Studie Adaptive IT 6.0
Künftige Fähigkeiten & Rolle der IT
Wurde die IT jahrelang eher als kostengünstiger Dienstleister für das Erreichen strategischer Ziele gesehen, rückt sie jetzt zunehmend in die Rolle des Gestalters der Digitalisierung. Sie wird zur innovativen und wertschöpfenden Einheit. Mit dieser neuen Rolle steigt parallel die Verantwortung des CIOs an, insbesondere beim Thema Unternehmensprozesse. Auch die IT-Organisation selbst verändert sich. Stichworte sind Dezentralisierung, hybride Organisationsmodelle sowie der Aufbau neuer Kompetenzen.
Derzeit muss sich die IT in Unternehmen noch mit den Nachwehen der Corona-Pandemie und Ukraine-Krise beschäftigen; entsprechend stehen bei aktuellen Projekten Security und Kostensparmaßnahmen im Vordergrund. Doch spätestens 2024 wird sich der Fokus wieder auf die Unterstützung des Business und innovative, wertschöpfende digitale Projekte richten.
Welche Rolle spielt die IT-Organisation also künftig in Unternehmen? Welche Fähigkeiten benötigt die IT in der Zukunft? Wie ist sie organisiert und in welcher Form arbeitet sie mit den Fachabteilungen zusammen? Mit diesen Themen befasst sich die aktuelle Studie "Adaptive IT 6.0" von Horváth in Zusammenarbeit mit CIO Research Services. Dazu befragte die Unternehmensberatung insgesamt 338 IT- und Business-Entscheider von kleinen, mittleren und großen Unternehmen aus mehr als 15 Branchen.
IT wird zur wertschöpfenden Einheit
Eines ist klar: Die Rolle der IT wird / muss sich in den nächsten Jahren verändern. Aktuell nimmt die IT für 21 Prozent der Befragten noch die Rolle eines kostengünstigen Dienstleisters ein, in fünf Jahren sehen das nur noch 8 Prozent so. Bereits heute ist die IT überwiegend als Business Partner (24 Prozent) und Enabler & Consulting Partner (23 Prozent) positioniert – in fünf Jahren wird sich das kaum ändern. Dafür etabliert sich die IT-Organisation in dieser Zeit deutlich stärker als innovative wertschöpfende Einheit (+13 Prozent) und stellt damit mit rund einem Drittel (31 Prozent) die am weitesten verbreitete Rolle dar. Dazu ist es aber notwendig, neue Kompetenzen, Business-Verständnis sowie eigene Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Analog zur neuen Rolle der IT erweitert sich auch der Verantwortungsbereich des CIO mehr in Richtung Treiber der Digitalisierung und vor allem einer stärkeren Verantwortung für Unternehmensprozesse (+31 Prozent). Kein Wunder, schließlich kommen die bewährten Tools, Frameworks und standardisierten, automatisierten des IT Service Managements (ITSM) mittlerweile auch in anderen Unternehmensbereichen außerhalb der IT an, beispielsweise Kundendienst, HR oder Finance. Dann wird ITSM zum Enterprise Service Management (ESM).
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Die IT-Abteilung hat die Erfahrung und das Know-how, wie sich softwarebasierte Systeme auch auf diese anderen Bereiche übertragen lassen. Sie hat sich mit ITSM und den ITIL-Standards einen Wissensvorsprung erarbeitet, den die anderen Fachbereiche für ihre (neuen) digitalen Services nutzen können. Mit dem zunehmenden Business-Fokus rücken CIOs auch immer weiter in andere Funktionen vor, etwa als Chief Digital & Information Officer (CDIO), Chief Operating Officer (COO) oder sogar als Chief Executive Officer (CEO).
Dezentral und hybrid: Veränderung in der IT-Organisation
Die Studie zeigt auch, dass die IT in den nächsten fünf Jahren durch die stärkere Integration von Business und IT stärker dezentral organisiert sein wird. Während die IT derzeit nach Angaben von etwa drei Viertel der Befragten (74 Prozent) in den Unternehmen zentral verwaltet wird, sieht es künftig signifikant anders aus. 65 Prozent rechnen in fünf Jahren mit einer überwiegend dezentralen IT-Organisation. Laut Horváth verlagern sich vor allem die Anwendungsentwicklung und die Datenanalyse zusehends in die Fachabteilungen, da dort das notwendige Spezialwissen vorhanden sei.
Für die IT-Organisation um den CIO heißt das: Sie muss die Governance mit Hilfe zentraler Richtlinien verstärken, Entscheidungsprozesse etablieren, Finanzen, IT-Architektur sowie Standards zentral steuern, um die Komplexität abzufangen und das Risiko einer Schatten-IT zu vermeiden. Auch das Demand- und Projektportfolio-Management gehört zu ihren Aufgaben.
Grundsätzlich wird die künftige Zusammenarbeit zwischen IT und Business durch ein hybrides Zielmodell und plurale integrierte Modelle bestimmt sein. Was heißt das konkret? Heute ist die Zusammenarbeit zwischen IT und Business immer noch zu großen Teilen klassisch und ohne agile Elemente organisiert (30 Prozent). Am stärksten ist aktuell das hybride Organisationsmodell (36 Prozent) verbreitet, sprich das Nebeneinander von agilen produktorientierten Teams und einer klassisch aufgestellten IT für Basis-IT und Governance, die einen stabilen Betrieb gewährleistet. Binnen fünf Jahren wird diese hybride Organisation sich laut Umfrage zum führenden Modell entwickeln (47 Prozent). Voll agile (31 Prozent) und klassische Modelle (22 Prozent) bleiben in den kommenden 5 Jahren aber weiterhin relevant.
Agile Modelle für die Zusammenarbeit
IT rückt näher an das Business, klassische Gremien und On-Demand-Prozesse verlieren an Bedeutung, die Zusammenarbeit wird agiler. Das Spielfeld der agilen Formen reicht von der Etablierung einzelner integrierten Teams aus Business und IT (BizDev(Sec)Ops) bis hin zur vollständigen Auflösung der Bereiche in Business und IT und der Bildung von produktorientierten End-To-End-Teams mit Verantwortung für die Wertschöpfung. Damit die Integration erfolgreich funktioniert, müssen Unternehmen diese Modelle, Governance und Prozesse weiterentwickeln sowie durch ihre Firmenkultur fördern – und die Fachabteilungen müssen ihre Erwartungen an die Zusammenarbeit klar fassen und regeln.
Das ist beispielsweise beim österreichische Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine der Fall. CIO Markus Schaal hat die IT auf das Business ausgerichtet. In den neuen Business-Solution-Teams, interdisziplinär zusammengesetzten Gruppen, sollen Business- und IT-Experten künftig gemeinsam an IT-Lösungen arbeiten. Dabei kommen auch agile Methoden zum Einsatz. Weitere Informationen finden Sie hier.
Neue Kompetenzen sind gefragt
Angesichts ihrer neuen Rolle als innovative Einheit und Gestalter der Digitalisierung muss die IT neue Kompetenzen aufbauen und aktiver im Unternehmen auftreten. Der Studie zufolge ist Know-how vor allem in den Bereichen Cloud, Geschäftsprozessmodellierung und Innovations-/Technologie relevant. Die IT muss Verständnis für digitale Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln und ihre Kompetenzen zur Geschäftstransformation und Prozessoptimierung weiter ausbauen. Schließlich wächst die Verantwortung vor allem in den Bereichen Digitalisierung (+9 Prozent) und Transformation (+5 Prozent), während die aktuell bestimmenden Themen Kostenverantwortung (-49 Prozent) und Steuerung von Dienstleistern (-18 Prozent) an Bedeutung verlieren.
Zur wertschöpfenden Einheit wird die IT, wenn sie kühn Business-Chancen aufzeigt und nutzt. Ein Beispiel dafür ist das Handelsunternehmen Otto Group, dessen CIO Michael Müller-Wünsch gemeinsam mit seinem Team eine digitale Plattform erstellte, die einen digitalen Marktplatz mit zusätzlichen Serviceangeboten bietet. Auf der Plattform können Unternehmen ihre Produkte auf eigene Rechnung verkaufen, teilwiese in Konkurrenz zum Otto-eigenen Angebot. Dadurch verzehnfachte sich das Produkt- und Leistungsangebot binnen 18 Monaten. Otto baute sich damit ein neues Geschäftsmodell auf, das eine zusätzliche Nachfrage im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro pro Geschäftsjahr generiert – das alles auf Initiative der IT-Abteilung.