Drastisch mehr psychische Erkrankungen

IT-Profis selten krank

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Insgesamt blieb der Krankenstand gegenüber dem Vorjahr unverändert, überhaupt hat er sich seit einem Jahrzehnt auf einem nahezu konstanten Niveau eingependelt. „Die Legende von der Konjunkturabhängigkeit des Krankenstandes lässt sich empirisch nicht belegen“, folgert daraus Professor Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK. In den vergangenen Jahren brach erst die globale Wirtschaftskrise über die Bundesrepublik herein, 2010 folgte ein signifikantes Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent.

Laut klassischer Lehre hätten die Krankschreibungen aus schierer Jobangst erst drastisch fallen müssen, um dank zunehmender wirtschaftlicher Sicherheit wieder zu steigen. Entgegen dieser kruden Theorie des Blaumachens gab es zumindest nach DAK-Daten keine spektakulären Verschiebungen zu beobachten.

Demgegenüber hat sich in der Verteilung der Diagnosen doch einiges getan. Für jeden fünften Fehltag sind Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems verantwortlich – bereits im Vorjahr die häufigste Ursache. Darunter fällt beispielsweise die Volkskrankheit Nummer Eins: Rückenschmerzen. 16 Prozent der Fehltage wurden mit Erkrankungen der Atemwege begründet – deutlich weniger als 2009, weil keine vergleichbaren Grippewellen auftraten. Im Gegensatz dazu stieg der Anteil an Verletzungen deutlich an auf 14 Prozent. Laut Studie ist dies vor allem auf die vereisten und rutschigen Bürgersteige zu Jahresbeginn zurückzuführen, die eine Häufung von Stürzen verursachten.

Junge leiden unter Unterforderung

Komplexer zu begründen und Besorgnis erregend ist, das mittlerweile 12 Prozent – etwa ein Achtel – der Fehltage auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Nach den Daten der DAK ist dieser Wert seit 1998 kontinuierlich gestiegen und hat inzwischen das doppelte Niveau erreicht. Schlimmer noch: Im Vergleich zu 2009 gab es bei den Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen einen Sprung um 13,5 Prozent. „Das ist aber nicht immer eine schwere Depression“, erläutert Hans-Peter Unger, Psychiatrie-Chefarzt am Asklepios-Klinikum Hamburg-Harburg.

Allein 3,9 Prozent der Fehltage wurden 2010 durch eine depressive Episode verursacht. In diesem Anstieg mag sich dann doch niederschlagen, dass wirtschaftliche Verlust- und Existenzängste den Bürgern auf den Magen schlagen. Unger und Rebscher weisen allerdings auch darauf hin, dass psychische Erkrankungen gesellschaftlich immer stärker wahrgenommen würden und das zu einer stärkeren statistischen Sichtbarkeit führe.

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