Fraunhofer forscht an intelligenten Sensoren

Kognitive Sensorik in der Produktion

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mit Industrie 4.0 wird die Produktion immer individueller - die Losgröße Eins wird angestrebt. Dafür müssen Prozesse verzahnt und mit anwendungsspezifischen Daten versorgt werden. Hierzu entwickelt Fraunhofer Technologien für eine kognitive Sensorik.
Kognitive Sensoren sollen die gewonnenen Daten künftig direkt auswerten.
Kognitive Sensoren sollen die gewonnenen Daten künftig direkt auswerten.
Foto: Sergey Logrus - shutterstock.com

Noch bestimmt im Gros die industrielle Massenproduktion das Warenangebot. Doch künftig sollen Produkte individueller werden. Ziel ist die Losgröße Eins - also das Einzelstück. In der Automobilproduktion ist dieses Ziel nicht mehr weit entfernt. Schon heute werden Fahrzeuge den Kundenwünschen entsprechend zusammengestellt. Für die Produktion bringt das viele Herausforderungen, die sich laut Fraunhofer nur mit Technologien aus dem Bereich der kognitiven Sensorik meistern lassen: Bauteile müssen identifiziert und lokalisiert werden, Maschinen und Systeme miteinander und mit ihren menschlichen Kollegen kommunizieren. Dies erfordert eine Anwendungslogistik, die Entscheidungen und Vorgänge steuert.

Beispiel Motor-Montage

Auf der Hannover Messe (Halle 2, Stand C22) zeigt das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS eine entsprechende Lösung am Beispiel einer Motor-Montage. Dabei gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die von der Lokalisierung der Flurförderzeuge für eine Verbesserung der Lagerabläufe und der Anlieferung des Motors an die korrekte Station bis zur Zustandsüberwachung von Maschinen reichen. Außerdem wird die Montage mit einem intelligenten Werkzeug-Tracking, smarten Behältern und Kommissioniersystemen unterstützt.

Grundlage des Ganzen ist die datenbasierte Optimierung von Arbeitsprozessen. So lassen sich Daten, die mittels kognitiven Sensorsystemen gesammelt werden, beispielsweise per Predictive Analytics auch dazu nutzen, die Supply Chain automatisiert zu steuern und zu überwachen.

Erste Pilotprojekte laufen laut Fraunhofer mit BMW und Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit der Siemens AG und anderen Partnern. Diese wollen, wie es heißt, Teile ihrer Fertigung und ihrer Logistik mit digitalen Technologien ausstatten, um ihre Mitarbeiter gezielt durch Assistenzsysteme in der Interaktion mit der Maschine zu unterstützen.

Nervenzellen des IIoT

Im Test- und Anwendungszentrum L.I.N.K. am Fraunhofer IIS in Nürnberg erproben Forscher kognitive Sensorsysteme mit Lokalisierungs- und Vernetzungstechnik.
Im Test- und Anwendungszentrum L.I.N.K. am Fraunhofer IIS in Nürnberg erproben Forscher kognitive Sensorsysteme mit Lokalisierungs- und Vernetzungstechnik.
Foto: Fraunhofer IIS

"Mit kognitiver Sensorik wird der digitale Wandel konkret umsetzbar", erklärt Albert Heuberger, geschäftsführender Leiter des Fraunhofer IIS. "Kognitive Systeme sind die Nervenzellen des IIoT", so Heuberger weiter, "sie erfassen die Messwerte nicht nur, sondern werten sie direkt aus, treffen Entscheidungen durch intelligente Schlussfolgerungen und leiten sie bedarfsgerecht weiter." Zudem setzt die kognitive Sensorik auf den Einsatz und die Integration von maschinellem Lernen, um die richtigen Daten an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit für die richtige Anwendung bereitzustellen.

Intelligente Behälter ordern Nachschub

Ein Anwendungsfall hierfür sind etwa intelligente Behälter. Diese wissen genau, wo sie sich befinden und wie es um ihren und den Zustand der Teile steht. Bei Bedarf ordern sie abhängig vom Füllstand automatisch Nachschub. Damit lassen sich ein genereller Zielkonflikt lösen: Einerseits sollen die Werker in der Montage alle Teile griffbereit haben, um einen Stillstand der Produktion zu vermeiden. Andererseits sollen nicht unnötig Teile vorgehalten bleiben, da dies die Lagerkosten in die Höhe treibt.

Zur Kommunikation der Behälter hat Fraunhofer die drahtlose multihop Kommunikation s-net entwickelt. Damit kommunizieren die Behälter nicht nur untereinander, sondern auch mit der Infrastruktur. Über ein dynamisches Display geben sie ihre Informationen an den Mitarbeiter weiter - so informieren sie ihn beispielsweise, wann der nachbestellte volle Behälter eintrifft. Die Daten, die die Behälter erfassen, werden in einer Cloud gesammelt und stehen dort für Big-Data-Analysen zur Verfügung. Mittels induktiver Nahfeldortung lässt sich zudem überprüfen, ob der Mitarbeiter wirklich in die richtige Kiste gegriffen hat und wo er das nächste zu verbauende Teil findet.

Licht führt Monteure durch das Regal-Labyrinth

Um größere Bauteile zu finden, die in der Regel in einem Regalsystem gelagert werden, kommt ein sogenanntes Pick-by-Light-System zum Einsatz. Normalerweise sind diese Systeme kabelgebunden oder funktionieren mit Batterien, was meist eine geringe Laufzeit zur Folge hat. Fraunhofer geht hier mit Pick-by-Local-Light (PbLL) einen anderen Weg und setzt auf ein neuartiges Kommissioniersystem, das auf drahtlosen Sensornetzen basiert. Basistechnologie ist auch hier das bereits angesprochene s-net. Grundsätzlich hat das System den Vorteil, dass der Regalplatz flexibel genutzt werden kann, da die Bauteile immer wieder an einem anderen Platz liegen können.

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