RAAD Research und BARC sehen Nachholbedarf

Jeder zweite Mittelständler nutzt BI

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Das scheint sich inzwischen nachhaltig zu verändern. „Die Finanzkrise hat die Entwicklung in jedem Fall beschleunigt“, sagt Carsten Bange, Geschäftsführer des Business Application Research Centers (BARC). So habe sich gezeigt, dass Planungsszenarien quasi über Nacht obsolet sein können und eine immer schnellere Anpassung an ein sich rasch veränderndes Marktumfeld nötig ist. Auch der Mittelstand habe verstanden, dass man sich langwierige Daten-Validierung auf Excel-Basis und überhaupt chaotische Zustände bei der Datenqualität nicht länger leisten könne. Je dynamischer der Markt und je verteilter die Datenstrukturen – zum Beispiel durch Vertriebs- oder Produktionsstätten im Ausland – , umso akuter der Handlungsbedarf, so Bange.

Lösungen oft überfrachtet

BARC schätzt die Marktlage ähnlich ein wie RAAD Research: Ungefähr die Hälfte der Mittelständler habe bereits ein BI-System implementiert, der Rest beschäftige sich derzeit mit einer Einführung, sagt Bange: „Bald wird die Frage nicht mehr lauten, ob BI vorhanden ist, sondern wie vertieft das der Fall ist.“ Klassischerweise zählen die Finanzabteilung und Vertrieb zu den ersten Nutzern, aber mittlerweile stellt BARC eine wachsende Durchdringung auch in Bereichen wie Verkauf oder IT-Controlling fest.

BI und der Mittelstand benötigen in jedem Fall noch Zeit, um flächendeckend zueinander zu finden. Die Studie von RAAD Research zeigt, woran es unter anderem hakt. Die Anwender aus dem Mittelstand sehen in ihren bestehenden IT-Systemlandschaften klare Stärken: zwei Fünftel nennen hier Flexibilität, auch individuelle Anpassung und Zuverlässigkeit werden lobend hervorgehoben. In kritischen Bereichen wie Preis, Performance, Übersichtlichkeit, Benutzerfreundlichkeit und Support fällt das Urteil indes durchwachsen aus. Gerade mittelständische Firmen haben laut RAAD Research besondere Ansprüche an eine gute und enge Betreuung und eine einfache Handhabung der Tools, die bislang allzu oft unerfüllt bleiben. Diese Bewertung bezieht sich zwar nicht explizit auf den BI-Bereich alleine, dürfte aber auch den Kern des Problems in speziell diesem Segment treffen. Beispielsweise ist aus Anwenderkreisen häufig die Kritik vernehmbar, BI-Lösungen seien funktional überfrachtet.

Dennoch stellt Carsten Bange von BARC fest: „Das Angebot wird besser.“ Im vergangenen Jahr seien die Preise spürbar gefallen. Zur seit Jahren vorhandenen Fülle mittelständischer BI-Anbieter, die auf die Zielgruppe Mittelstand spezialisiert sind, kamen die Angebote der Branchenriesen. In der Regel handle es sich dabei um die gleichen Tools, die großen Unternehmen angeboten werden, so Bange. Allerdings würden sie entweder mit abgespeckter Zahl an Funktionalitäten oder mit eingeschränkter Nutzerzahl günstig vertrieben. Für die Anwender habe dies Vorteile und Nachteile, so Bange: Sie können zum einen BI-Lösungen erwerben, die sich im Konzernumfeld seit langem bewährt haben. Zum anderen sind die Tools für komplexe Szenarien entwickelt und können manchen kleineren Betrieb im Alltag überfordern. Welcher Aspekt überwiegt, sollte jedes Unternehmen für sich klären.

Auch wenn die Angebote der Hersteller immer attraktiver werden, sollte BI für Mittelständler kein Selbstzweck sein. Wichtigster Ansatzpunkt für ein Engagement in diesem Bereich ist deshalb laut RAAD Research ein klar ausformuliertes Ziel. „Wenn ein Unternehmen selbst nicht weiß, wohin es sich in Zukunft entwickeln will, wird es nie die richtige Software für sich finden und leicht zum Spielball cleverer Vertriebler“, heißt es in der Studie.

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