Strategien


Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD (Teil 2)

IT-Zukunft Deutschland: Alles eher im Ungefähren

Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Die RSM Gruppe, ein weltweiter Zusammenschluss unabhängiger Prüfungs- und Beratungsgesellschaften, hat von 2007 bis 2011 in 35 Ländern die Zahl der Unternehmensneugründungen mit denen der - schließungen verglichen. Deutschland schloss dabei im Vergleich mit den weiteren G7-Staaten USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien nicht sonderlich gut ab. Innerhalb der fünf untersuchten Jahre gab es in Deutschland 75.000 Neu-Unternehmen. Im Schnitt sind das 15.000 pro Jahr, ein Wert also, den die Koalitionäre jetzt wieder erreichen wollen.

Kein Klarnamenzwang

In Sachen der Nutzung sozialer Netze kommt von den Koalitionären eine klare Aussage - allerdings zu einem Thema, das nicht sonderlich strittig war: "Wir sprechen uns gegen einen allgemeinen Klarnamenzwang aus, weil anonyme Kommunikation oft nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig ist."

Datenschutz - NSA und die Folgen

Ein Tabu für die schwarz-gelbe Regierung unter der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war das Thema Vorratsdatenspeicherung. Am 2. März 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung in der aktuellen Form für verfassungswidrig erklärt. Die künftige große Koalition wird sich nun der EU-Richtlinie beugen: "Wir werden den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH. Dabei soll ein Zugriff auf die gespeicherten Daten nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen. Die Speicherung der deutschen Telekommunikationsverbindungsdaten, die abgerufen und genutzt werden sollen, haben die Telekommunikationsunternehmen auf Servern in Deutschland vorzunehmen." Allerdings will die zukünftige Regierung auf EU-Ebene "auf eine Verkürzung der Speicherfrist auf drei Monate hinwirken. Ziel der Koalition ist es, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit auch in der digitalen Welt zu schaffen und zu bewahren."

NSA und die deutsche Politik

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Position der scheidenden Justizministerin. Leutheusser-Schnarrenberger hatte auf eine Aussage des US-Präsidenten Barack Obama (""Man kann nicht 100 Prozent Sicherheit und 100 Prozent Privatsphäre und null Unannehmlichkeiten haben.") gegenüber Spiegel Online geantwortet: "Ich teile diese Einschätzung nicht. Eine Gesellschaft ist umso unfreier, je intensiver ihre Bürger überwacht, kontrolliert und beobachtet werden. Sicherheit ist im demokratischen Rechtsstaat kein Selbstzweck, sondern dient der Sicherung von Freiheit." Die künftige Regierung scheint in dieser Frage eher Obama nachzueifern - ausgerechnet.

Sicherheitsvorfälle meldepflichtig

Auch in der Wirtschaft umstritten dürften die Aussagen im Koalitionsvertrag zu Gesetzen sein, mit denen der Cyberkriminalität Einhalt geboten werden soll: "Wir schaffen ein IT-Sicherheitsgesetz mit verbindlichen Mindestanforderungen an die IT-Sicherheit für die kritischen Infrastrukturen und der Verpflichtung zur Meldung erheblicher IT-Sicherheitsvorfälle. Dafür setzen wir uns auch auf der EU-Ebene im Rahmen der europäischen Cybersicherheitsstrategie ein." Mit anderen Worten: die vieldiskutierte und umstrittene Meldepflicht wird - in welcher Form auch immer - kommen. Das wird Bürokratie erzeugen und Fragen aufwerfen. Wann und für wen ist ein Vorfall meldepflichtig - und wer erfährt davon?

Rätselhaft: "Netze des Bundes"

Etwas rätselhaft klingt die Absicht, zum Schutz der Bürgerdaten eine einheitliche Plattform "Netze des Bundes" schaffen zu wollen.

Im Koalitionsvertrag liest sich das so: "Um Bürgerdaten besser zu schützen und zu sichern, werden wir die Bündelung der IT-Netze des Bundes in einer einheitlichen Plattform Netze des Bundes anstreben. IT- und TK-Sicherheit wollen wir zusammenführen." Ist das eine Anlehnung an die Deutsche Cloud? Sollen hier ähnliche Vorstellungen der Deutschen Telekom aufgenommen werden?

Konsequenzen aus der NSA-Affäre

Und dann kommt die schwarz-rote Koalition doch noch einmal auf die NSA-Affäre zu sprechen - und das wird den US-amerikanischen Freunden wohl ein Lächeln entlocken. Der Text ist unverbindlich und folgenlos, aber er mag als gelungenes Schlusswort gelten.

"Wir drängen auf weitere Aufklärung, wie und in welchem Umfang ausländische Nachrichtendienste die Bürgerinnen und Bürger und die deutsche Regierung ausspähen. Um Vertrauen wieder herzustellen, werden wir ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln. Damit sollen die Bürgerinnen und Bürger, die Regierung und die Wirtschaft vor schrankenloser Ausspähung geschützt werden. Wir stärken die Spionageabwehr. Unsere Kommunikation und Kommunikationsinfrastruktur muss sicherer werden. Dafür verpflichten wir die europäischen Telekommunikationsanbieter, ihre Kommunikationsverbindungen mindestens in der EU zu verschlüsseln und stellen sicher, dass europäische Telekommunikationsanbieter ihre Daten nicht an ausländische Nachrichtendienste weiterleiten dürfen."

Zur Startseite