Audiatur et altera pars

Ist Rezo ein Journalist oder Laie?

Prof. Dr. Markus Schwarzer (LL.M.) berichtet insbesondere über medienrechtliche Aspekte der Informations- und Kommunikationstechnologie. Dabei hat er als Professor für Medien und Kommunikation an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Stuttgart vor allem das Urheber- und das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Fokus. Vertiefte Kenntnisse im Medienrecht erlangte Markus Schwarzer neben einer medienrechtlichen Promotion durch das Weiterbildungsstudium zum Master of Laws (LL.M.) im Medienrecht. Er sammelte praktische Erfahrungen in unterschiedlichen Funktionen als Redakteur, Pressesprecher und Rechtsanwalt und publiziert zu Rechts- und Kommunikationsthemen.

Für einiges Aufsehen sorgte kürzlich der Youtuber Rezo. Er hatte sich kurz vor der Europa-Wahl krititisch mit der Politik der CDU auseinandergesetzt. Der martialische Titel seines Videos: Die Zerstörung der CDU.

Die Aufregung über dieses Youtube-Video war natürlich vor allem bei der CDU groß. Schnell wurde ein Zusammenhang zwischen dem nicht ganz so optimalen Abschneiden der CDU bei den Europa-Wahlen und diesem Video hergestellt. Und die Frage kam auf: Darf Rezo überhaupt ein solches Video veröffentlichen? Die Diskussionen hierüber wurden teilweise heftig geführt. In der Zwischenzeit hat sich die Aufregung wieder gelegt, Ursula von der Leyen ist zur ersten EU-Kommissionspräsidentin gewählt. So schlecht lief die Europa-Wahl also doch nicht für die CDU. Zeit, sich den entsprechenden Fragen einmal etwas emotionsloser zu nähern.

Rezo: Journalist oder Laie?

Viel diskutiert wurde unmittelbar nach Veröffentlichung des Rezo-Videos, ob journalistische Sorgfaltspflichten auch für Youtuber gelten. Voraussetzung dafür wäre, dass Youtuber als Journalisten zu betrachten sind. Weiterhin wurde argumentiert: Selbst wenn Rezo tatsächlich journalistisch tätig wäre, so könne er sich eventuell auf das so genannte "Laienprivileg" berufen. Danach sollen für journalistische Laien nicht ganz so strenge Sorgfaltspflichten gelten wie für "richtige" Journalisten.

Audiatur et altera pars

Eine andere Frage ist: Hat Rezo mit seinem Video überhaupt gegen journalistische Sorgfaltspflichten verstoßen? Eines kann man Rezo sicher nicht vorwerfen: Er habe nicht ausreichend recherchiert. Im Gegenteil. Rezo hat für die meisten, wenn nicht sogar für alle seine Aussagen Quellenangaben. Allerdings hat er aus meiner Sicht wohl gegen einen elementaren journalistischen Grundsatz verstoßen, nämlich gegen: Audiatur et altera pars. Dieser alte römische Grundsatz besagt: Auch die andere Seite soll gehört werden. Heißt also für "Die Zerstörung der CDU": Wenn Rezo die CDU bzw. einzelne CDU-Politiker*innen in einem Video kritisiert, dann hätte er ihnen die Möglichkeit geben müssen, ihre Sicht der Dinge darzustellen.

Solche Stellungnahmen wären mit Sicherheit auch nicht schwierig einzuholen gewesen. Eine E-Mail an die Pressestelle der CDU hätte gereicht. Wenn die CDU dann nicht auf diese E-Mail antwortet, hat Rezo trotzdem seine Sorgfaltspflichten erfüllt. (Ob Rezo die CDU angeschrieben hat, ist bisher nicht bekannt. In der Diskussion war davon nie die Rede. Üblich wäre in einem solchen Fall allerdings der Hinweis gewesen: "Die CDU war zu einer Stellungnahme nicht bereit".)

Diskussionskultur!

Bleibt also die Frage, ob Rezo und damit Youtuber als Journalisten zu betrachten sind. Denn wenn sie keine Journalisten sind, dann gilt auch nicht die journalistische Sorgfalt und damit auch nicht der Grundsatz "Audiatur et altera pars". Aus meiner Sicht ist dies eine Frage, die sich nicht stellt. Ob Journalist oder Laie - es gehört zu einer demokratischen Diskussionskultur, in einer Auseinandersetzung auch dem anderen Teil zuzuhören und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

Deshalb: Wer andere kritisiert - sei es in einem Zeitungsartikel, einem Rundfunkbeitrag oder in einem Youtube-Video -, der muss diesem anderen auch die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern. Das wussten schon die alten Römer mit ihrem Grundsatz: Audiatur et altera pars.

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