Es kommt auf das Lizenzmodell an

Indirekte Nutzung von SAP-Systemen - das sollten Sie wissen

Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologie-Recht und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Zudem ist er Certified ISO/IEC 27001 Lead Auditor. Seine Beratungsschwerpunkte sind das IT-Recht, Datenschutzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. Dr. Michael Rath ist u.a. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) und akkreditierter Schlichter für IT-Streitigkeiten bei der Schlichtungsstelle der DGRI.
Christian Kuss ist Rechtsanwalt der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf IT- und Datenschutzrecht.
Ein britisches Gericht hat entschieden, dass für die indirekte Nutzung von Software eine Lizenz erforderlich ist. Wir sagen Ihnen, was das für deutsche SAP-Nutzer bedeutet.

Softwarehäuser können zusätzliche Lizenzgebühren verlangen, wenn andere Programme zum Zweck des Datenaustauschs auf ihre Software zugreifen. Ein Gericht in England hat in einem Verfahren über eine solche indirekte Nutzung von SAP-Software entschieden, dass eine Lizenz erforderlich ist. Ob SAPSAP die geltend gemachten 54 Millionen Britische Pfund als Schadenersatz erhält, ist aber noch unklar. Fraglich ist darüber hinaus, welche Folgen dieses Urteil für SAP-Nutzer in Deutschland haben wird. Alles zu SAP auf CIO.de

Müssen nun auch deutsche SAP-Nutzer fürchten, für die indirekte Nutzung von Software zur Kasse gebeten zu werden?
Müssen nun auch deutsche SAP-Nutzer fürchten, für die indirekte Nutzung von Software zur Kasse gebeten zu werden?
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Indirekte Software-Nutzung: Der Fall

Diageo Great Britain Limited, ein Getränkehersteller, dem unter anderem die Marken "Johnnie Walker", "Smirnoff" und "Guinness" gehören, setzt die mySAP ERP-Software ein. Die Software dient dazu, die operativen, finanziellen und personalbezogenen Prozesse im Unternehmen zu verwalten. Informationen werden in einer zentralen Datenbank gespeichert und können für verschiedene Geschäftsprozesse genutzt werden.

Daneben setzte Diageo einen Cloud-Dienst von Salesforce ein. Mit dieser Software können Verkaufsmitarbeiter Informationen über Verkaufsgespräche, Kundenbesuche und Verkäufe unmittelbar in das System übertragen. Kunden können darüber Bestellungen absetzen und ihr Kundenkonto verwalten. Der Cloud-Dienst von Salesforce und die mySAP ERPERP Software interagieren und tauschen Informationen miteinander aus. Alles zu ERP auf CIO.de

SAP ist der Meinung, dass diese Interaktion der beiden Software-Lösungen eine direkte oder indirekte Nutzung und/oder Zugang zur mySAP ERP Software darstellt (direct or indirect access and/or use). Da Diageo insoweit keine Nutzungsberechtigung besitze, stehe SAP Schadenersatz in Höhe der Lizenzkosten zu. Diageo vertrat hingegen die Ansicht, dass die Interaktion keine Nutzung der Software und/oder Zugang zu dieser darstelle. Insbesondere stünden SAP keine weiteren Lizenzgebühren zu.

Die Entscheidung des Gerichts

Am 16. Februar 2017 hat der Royal Court of Justice in London sein Urteil in dem Fall gesprochen. Danach stellt die Interaktion zwischen der mySAP ERP Software und den Cloud-Diensten von Salesforce eine indirekte Nutzung der mySAP ERP Software dar. Hierfür kann SAP grundsätzlich Lizenzgebühren verlangen.

Das Gericht stützt sein Urteil auf die vertraglich vereinbarten Nutzungsrechte und das Lizenzmodell. Nach dem zugrundeliegenden Vertrag darf die Software nur im Umfang der vereinbarten Nutzungsrechte und im Rahmen des Lizenzmodells verwendet werden. Die Parteien haben sich auf ein Named-User-Lizenzmodell geeinigt. Folglich legt der Vertrag fest, dass eben ausschließlich Named User die mySAP ERP Software nutzen dürfen.

Nach der Definition im Vertrag ist ein Named User ein individueller Repräsentant (zum Beispiel ein Angestellter, Berater oder freier Mitarbeiter) des Kunden, einer Konzerngesellschaft, eines Outsourcing-Dienstleisters oder eines Dritten innerhalb der Lieferkette (Supply Chain Third Party), der berechtigt ist, die Software direkt oder indirekt (zum Beispiel über das Internet, ein mobiles Gerät oder ein Gerät/System eines Dritten) zu nutzen. Diageo hat eingewandt, dass im Vertrag nirgendwo geregelt sei, dass andere Systeme nicht auf die Software zugreifen dürfen.

Außerdem hat die Beklagte argumentiert, dass die technischen Systeme nicht als Named User einzuordnen seien. Doch Diageo ist mit diesen Argumenten nicht durchgedrungen. Denn nur wenn das System ein Named User wäre, würde überhaupt eine Berechtigung vorliegen, die Software nutzen zu dürfen, weil der Vertrag eine Nutzung der Software ausdrücklich nur für ebendiese zulässt.

Diageo hat sodann argumentiert, dass die Interaktion zwischen den Cloud-Diensten von Salesforce und der mySAP ERP Software keinen Zugriff ("access") und keine Nutzung ("use") der Software im Sinne des Vertrags darstelle. Würde man dieser Behauptung folgen, wäre keine Lizenz notwendig, da keine vertragserhebliche Nutzung stattfinden würde. Das Gericht musste dann klären, ob der Zugriff des Salesforce Cloud-Dienstes auf die SAP-Software einen direkten oder indirekten Zugang ("access") oder eine direkte oder indirekte Nutzung ("use") im Sinn des Vertrags darstellt. Der Vertrag selbst enthält keine Definition der Begriffe Zugang ("access") und Nutzung ("use").

Das Gericht interpretierte den Begriff der Nutzung daher als Anwendung oder Modifikation der ERP-Software. Zugang bezeichne eine Verbindung mit der Software. Ausgehend von diesen Begriffen konnte das Gericht dann feststellen, dass die Cloud-Dienste von Salesforce die mySAP ERP Software direkt oder indirekt nutzen oder darauf zugreifen.

Der Vertrag enthält zudem eine Klausel, nach der SAP für den Fall der vertragswidrigen Nutzung der Software einen Lizenzschaden geltend machen kann. Zur Höhe des Lizenzschadens hat das Gericht keine weiteren Ausführungen gemacht, da es zu diesem Zeitpunkt im Verfahren über den Schadenersatz noch nicht entscheiden musste.

Die Folgen für deutsche SAP-User

Müssen nun auch Nutzer von SAP Software in Deutschland fürchten, zukünftig für die indirekte Nutzung von Software bezahlen zu müssen? Diese Gefahr ist zumindest nicht vollständig von der Hand zu weisen. Jedoch ist das Urteil nicht ohne weiteres allgemeingültig, denn es beruht auf den spezifischen Bestimmungen des Vertrags.

Für die Rechtslage in Deutschland ist zunächst zu beachten, dass die vertraglichen Regelungen sich am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen müssen, denn Lizenzbestimmungen sind regelmäßig für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Die gesetzlichen Bestimmungen, nach denen bestimmte Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sein können, gelten auch im Unternehmensverkehr.

Das Named-User-Lizenzmodell

An diesen Vorgaben muss sich sowohl das Named-User-Lizenzmodell, als auch etwaige Klauseln über die indirekte Nutzung von Software messen lassen. Das Lizenzmodell als solches wird überwiegend als zulässig angesehen. Zwar kann es den Erwerber im Fall des Weiterverkaufs beeinträchtigen, dennoch ist es seit Jahren etabliert und ermöglicht dem Software-Hersteller eine Vergütung in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität.

Eine Klausel, die für die indirekte Nutzung von Software eine Named-User-Lizenz vorsieht, kann im Einzelfall jedoch gegen die AGB-Kontrollvorschriften verstoßen und damit unwirksam sein. Maßgebend dürfte insoweit sein, welchem Zweck die Klausel dient: Wird durch sie erreicht, dass Nutzer, die die Software über eine Drittsoftware nutzen, genauso behandelt werden, wie Nutzer, die direkt auf die Software zugreifen, dürfte die Klausel zulässig sein. Denn dadurch wird letztlich vermieden, dass das Named-User-Modell umgangen wird. Die berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Rechtsinhabers würden dadurch geschützt werden.

Eine Klausel, die dem Rechtsinhaber zusätzliche Einnahmen gewähren soll, weil zwischen seiner Software und einer Drittsoftware lediglich ein Datenaustausch stattfindet, dürfte hingegen unwirksam sein. Denn üblicherweise bewegt sich dieser (reine) Datenaustausch im Rahmen der bestimmungsgemäßen Nutzung der Software und kann insoweit nicht verboten werden. Allerdings ist zu beachten, dass die rechtliche Bewertung derartiger Klauseln stark von den technischen Gegebenheiten abhängt.

Maßgebend ist insoweit, auf welche Art und Weise die SAP-Software mit der Drittsoftware interagiert. Die rechtliche Bewertung kann sich also abhängig von der verwendeten Drittsoftware und der Interaktion mit dem SAP-System ändern.

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