Unvereinbar oder konsequente Weiterentwicklung?

Lean trifft Industrie 4.0

08.03.2018
Von   IDG ExpertenNetzwerk und Michael Lickefett
In seinen beruflichen Stationen bei Siemens, Staufen AG, MT Aerospace und aktuell Webasto trug Dr. Walter Huber überwiegend die Verantwortung für strategische Veränderungen. Aktuell ist er bei Webasto als Director im Produktionsbereich/Manufacturing Engineering beschäftigt. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit hat er über 30 Industrie 4.0 Projekte umgesetzt und mehrere Firmen in Richtung Industrie 4.0 transformiert. Hierzu ist auch beim Springer Verlag das Buch mit dem Titel Industrie 4.0 in der Automobilproduktion erschienen. Ein weiteres Buch mit dem Titel Wie Technologien unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen verändert erscheint ebenfalls beim Springer Verlag.

Die Bedarfsplanung und Materialversorgung erfolgt über Big-Data-Systeme und mit Advanced-Analytics-Ansätzen, um den Bedarf gemäß Marktsituation schon im Vorfeld möglichst genau zu prognostizieren. Über rollierende Grobplanungen auf Basis von konkreten und geschätzten Bedarfen und Kundenaufträgen erfolgt eine entsprechende Terminierung des Materials.

In Summe entsteht eine konsequente Weiterführung des klassischen lean-basierten Wertschöpfungssystem in Richtung eines Smart Factory Wertschöpfungssystems. Technologien stellen in diesem Ansatz die Enabler für weitere Verbesserungen dar - über alle Bereiche des Wertschöpfungssystems. Technologie ist aber eben "nur" ein Enabler und in der praktischen Umsetzung muss sie austauschbar sein. Dies ist schon mal auf Grund der schnellen Weiterentwicklung der einzelnen Technologien in der Fabrik zwingend erforderlich.

"shared economy"

Technologien beeinflussen somit alle Bereiche des weiterentwickelten Wertschöpfungssystems, wie die bisherigen Ausführungen auch zeigen. Es gilt ein intelligentes und für Kunden und Partner offenes Wertschöpfungssystem basierend auf Industrie 4.0 zu entwickeln. Eine hervorstechende Technologie sind Plattformen zum Betreiben agiler, temporärer Netzwerke. Sie unterstützen die sogenannte "shared economy". Hierbei steht nicht die Höhe des Automatisierungsgrades im Vordergrund der Umsetzung. Es gilt, exzellente Prozesse in der smarten Fabrik mit einem entsprechenden Beitrag zur Wertschöpfung zu realisieren. Das Ziel ist somit die optimale Verbindung zwischen Menschen und Technik zu erreichen und die Gestaltungsfähigkeit des Menschen voll zur Geltung zu bringen.

So verändert sich auch die Arbeitsplatzgestaltung. Sie wird durch den digitalen Avatar des Mitarbeiters in Verbindung mit intelligenten Montagesystemen, die sich automatisch auf die Gegebenheiten der Mitarbeiter (Größe, evtl. Behinderung, Leistungsfähigkeit usw.) einstellen, zu einem optimalen symbiotischen Gesamt-System. Big-Data-Systeme und die in einer Smart Factory generierten Daten sind der Ausgangspunkt für kontinuierliche Verbesserungen und liefern Erkenntnisse, die zu einer höheren Stufe der Optimierung führen. Auch eine Smart Factory entsteht nicht durch ein einziges Projekt - unabhängig vom Budget und der beteiligten Mitarbeiter. Sie ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess hin zu optimal wertschöpfenden Abläufen.

Smart Factory

Auch in einer Smart Factory steht der Mensch somit im Mittelpunkt, wie schon in der Lean-Ära. Assistenzsysteme, bedarfsgerechte Informationsbereitstellung mit Auftrags- und Prozessdaten durch die Smart Factory (SAP, MES, digitaler Schatten/Twin), Mensch-Roboter-Kollaboration sorgen in Zukunft für die optimale Informationsversorgung und Unterstützung aller Beteiligter in der Wertschöpfung. Der Mensch wird auch in Zukunft die Quelle für die kontinuierliche Verbesserung in der Produktion darstellen, allerdings unterstützt durch Big-Data-Systeme. Somit wird auch lebenslanges Lernen in der Smarten Fabrik besonders wichtig - für alle Beteiligte.

Auch die Logistik wird durch Industrie 4.0 stark beeinflusst. Im Lean-Kontext stellt Logistik eine Verschwendungsart dar die zwar notwendig ist, die es aber gleichzeitig zu minimieren und somit zu automatisieren gilt. Dort sorgt die Selbststeuerung von Transportaufträgen für eine Reduktion der notwendigen Verschwendung. Auch zeigen neue Automatisierungslösungen mit Robotern auf FTS Wege auf, Logistik wertschöpfend zu gestalten.

Eine Abstimmung mit dem Produkt erfolgt auf Basis des digitalen Schattens. Ein weiterer Vorteil ergibt sich dadurch, dass sequentielle Abläufe durch parallele und schwarmbasierte Ansätze ersetzt werden, was zu einer weiteren Steigerung der Verfügbarkeit und gleichzeitig zu einer Steigerung der Skalierbarkeit führt. Wenn ein mobiler Logistikassistent ausfällt übernimmt einfach ein anderer aus dem Schwarm die Aufgaben. Somit erfolgt gleichzeitig eine Steigerung der Flexibilität des Gesamtsystems.

Fazit

Es zeigt sich, dass sich Lean-Ansätze sehr gut mit Industrie-4.0-Ansätzen verbinden lassen - es erfolgt somit eine konsequente Weiterentwicklung der Lean-Ansätze mittels neuen Technologien. In Summe lassen sich durch eine Transformation hin zu einer Smart Factory ähnliche Produktivitätssteigerung wie bei der Lean Transformation, also von rund 30% erreichen.

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