfizer gemeinsam mit seinem Partner Biontech einen Corona-Impfstoff zur Praxisreife entwickeln.
Dank konsequenter Digitalisierung konnte Pfizer gemeinsam mit seinem Partner Biontech einen Corona-Impfstoff zur Praxisreife entwickeln.
Foto: Pfizer Deutschland GmbH

Tagtäglich verfolgen wir in den Medien den Fortschritt der Corona-Impfkampagne und verknüpfen dies mit der Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität. Dass wir überhaupt wieder, etwas mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie, daran denken können, verdanken wir unter anderem einem der Teilnehmer am diesjährigen DIGITAL LEADER AWARD: Pfizer, mit seiner deutschen Länderorganisation - der Pfizer Deutschland GmbHPfizer Deutschland GmbH. Dank konsequenter DigitalisierungDigitalisierung bewältigte das Unternehmen gemeinsam mit seinem Partner Biontech in zehn Monaten einen Job, der sonst zehn Jahre dauert: Die Entwicklung eines wirksamen und sicheren Impfstoffes bis zu seinem Einsatz in der Praxis. Top-500-Firmenprofil für Pfizer Deutschland GmbH Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Den Grundstein dafür, dass die Digitalisierung einen so entscheidenden Beitrag zu diesem Erfolg leisten konnte, legte Pfizer-CEO Albert Bourla vor etwas mehr als zwei Jahren als er die Stelle des CIO in die Position des "Chief Digital & Technology Officer" umwandelte und diesen in den Konzernvorstand berief. Gleichzeitig wurden die Bereiche IT und Digital in einem Ressort als Pfizer Digital gebündelt.

Damit erhielt die Digitalisierung strategische Priorität im Konzern und dank des Platzes im Vorstand war Pfizer Digital von Anfang an in alle Phasen der Impfstoffentwicklung involviert. Pfizers zentrale Strategie bei der Pandemiebekämpfung lautet dabei "Science will win". Mikael Dolsten, Chief Medical Officer des Konzerns, ergänzte diese Vision um den Leitspruch "and Digital will help us to win faster".

Zwischen Kontinuität und Innovation

Auch bei der Herstellung (Blick in das Werk im belgischen Puurs) läuft ohne Digitalisierung nichts mehr.
Auch bei der Herstellung (Blick in das Werk im belgischen Puurs) läuft ohne Digitalisierung nichts mehr.
Foto: Pfizer Deutschland GmbH

Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen sah sich die Pfizer-Digital-Mannschaft im Frühjahr 2020 gleich mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Zum einen musste sie die Kontinuität des Business gewährleisten. Über Nacht mussten mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter (über 90.000 Kolleginnen und Kollegen) ins virtuelle Office umziehen. Zum anderen galt es, mit digitalen Innovationen die Impfstoffentwicklung zu beschleunigen. Und zwar sowohl in Forschung und Entwicklung, Produktion und Logistik als auch in Marketing und Vertrieb.

Dabei setzte Pfizer Digital gleich auf eine ganze Klaviatur modernster IT-Technik: KIKI mit Machine LearningMachine Learning, Real Time AnalyticsAnalytics, Automation der Datenerfassung mit der eigenen Conform-Plattform, Smart Data Query, Medical Dashboards, Digital Operations Center, Augmented Reality, GPS-Tracking etc. Und für die an der Impfstoffentwicklung beteiligten Kollegen wurde von der IT noch ein VIP-Support eingeführt, der rund um die Uhr an sieben Tage der Woche Hilfe bot. Alles zu Analytics auf CIO.de Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Geschwindigkeit durch Digitalisierung

Supply-Dashboards ermöglichen Real-time-Einblicke in die Logistikdaten.
Supply-Dashboards ermöglichen Real-time-Einblicke in die Logistikdaten.
Foto: Pfizer Deutschland GmbH

Wie man bei Pfizer in der Praxis konkret von der Digitalisierung profitierte, verdeutlichen einige Beispiele. Dauerte etwa die digitale Skalierung klinischer Studien (Testen der Systeme etc.) bislang rund vier Tage, so konnte diese Zeit jetzt auf unter sechs Stunden reduziert werden. Dabei konnte mit Hilfe der Conform-Plattform die Datenerfassung automatisiert werden und gleichzeitig die Datenqualität mit Einführung von Metadatenstandards verbessert werden.

Das eingesetzte Smart Data Query - eine Anwendung für maschinelles Lernen - zur schnellen Qualitätsprüfung ermöglichte es, 24 Stunden nach dem letzten Probandenbesuch eine Datenbankfreigabe für die Studie zu erteilen. Und mittels KI-Algorithmen konnte im Rahmen der mit über 44.000 Teilnehmern einer der bisher größten von Pfizer durchgeführten Phase-III-Studien relativ schnell die Analyse bzw. Mustererkennung von Millionen Datenpunkten zum COVID-19-Impfstoff vorgenommen werden.

Digital gestützte Produktion

Nicht nur in der Forschung, auch in der Produktion ging bei der Herstellung des Corona-Impfstoffes ohne Digitalisierung nichts. Um eine Übersicht über die End-to-End-Produktions- und Lieferleistungsdaten zu erhalten, sowie in der Lage zu sein, Probleme vorherzusagen und Anpassungen in Echtzeit vorzunehmen, wurde ein Digital Operations Center aufgebaut - in zwei Wochen statt wie sonst üblich in zwei Jahren. Ursprünglich für 2.500 Benutzer an elf Standorten geplant, nutzten Ende 2020 bereits 8.500 User an über 30 Standorten das Tool.

Um die Produktion aufrechterhalten zu können, ohne dass Experten zu den einzelnen Standorten reisen müssen, nutzt das Unternehmen Augmented Reality in den Produktionsstätten und Labors für die Diagnose und Reparatur von Geräten. Pfizer benutzt dazu ein Tool, das es ermöglicht, Anweisungen über Pfeile oder geschriebenen Text auf den Bildschirm des Kollegen zu übertragen. Als Geräte werden dazu mobile Devices und Smart Glasses verwendet.

Intelligente Logistik

Per GPS-Tracking wurde das Monitoring der Kühlkette umgesetzt.
Per GPS-Tracking wurde das Monitoring der Kühlkette umgesetzt.
Foto: Pfizer Deutschland GmbH

Den Überblick über die Menge an produzierten Impfdosen, ihren Lieferstatus, Auftragseingang etc. liefern sogenannte COVID-19-Supply-Dashboards. Sie ermöglichen Real-time-Einblicke in Logistikdaten und fördern so die rechtzeitige und zielorientierte Lieferung des Impfstoffs. Dazu zählt auch ein Monitoring der Kühlkette, das per Echtzeit-GPS-Tracking umgesetzt wurde. Auf diese Weise ist Pfizer in der Lage, die Temperatur der Sendungen überall auf der Welt nachzuverfolgen und die notwendige Kühlung sicherzustellen.

Erste Impfung im Dezember 2020

Unter dem Strich war es so durch den konsequenten Einsatz moderner Technologien sowie die Anpassungen existierender IT-Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg möglich, einen Impfstoff in Rekordzeit zu entwickeln, zu produzieren und zu verteilen. Der Lohn dieser Digitalisierungsanstrengungen: Als erster Mensch der Welt wurde die mittlerweile 91-jährige Britin Margaret Keenan am 8. Dezember 2020 mit dem Corona-Impfstoff von Pfizer und Biontech geimpft.

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