VOICE Entscheiderforum

IT-Chefs müssen die Treiber für den KI-Umbau sein

Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Thomas Endres, Vorsitzender des VOICE-Präsidiums, hat den CIO-Verband gegen die Lobby-Organisationen der IT-Hersteller positioniert und für mehr Verständnis seitens der Politik geworben. Auf dem Entscheiderforum sprach arago-Gründer Chris Boos. Er forderte die IT-Chefs auf, KI-Themen voranzutreiben.
Thomas Endres
Thomas Endres
Foto: VOICE e.V.

Das 3. VOICE-Entscheiderforum in Berlin stand in diesem Jahr unter dem Motto "Future Intelligence - Was nach der DigitalisierungDigitalisierung kommt". In seiner Eröffnungsrede positionierte Thomas Endres den Bundesverband der IT-Anwender als Gegengewicht zu den Interessensvertretungen der Anbieter und erinnerte daran, dass die Herstellerseite immer Geschäftsinteressen verfolge. "Natürlich brauchen wir starke Provider, aber der Politik sollte klar sein, dass die Interessen der Anbieterverbände nicht unbedingt denen der Anwender und Käufer entsprechen." Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Laut Endres ist es unabdingbar, dass diejenigen, die jeden Tag an der digitalen Zukunft von Unternehmen und Gesellschaft arbeiten, von der Politik gehört werden - in Deutschland und auch in Europa. Deshalb werde der VOICEVOICE weiter zusammen mit dem Dachverband EuroCIO, in dem sich elf nationale CIO-Organisationen organisieren, Einfluss auch auf die EU-Politik nehmen. "Hochgerechnet repräsentieren wir gemeinsam ein IT-Budget von 150 Milliarden Euro in Europa. Diese gut sichtbare Kaufkraft hilft uns, wenn wir mit Anbietern und Politikern über unsere Interessen sprechen", sagte Endres. Alles zu Voice auf CIO.de

Digitale Champions im B2B-Sektor

Iris Plöger
Iris Plöger
Foto: VOICE e.V.

Das Selbstbewusstsein der erfolgreichen deutschen Industrieunternehmen beschwor Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen IndustrieIndustrie (BDI). "Wir dürfen uns durch die Erfolge der Amerikaner und Chinesen in den B2C-Märkten nicht einschüchtern lassen. Wir müssen an unsere Kernkompetenzen und Alleinstellungsmerkmale anknüpfen, um zu digitalen Champions im B2B-Bereich zu werden. Wenn wir hier unsere gute Ausgangssituation nutzen, und die Politik die richtigen Weichen in den Feldern Forschungsförderung, künstliche Intelligenz und Datenpolitik stellt, bin ich davon überzeugt, dass wir auch in Zukunft erfolgreich sein werden." Top-Firmen der Branche Industrie

Plöger forderte die Politik auf, die Forschung deutscher Unternehmen steuerlich zu fördern. Ziel müsse es sein, den Forschungsanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 3,5 Prozent zu erhöhen und in der Forschung mehr Risiken zu ermöglichen. Außerdem bräuchten Unternehmen einen unkomplizierten Zugang zu den riesigen Datenmengen, die für die nächste Stufe der Digitalisierung, die künstliche Intelligenz (KI), eine so zentrale Rolle spielten. Der DatenschutzDatenschutz sei wichtig, aber er dürfe kein Innovationshemmnis werden. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

In Bezug auf die geplante E-Privacy-Verordnung der EU warnte sie: "Hier darf es zu keiner Verschärfung des Datenrechts kommen. Neue Hürden, die Innovationen im Bereich KI behindern, sind unbedingt zu vermeiden. Der Aufbau einer europäischen Datenwirtschaft würde durch die Anwendung der bisher vorgesehenen Regelungsinhalte massiv erschwert. Wir brauchen eine moderne und innovationsfreundliche Datenpolitik." Dazu gehören laut Plöger vor allem eine klare Differenzierung zwischen personenbezogenen und Industriedaten.

Digitale Produkte sind Vertrauensprodukte

Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
Foto: VOICE e.V.

Die Position der Politik vertrat Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Er eröffnete eine andere Perspektive auf das Thema Digitalisierung, indem er fragte, wie in der digitalen Zukunft das Wertegerüst erhalten werden könne, das Deutschland und Europa auszeichne. "Wenn wir ein freies Land bleiben wollen, dann wird es auch darum gehen, unsere Werte in Technik umzusetzen", sagte Billen. Unter anderem müsse beispielsweise eine funktionierende Marktaufsicht auch im digitalen Bereich aufgebaut werden.

Der Staatssekretär stellte fest: "Wir sind zwar in der Lage, jede verkaufte Pizza auf schädliche Inhaltsstoffe zu überprüfen, aber bei Software können wir nicht feststellen, ob sie neben erlaubten auch unerlaubte Funktionen aufweist wie etwa das Abschalten der Abgasreinigung eines Fahrzeugs unter bestimmten Bedingungen. Das müssen wir ändern." Digitale Produkte und Services seien Vertrauensprodukte, weshalb mehr Transparenz nötig sei. "Wenn ein Kühlschrank nur kühlt, weiß ich das. Aber wenn er vernetzt ist, Daten sammelt und diese mit anderen Geräten austauscht, überblicke ich das als Verbraucher nicht mehr.

"Um dieses Vertrauen herzustellen, schlug Billen folgende Veränderungen vor:

  • Datenschutz: Menschen müssen genauso wie Unternehmen in Erfahrung bringen können, was mit ihren Daten passiert. Sie müssen zustimmen, wenn ihre Daten anderswo eingesetzt werden. Ein mittelständischer Betrieb habe Anspruch darauf zu erfahren, wenn die Betriebsdaten einer Maschine von dessen Lieferanten ausgelesen und verwendet würden.

  • Engagement für die Gesellschaft: Die Menschen, die sich aus Furcht und Unwissenheit noch nicht digital vernetzt haben, müssen stärker eingebunden werden. Sie müssen den Nutzen der Technologien erleben, um ihre Angst davor zu verlieren.

Hans Christian Boos
Hans Christian Boos
Foto: VOICE e.V.

Zu einem mutigeren und entschlosseneren Einsatz digitaler Technologien rief Hans Christian Boos die VOICE-Mitglieder auf. Der Gründer der arago AG, der Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung ist, sieht mit der KI umwälzende Veränderungen auf Unternehmen und Gesellschaft zukommen. "Ich möchte Sie auffordern, risikofreudiger zu werden. Wenn wir unsere Art zu leben nicht aufgeben und keine Menschen zurücklassen wollen, dann müssen wir diese Veränderungen jetzt anpacken und die Zukunft aufs Tapet zu bringen."

IT- und Digitalverantwortliche spielen dabei laut Boos eine Schlüsselrolle - nicht nur, weil die in der IT generierten und gespeicherten Daten der Schlüssel zu funktionierender KI sind, sondern auch weil die IT-Chefs "als Techies" in der Verantwortung seien, das Top-Management zu überzeugen, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Boos rechnet damit, dass KI unser gesamtes Wirtschaftssystem in weniger als zehn Jahren umwälzen wird.

VOICE Entscheiderforum
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Foto: VOICE e.V.

"You can have any colour"

KI sei deshalb so einschneidend, weil sie uns erlaube "das Industriezeitalter zu verlassen". Die Industrialisierung habe durch Standards, (mechanische) Automatisierung und daraus resultierende Skaleneffekte die Stückkosten massiv gesenkt aber auf Kosten der Produktvielfalt. Durch KI "können wir so tun können, als wenn alles von Hand gemacht wird", so der arago-Chef. Künstliche Intelligenz bringe eine Automatisierung bis hin zur Losgröße 1. "Der weltbekannte Satz von Henry Ford `you can have any colour as long as it is black´ gilt nur noch zur Hälfte", so Boos: "'You can have any colour'".

Bislang seien nur große Plattformbetreiber wie Amazon, Google, Facebook, Alibaba oder Apple in der Lage, ohne umwälzende Veränderungen mit KI fertig zu werden. Mit ihren tiefen Taschen könnten sie auch gravierende Fehler und Fehleinschätzungen unbeschadet überstehen. Außerdem seien diese Unternehmen meisten von Techies gegründet worden - "und Techies verfolgen keine Finanzpläne, sondern wollen Probleme lösen."

Anstatt diese konsumorientierten Plattformen anzugreifen, rät Boos den Europäern, ihnen nachzueifern - insbesondere im traditionell starken B2B-Segment. Mit KI ließen sich viele Produktionsprozessen automatisieren. Vor allem in der Fertigungsindustrie ergäben sich Vorteile: "Eine KI braucht immer Kontext, um zu funktionieren. Sie müssen ihr quasi immer die Welt erklären, und je kleiner die Welt ist, desto besser funktioniert eine KI." Die meisten Fertigungsunternehmen hätten diese kleinen, "zerschnittenen" Welten mit ihren detailliert arbeitenden Prozessen längst geschaffen und könnten daher schon jetzt vom KI-Einsatz profitieren.

"Während die Googles dieser Welt nur über oberflächliches Wissen des Konsumentenverhaltens verfügen, können Produktionsunternehmen genau nachvollziehen, wie die Dinge funktionieren und hergestellt werden. Ihr Wissen geht also sehr viel tiefer". Das Problem sei aber, dass sie einzeln immer nur über kleine Ausschnitte des ganzen Bildes verfügten. Sie müssten also ihre Daten "in ganz großem Stil teilen", um im KI-Bereich erfolgreich zu sein.

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