Der Traum von der belebten Maschine

Künstliche Intelligenz – eine menschliche Dummheit?

Nils Zeizinger ist  freier Autor für PR-, Wirtschafts- und Finanzthemen. Inhaltlich setzt er sich vor allem mit der FinTech-Szene sowie den Tech-Riesen Google, Facebook und Co. auseinander. Der gebürtige Thüringer studierte Publizistik, Politikwissenschaft sowie Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist Mitglied im Deutschen Journalisten Fachverband.
Künstliche Intelligenz (KI) boomt und wird unsere Welt grundlegend verändern. Müssen wir uns Sorgen machen um unseren Job oder gar unser Leben?

Also doch: Die Macher von "Matrix" und "Terminator" werden Recht behalten! In den düsteren Zukunftsvisionen aus Hollywood haben die Maschinen dank Künstlicher Intelligenz (KI) die Kontrolle übernommen und unterjochen die Menschheit.

Werden Maschinen die Weltherrschaft übernehmen?
Werden Maschinen die Weltherrschaft übernehmen?
Foto: Usa-Pyon - shutterstock.com

Was bislang nur Science Fiction war, könnte in einigen Jahrzehnten Realität werden - zumindest, wenn man einem der schlauesten Menschen der Welt glaubt. Der Astrophysiker Stephen Hawking warnt: "Die Entwicklung einer generellen KI könnte das Ende der Menschheit bedeuten." Bereits vor zwei Jahren unterzeichnete er genau wie Tesla-Chef Elon Musk gemeinsam mit Dutzenden Ingenieuren, Forschern und Ethikern einen offenen Brief, der davor warnt, die KI unkontrolliert weiterzuentwickeln.

Doch wie realistisch sind ein allwissender Supercomputer oder eine Armee rebellischer Roboter, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen? Fakt ist: Uns steht eine Zeitenwende bevor und auch wenn es nicht zum Äußersten kommt, wird die KI unsere Welt in einer Weise verändern, die wir heute kaum für möglich halten.

Der KI-Boom

Die künstliche Intelligenz boomt: Allein im vergangenen Jahr wurden laut dem Marktforschungsunternehmen Tracxn mehr als sechs Milliarden Dollar in KI-Startups investiert. Google, Facebook, IBM oder Microsoft treiben die Entwicklung mit eigenen Projekten in atemberaubender Geschwindigkeit voran.

Nicht nur im Silicon Valley herrscht Einigkeit darüber, dass die KI den vielleicht größten Umbruch der Tech-Branche aller Zeiten auslösen wird. Sie wird unser Leben stärker verändern als das Internet oder das Smartphone. Der bereits zitierte Stephen Hawking vergleicht ihre Tragweite sogar mit der Einführung der Elektrizität.

Siri und Alexa sind erst der Anfang. Schon heute montieren Maschinen mit künstlicher Intelligenz unsere Autos, spekulieren am Aktienmarkt mit unserem Geld oder bewerten für Versicherungen unsere Gesundheit. Chatbots sind häufig nicht mehr von realen Menschen zu unterscheiden und Fitnesstracker sammeln biometrische Daten, um uns Tipps für eine gesündere Lebensführung zu geben.

Ein Computeralgorithmus diagnostizierte jüngst in einem Experiment 90 Prozent der Lungenkrebsfälle korrekt, die man ihm vorlegte - während menschliche Ärzte lediglich auf eine Erfolgsquote von 50 Prozent kamen. Google, Tesla und Apple arbeiten unterdessen am selbstfahrenden Auto. Und laut einer aktuellen Studie setzt auch knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen bereits KI ein.

Vom Schachkönig zum Go-Weltmeister

Doch wie ist die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre zu erklären? Immerhin hat die KI-Forschung schon mehr als 60 Jahre auf dem Buckel. Von "künstlicher Intelligenz" war erstmals 1956 die Rede, als der amerikanische Informatiker John McCarthy auf einer Konferenz Maschinen präsentierte, die Schach und Dame spielen konnten.

Doch erst 1996 gelang es dem Computer "Deep Blue" von IBM den Schachweltmeister Garri Kasparow zu schlagen und damit die menschliche Vorherrschaft im "königlichen Spiel" zu brechen. Noch im vergangenen Jahr waren sich die Experten einig, dass keine Maschine einen Meister im noch deutlich komplexeren asiatischen Brettspiel Go schlagen kann; Ende Mai 2017 trat Googles Programm AlphaGo den Gegenbeweis an.

Der enorme Fortschritt auf dem Feld der KI ist zum einen der sich permanent erhöhenden Rechenkapazität von Computern geschuldet. Etwa alle 1,5 Jahre verdoppelt sich diese - und damit auch die Leistungsfähigkeit der KI.

Zum anderen begünstigen die sinkenden Preise von Computerchips die Entwicklung. Bis vor wenigen Jahren war es schlicht zu teuer, KI in Fahrzeugen oder Mobiltelefonen zu verbauen. Ein Chip, der heute einen Wert von 900 Dollar hat, hätte in den Sechziger Jahren wahnwitzige 145 Milliarden Dollar gekostet. Und nicht zuletzt verläuft die Lernkurve der KI deshalb exponentiell, weil die Programme immer wieder auf bereits Gelerntem aufbauen und sich auf diese Weise schnell weiterentwickeln können. Doch wo ist die Grenze?

Vom Spezialisten zum Generalisten

Bis jetzt sind intelligente Maschinen in erster Linie Spezialisten, die zwar eine Sache meisterhaft beherrschen, sonst jedoch nichts. Forscher wie der deutsche Informatiker Jürgen Schmidhuber arbeiten jedoch akribisch an einer "generellen KI", die nicht nur eine klar umschriebene Aufgabe erledigt, sondern ein umfassendes Bild von der Welt hat und beliebige Probleme lösen kann.

Eine mit genereller KI ausgestattete Maschine wäre folglich in der Lage, genau wie ein Mensch alle möglichen Fertigkeiten zu erlernen. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist umstritten. Der Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, Wolfgang Wahlster, nannte die KI beispielsweise jüngst "einfach eine weitere Stufe der Automatisierung". Computer blieben demnach auch zukünftig nichts anderes als bessere Rechenmaschinen.

Jürgen Schmidhuber, den die New York Times gerade erst als "Vater der KI" adelte, ist sich hingegen sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis intelligente Maschinen die Menschen überflügeln.

Die Geburt der Superintelligenz

Von den einhundert weltweit führenden Experten für KI gehen 90 davon aus, dass die KI bis zum Jahr 2070 ein menschliches Niveau erreicht hat; rund die Hälfte hält sogar 2040 bis 2050 für wahrscheinlich.

Problematisch ist dabei vor allem, dass die Technologie schon heute so komplex ist, dass die Forscher oftmals nicht mehr nachvollziehen können, wie das System zu einer Lösung gekommen ist. Ist die Schwelle dann tatsächlich einmal überwunden und die Maschinen den Menschen in puncto Intelligenz überlegen, wäre das die Geburt einer Superintelligenz.

Dieser Moment wird als technologische Singularität bezeichnet, denn eine superintelligente KI könnte sich ohne menschliches Zutun weiterentwickeln. Ab diesem Punkt kann niemand mehr vorhersagen, wie es weitergeht. Die geistigen Fähigkeiten der Maschinen würde die der Menschen weit übertreffen. Möglicherweise hätte eine solche Superintelligenz sogar einen eigenen Willen oder würde ein Bewusstsein entwickeln. Niemand könnte mehr garantieren, dass sich die KI so verhält, wie die Entwickler es einst im Sinn hatten.

Obwohl unklar ist, ob es tatsächlich eines Tages so weit kommt, dass die Maschinen ein Eigenleben führen, beschäftigt bereits zahlreiche Forscher die Frage: Was dann? Einige Experten wie der schwedische Denker Nick Bostrom warnen davor, dass KI-Maschinen die Menschheit ausbeuten oder auslöschen könnten - sei es im Streben nach einem unergründlichen Ziel oder aus Angst, dass die Menschen ihr den Stecker ziehen.

Dass es sich hierbei keineswegs um ein undenkbares Szenario handelt, zeigen Googles Überlegungen nach einer Art Notfallschalter. Auch eine Arbeitsgruppe im Europäischen Parlament hat bereits einen "Kill Switch" vorgeschlagen.

Der Arbeiter wird überflüssig

Nach dem heutigen Stand der Technik erscheint es jedoch eher unwahrscheinlich, dass Computer menschenähnlich werden und ein Bewusstsein entwickeln. Trotz der ungeheuren Fortschritte in Sachen Intelligenz sind Computer im Jahr 2017 kein bisschen bewusster als ihre Prototypen aus den 1950er-Jahren.

Dennoch steht uns eine folgenschwere Revolution bevor. Die neuen Formen nicht-bewusster Intelligenz werden dazu führen, dass die Menschen ihren ökonomischen Wert verlieren. KI-Maschinen werden in den kommenden Jahren unendlich viele Aufgaben übernehmen und zwangsläufig menschliche Arbeitsplätze überflüssig machen.

Rund 60 Prozent der Arbeitsabläufe in Deutschland und den USA sind laut McKinsey automatisierbar und damit durch KI steuerbar. Und das ist noch zurückhaltend geschätzt. Es wird kaum eine Branche geben, die sich im 21. Jahrhundert nicht grundlegend wandelt. Das Zusammenspiel von KI und Robotik wird Millionen von Stellen kosten - und das nicht nur in der Produktion, sondern auch Im Dienstleistungssektor und kreativen Berufen.

Eine der wichtigsten ökonomischen Fragen der kommenden Jahrzehnte dürfte damit sein: Was machen wir mit all den überflüssigen Menschen, die von KIs ersetzt werden?

Die Entwicklung geht weiter

Trotz dieser düsteren Aussichten wird sich die Entwicklung der KI nicht bremsen lassen. Dies liegt vor allem daran, dass niemand genau weiß, wo die Bremse ist. Allein an Googles Suchalgorithmus sind unzählige Experten beteiligt, doch jeder ist nur Fachmann für einen speziellen Bereich; niemand überblickt das ganze Bild.

Wer das System nicht versteht, kann es auch nicht stoppen. Hinzu kommt, dass wir im Rahmen des globalen Kapitalismus zu Wachstum und Fortschritt verdammt sind. Andernfalls droht unserer Wirtschaft der Kollaps.

Unternehmen müssen sich daher wie jeder Einzelne auf eine Zukunft mit KI einstellen. Ihre Überlegenheit macht uns Angst, doch es bleibt abzuwarten, ob man ihre Möglichkeiten nicht überschätzt. Vor allem eine intelligente Vernetzung der KIs untereinander, die eine ernsthafte Gefahr für die Menschheit darstellen würde, ist weiterhin nur Fiktion.

Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen auch am Ende des Jahrhunderts auf Kinoklassiker wie "Matrix" und "Terminator" zurückschauen und sich sagen können: "Es ist nur ein Film."

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