Akuter Fachkräftemangel

IT-Branche muss Personalstrategien ändern

Silvia Hänig ist Kommunikationsberaterin und Geschäftsführerin der iKOM in München.
In der IT-Industrie führt der Mangel an Fachkräften bereits zu wirtschaftlichen Einbußen. Dennoch bessern Unternehmen zu wenig bei Personalstrategien nach.
  • Die IT-Industrie ist besser als andere Branchen für den Fachkräftemangel gerüstet.
  • Viele Unternehmen vernachlässigen die Mitarbeitergewinnung noch immer sträflich.
  • Bei Personalentscheidungen dauert der Auswahlprozess noch immer viel zu lang.

Gibt es ihn nun, den Fachkräftemangel unter IT-Fachkräften, oder gibt es ihn nicht? Branchenexperten sind geteilter Meinung. "Ich halte den Fachkräftemangel als Bedrohungsszenario eindeutig für einen Mythos, der von verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Akteuren aufgebauscht wird, um eigene Interessen durchzusetzen", sagt Martin Gaedt, Unternehmer und Buchautor zum Thema Fachkräftemangel.

Etwas anders bewertet Professor Peter Wald von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur den drastischen Nachfrageüberhang nach fähigen IT-Spezialisten: "Für den Fachkräftemangel gibt es vielfältige Ursachen - vom demografischen Wandel über den strukturellen und technologischen Umbruch in verschiedenen Branchen bis hin zu Wanderungsbewegungen, die schon vor Jahren einsetzten und heute vielen Unternehmen zu schaffen machen."

Führungskräfte machen in erster Linie den demografischen Wandel sowie das träge Bildungssystem für die Fachkräftemisere verantwortlich.
Führungskräfte machen in erster Linie den demografischen Wandel sowie das träge Bildungssystem für die Fachkräftemisere verantwortlich.
Foto: Bartolomiej Pietrzyk - shutterstock.com

Viele Betriebe scheinen genau das erkannt zu haben: Der Fachkräftemangel stellt heute ein ernsthaftes strukturelles Problem für Unternehmen dar, dem sie sich strategisch wie auch operativ stellen müssen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie "Fachkräftemangel in Deutschland - unterschätzt oder aufgebauscht?" des Personaldienstleisters Hays, zu der 1.000 Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen befragt wurden. Konkret werten 71 Prozent der Studienteilnehmer den Fachkräftemangel als strukturelles Thema, allerdings stufen lediglich 40 Prozent diesen Zustand als problematisch für ihr Unternehmen ein.

IT-Industrie leidet auf hohem Niveau

Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Einschätzungen der Führungskräfte aus der IT-Industrie. Denn im Vergleich zu anderen Branchen wie beispielsweise der Gesundheitsindustrie oder dem Maschinenbau beurteilen die IT-Entscheider ihre Lage etwas entspannter. Zwar leiden auch ihre Beschäftigten unter Mehrbelastung, wenn offene Stellen nicht schnell genug besetzt werden, allerdings liegt die Quote mit 26 Prozent deutlich unter dem Branchendurchschnitt von 36 Prozent.

Nach Angaben der Führungskräfte fallen die Umsatzeinbußen, die durch unbesetzte Stellen in der IT entstehen, mit 22 Prozent ebenfalls deutlich schwächer als im Branchenmittel aus. Simon Alborz, Director Permanent bei Hays, hat dafür eine mögliche Erklärung: "Zunehmende Effizienzgewinne, etwa durch fortschreitende Automatisierung, dürften diese Entwicklung auf Jobebene zumindest teilweise begründen." Andererseits könne man daraus auch ablesen, dass die IT-Industrie die Auswirkungen des FachkräftemangelsFachkräftemangels schon länger und intensiver spüre und sich dafür mittlerweile besser gerüstet habe als andere Branchen. Was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass der heutige Fachkräftemangel auch in der IT-Industrie zum Teil bereits wachstumsbedrohende Ausmaße angenommen habe. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

Personalengpässe in IT-Projekten

Denn IT-Fachkräfte wie Softwareentwickler, Datenanalysten oder IT-Security-Spezialisten sind noch knapper geworden als vor 15 Jahren. "Insbesondere im Kontakt mit IT-Dienstleistern erleben wir immer wieder, dass die Verfügbarkeit der wichtigen personellen Ressourcen für die Umsetzung von Kundenprojekten zu einem echten Flaschenhals geworden ist.

Wenn sich Unternehmen beispielsweise an Ausschreibungsverfahren für IT-Projekte beteiligen möchten, müssen sie heute neben der kaufmännischen Kalkulation vor allem wissen, ob sie im Falle des Zuschlags auch das nötige Fachpersonal vorhalten können", meint Hays-Manager Alborz. Und das hat klare Konsequenzen für die Personalverantwortlichen. Denn die Suche nach den richtigen IT-Skills dauert nicht nur viel länger als noch vor ein paar Jahren, sondern Unternehmen müssen zudem auch tiefer in die Tasche greifen, wenn sie monatelang versuchen, den "best fit" zu finden.

Personaler sitzen tradierten Ansätzen auf

Es scheint aber erst bei wenigen Verantwortlichen angekommen zu sein, dass Umsatzeinbußen und Mehrbelastung vieler Mitarbeiter in unmittelbarem Zusammenhang mit personalstrategischen Entscheidungen stehen. Denn die Mehrheit der befragten Führungskräfte in der Hays-Studie macht in erster Linie den demografischen Wandel sowie das träge Bildungssystem für die eigene Fachkräftemisere verantwortlich.

Gleichzeitig räumt der Großteil ein, dafür nicht richtig gewappnet zu sein. "Die meisten Personalverantwortlichen wurden in einer Zeit sozialisiert und ausgebildet, in der es den Fachkräftemangel, wie wir ihn heute kennen, nicht gab. Entsprechend agieren sie häufig mit einem Handwerkszeug, das für Arbeitgeber-, aber nicht für Arbeitnehmermärkte ausgelegt ist," kritisiert Gero Hesse, Geschäftsführer von Territory Embrace und ehemaliger Unternehmenssprecher bei Bertelsmann.

Diese eher antiquierte Haltung in den Personaletagen sieht auch Alborz: "Wir stellen immer wieder fest, dass ganz elementare Dinge, die wichtig für die Mitarbeitergewinnung sind, vernachlässigt werden. Bis eine Personalentscheidung gefällt wird, gibt es vielerorts noch viel zu lange Entscheidungswege. Gerade beim Wettbewerb um hochqualifizierte IT-Experten sind solche langwierigen Prozesse kontraproduktiv. Vielmehr sollten sich Fach- und Personalbereiche darauf verständigen, Kandidaten binnen 24 Stunden nach dem Vorstellungsgespräch Bescheid zu geben."

Tatsächlich spiegeln die Studienergebnisse genau diese Haltung wider:

• 56 Prozent der Befragten räumen ein, dass sie IT-Experten noch bessere Gehälter zahlen könnten als bisher.

• 49 Prozent sehen auch beim Angebot flexibler Arbeitsmöglichkeiten noch viel Luft nach oben und

• 46 Prozent meinen, sie könnten eine moderne Unternehmenskultur nach stärker nach außen tragen.

Aber auch in puncto Kompetenzentwicklung dominieren noch tradierte Ansätze. Die Hälfte aller Befragten will nach eigenen Angaben beim Ausbau bereitgestellter Weiterbildungsangebote nachbessern. Fast ebenso viele sehen großen Nachholbedarf im Coaching der Mitarbeiter zur richtigen Kompetenzentwicklung; gerade in der IT ein wichtiger Baustein in der Personalentwicklung. "Neben technischen SkillsSkills sind dabei zunehmend auch Soft Skills, wie etwa Kompetenzen in Sachen Change Management gefragt," konkretisiert Alborz. Alles zu Skills auf CIO.de

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