Retail IT


Projektmanagement

Kommentar zum gestoppten SAP-Projekt bei Otto

Stephanie Borgert ist Business Coach und Trainerin bei ihrem Unternehmen DenkSystem mit Sitz in Münster.
Die verschiedenen Kontexte des Cynefin Framework nach Dave Snowden.
Die verschiedenen Kontexte des Cynefin Framework nach Dave Snowden.
Foto: ICT-Coaching

Ein Flugzeug oder eine IT-Anwendung sind kompliziert. Bei beiden macht es Sinn über Fachwissen zu verfügen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Aber auch als Laie kann ich über eine entsprechend lange Analysezeit verstehen, wie ein Flugzeug oder eine Software funktioniert. Ursache und Wirkung lassen sich in Zusammenhang bringen, auch wenn die Relation nicht immer offensichtlich ist und es mehrere richtige Lösungen geben kann. Kompliziert ist das Umfeld der Experten. Hier lässt sich mit Kenntnissen und Logik arbeiten, es geht darum, die Dinge zu betrachten, sie zu analysieren und daraus Entscheidungen abzuleiten.

Wechselwirkungen in Großprojekten sind nicht mehr zu erfassen

Ein Projekt der Größenordnung wie das "Passion for Performance" (P4P) der Otto Group ist mit Sicherheit hochkomplex. Das bedingt zum einen die Anzahl der beteiligten Elemente und zum anderen die Wechselwirkungen untereinander. Kann überhaupt ein Mensch noch kognitiv erfassen, welche Auswirkungen einzelne Aktionen oder Entscheidungen auf das Gesamtsystem haben? Klare Antwort: "Nein."

Willkommen in der ungeordneten Welt. In einem Umfeld, in dem Ursache und Wirkung nicht mehr offensichtlich sind und schon gar nicht über Analysen oder Best Practice bestimmt werden können. In einem komplexen Umfeld kann die Relation zwischen Ursache und Wirkung nur in der Retrospektive erkannt werden, niemals a priori. Wie können wir dann aber entscheiden und handeln? Durch Probieren, Betrachtung der Wirkungen und Reagieren. Das Management von Komplexität ist die Kunst 'Muster zu erkennen' und sie zu verstärken, beziehungsweise zu dämpfen.

Muster erkennen

Jedes komplexe System produziert Muster - die Mitarbeiter eines Unternehmens beispielsweise werden eine Stimmung "machen" zur Zentralisierung der Anwendungslandschaft. Zeigt sich die Mehrheit positiv dieser Veränderung gegenüber oder gibt es viel Abwehrverhalten? Das ist ein Muster. Positive Muster werden verstärkt, negative möglichst gedämpft.

Management-Kompetenzen Geduld und Mut

Da es gerade auch für die positive Beeinflussung menschlichen Verhaltens kein Patentrezept gibt (weil das genau komplex ist) gilt es seitens des Managements zu probieren, welche Maßnahmen die Mitarbeiter "mitnehmen". Zwei wesentliche Management-Kompetenzen in komplexen Kontexten sind daher Geduld und Mut. Geduld, da Muster nicht notwendigerweise ad hoc entstehen und Mut, weil dieses Vorgehen nicht kompatibel zu den herkömmlichen Management-Methodiken ist.

Zur Startseite