Kunden zweifeln

Internet-Branche kämpft nach NSA-Skandal um Vertrauen

04.12.2013
Die Internet-Branche hat mit den Enthüllungen über die NSA-Überwachung ihre Unschuld verloren. Bei den Kunden ist trotz aller Dementis die Saat des Zweifels gepflanzt. Europäische Daten-Dienstleister wittern einen Wettbewerbsvorteil.

In der amerikanischen Internet-Branche schlugen die Enthüllungen über die ausufernde Überwachung durch die NSA ein wie eine Bombe. Nein, man gewähre dem US-Geheimdienst keinen direkten Zugang zu den Servern, wiederholen Internet-Riesen wie Google, AppleApple, FacebookFacebook oder MicrosoftMicrosoft gebetsmühlenartig seit dem Sommer. Das Geschäft der Online-Giganten lebt auch vom Vertrauen ihrer Kunden. Und das ist jetzt zumindest erschüttert. Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de

Schlimmer noch, die Unternehmen mussten feststellen, dass die NSA ihnen wohl buchstäblich in den Rücken gefallen ist. Der allgegenwärtige Abhördienst soll sich in die Daten-Pipelines zwischen den Rechenzentren von GoogleGoogle, Yahoo und möglicherweise auch Microsoft eingeklinkt haben. Alles zu Google auf CIO.de

Und während die Vordertür der riesigen Server-Farmen wie ein Banktresor geschützt ist, waren die Daten der Kunden im sicher geglaubten Hinterhof unverschlüsselt unterwegs. Eine solche Überwachung wäre empörend und wohl auch illegal, tönte Googles Verwaltungsratschef Eric Schmidt - die bisher schärfste Kritik aus dem Silicon Valley an die Adresse der US-Regierung. Die Konzerne arbeiten nun unter Hochdruck daran, auch den internen Datenverkehr zu verschlüsseln.

Es bleibt allerdings die Frage, ob das reicht - oder ob das Vertrauen der Nutzer schon Schaden genommen hat. Bisher gibt es nur vereinzelte Hinweise darauf, dass die NSA-Enthüllungen ins Geschäft der Unternehmen schneiden. So führte der Netzausrüster Cisco entgangene Aufträge in China jüngst auf die Überwachungssorgen zurück. Allerdings sind in dem Riesenland mit Huawei und ZTE auch zwei der schärfsten Konkurrenten zu Hause.

Derweil gibt es immer neue Prognosen, wie groß die Einbußen für amerikanische Tech-Unternehmen am Ende werden könnten. Ende November schätzte eine Forschungsgruppe der IndustrieIndustrie, dass sich die entgangenen Umsätze bis 2016 auf 35 Milliarden Dollar addieren könnten. Zuvor waren auch schon 100 Milliarden Dollar höhere Schadenschätzungen im Umlauf. Top-Firmen der Branche Industrie

Besonders bedroht sein könnten die bisher boomenden Cloud-Dienste, bei denen Daten und Software direkt aus dem Netz abgerufen werden. Hier geben bisher US-Unternehmen wie Google, AmazonAmazon und Microsoft den Ton an. Der Branchen-Verein Cloud SecuritySecurity Alliance stellte in einer Umfrage fest, dass jeder zehnte seiner Mitglieder außerhalb der USA Verträge mit amerikanischen Providern von Cloud-Diensten gekündigt habe. Über die Hälfte habe gesagt, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einem US-Anbieter gehen würden. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Security auf CIO.de

Europäische Konkurrenten wittern ihre Chance. "Die momentane Debatte hilft SAPSAP", sagt der Co-Chef des Software-Riesen, Jim Hagemann Snabe. Man garantiere schließlich, dass die Daten dort verwaltet würden, wo der Kunde es wünsche. Die Walldorfer konkurrieren bei Cloud-Diensten unter anderem mit dem US-Erzrivalen OracleOracle und Anbietern wie Salesforce.com. Alles zu Oracle auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de

"Wir haben einen Wettbewerbsvorteil", erklärt auch der Chef der Telekom-Dienstleistungstochter T-Systems, Reinhard Clemens. Viele Unternehmen - darunter auch Konkurrenten - fragten, T-Systems für sie Dienste in Deutschland nach deutschen Datenschutz-Regelungen betreiben könne. "Dank der NSA-Diskussion verstehen die Menschen, dass man viele Sachen einfach nicht zulassen darf." Ob die "Cloud Made in Germany" das Zeug zum Exportschlager hat, versieht Clemens allerdings vorerst mit einem Fragezeichen.

Zugleich mahnt der Chef der finnischen Firma F-Secure, Christian Fredrikson, dass kaum jemand auf Dauer nur für den Standort Europa zahlen werde. "Wir müssen auch die beste Technologie liefern." Die heutige Größe der US-Wettbewerber sei kein entscheidender Vorteil: "Sie sind seit Jahren im Geschäft, müssen damit auch eine Menge älterer Technologien unterstützen. Wir in Europa sind kleiner und wendiger - und gerade in der Software-Branche ist weniger oft mehr." (dpa/rs)

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