Public IT


Leere Rechenzentren, ungenutzte Router

So verschwendet der Bund Steuern

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Ungenutzte Router im Wert von 27 Millionen Euro, zwei ungenutzte Rechenzentren für 26 Millionen Euro - in der IT des Bundes scheint das Chaos zu herrschen. Diesen Eindruck legen die "Bemerkungen 2016" des Bundesrechnungshofes nahe.
Hardware im Millionenwert vergammelte beim Bund ungenutzt.
Hardware im Millionenwert vergammelte beim Bund ungenutzt.
Foto: asharkyu -shutterstock.com

Bei der Vorstellung seiner Bemerkungen 2016 zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des BundesBundes gab der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller nicht nur einen Ausblick auf die künftige Entwicklung, sondern rügte auch die Verschwendung der Vergangenheit. Dabei kritisierte er auch die IT des Bundesministeriums des Inneren (BMI). So sei "teure Hardware niemals genutzt worden" und "teure Rechenzentren standen über Jahre leer". Alles zu Public IT auf CIO.de

Insgesamt entstand so wohl ein Schaden in Höhe von 53 Millionen Euro. Beide gerügten Vorfälle stehen im Zusammenhang mit dem Projekt "Netze des Bundes". Das Projekt "Netze des Bundes" startete im Jahr 2007 und soll für die Bundesbehörden ein sicheres Sprach- und Datennetz bereitstellen. Eine schallende Ohrfeige für das BMI sind zudem die Handlungsempfehlungen, die der Bundesrechnungshof ausspricht. Denn diese Grundsätze sollten eigentlich die Grundlage einer soliden IT-Strategie sein.

Ungenutzte Router für 27 Millionen Euro

So beschaffte das BMI nach Darstellung des Bundesrechnungshofes im Jahr 2011 IT-Geräte im Wert von 27 Millionen Euro, um sein Projekt "Netze des Bundes" zu realisieren. Dazu gehörten etwa teure schrankgroße Router für den Betrieb von Datennetzen. Mitte des Folgejahres beschloss das BMI dann, das Projekt nicht mehr selbst umzusetzen, sondern einen Generalunternehmer zu beauftragen. Dieser wollte die beschafften IT-Geräte nicht übernehmen. Auch die ursprünglichen Verkäufer wollten die teilweise originalverpackten Geräte nicht zurücknehmen. Das BMI hatte solche Risiken, die mit der Übergabe des Projekts an einen Generalunternehmer verbunden waren, nicht hinreichend untersucht.

Ab Ende 2013 gab das BMI die IT-Geräte unentgeltlich an Behörden in der Bundesverwaltung ab. Diese hatten ihren Bedarf nicht belegt. Beispielsweise fehlte eine Bedarfsmeldung des größten Abnehmers. Diese Behörde hatte über die Hälfte aller abgegebenen IT-Geräte, darunter fast 80 Prozent der Geräte mit einem Beschaffungspreis von über 100.000 Euro, erhalten. Im Frühjahr 2016 stellte der Bundesrechnungshof fest, dass die abnehmenden Behörden so gut wie keines der IT-Geräte nutzten. Bereits Ende 2013 fand der Bundesrechnungshof nach eigenen Angaben die meisten dieser Geräte noch originalverpackt vor. Davon werden demnächst Geräte mit einem Beschaffungswert von rund 10 Millionen Euro ausgesondert.

Leerstehende Data Center für 26 Millionen Euro

Mit teuer angemieteten Rechenzentren, die nicht genutzt werden, werden ebenfalls Steuermillionen verschwendet.
Mit teuer angemieteten Rechenzentren, die nicht genutzt werden, werden ebenfalls Steuermillionen verschwendet.
Foto: Centurylink

Ebenfalls für das Projekt "Netze des Bundes" mietete das BMI zwei Rechenzentren für die Dauer von fünf Jahren für 26 Millionen Euro, obwohl sich die beteiligten Ressorts laut Bundesrechnungshof nicht auf das Vorgehen einigen konnten. Dennoch schloss das BMI im Jahr 2011 langfristige Mietverträge für zwei Rechenzentren ab, die weitgehend ungenutzt blieben. Der Bund zahlt bis zum Jahr 2016 rund 26 Millionen Euro für die leerstehenden Rechenzentren.

Droht das nächste Desaster?

Angesichts dieser Erfahrung scheint der Bundesrechnungshof Angst zu haben, dass das BMI das nächste große IT-Projekt ebenfalls in den Sand setzt. Im Zusammenhang mit dem Projekt "IT-Konsolidierung des Bundes" unterstellt der Rechnungshof dem BMI, dass es "keinen Überblick über die bestehenden Rechenzentren hat. Es kennt zum Beispiel deren Miet- und Betriebskosten, Größe und Technik nicht." Mit der sogenannten "IT-Konsolidierung des Bundes" soll bis zum Jahr 2020 unter anderem 80 Prozent des IT-Betriebes der Bundesverwaltung bei einem bundeseigenen Dienstleister gebündelt werden.

Im Rahmen dieses Projekts ist eigentlich eine deutliche Reduzierung der Rechenzentren und Serverräume geplant. Wie diese jedoch ohne eine vernünftige Bedarfsplanung geschehen soll, bleibt ein Rätsel, denn laut Bundesrechnungshof kennt das BMI den künftigen Bedarf des Bundes deutschlandweit gar nicht. Plant der Bund weitere Maßnahmen, so die Kritik der Prüfer, kann er deren Folgen nicht verlässlich beurteilen.

Handlungsempfehlungen

Wenig rühmlich sind für das BMI die Handlungsempfehlungen des Bundesrechnungshofes, wenn da etwa zu lesen ist, "das BMI muss die Risiken von Projekten analysieren, bevor es über sie entscheidet" und weiter: "Der Bundesrechnungshof hat das BMI aufgefordert, künftig hochwertige IT-Geräte erst zu beschaffen, wenn es deren Einsatz absehen kann. Nicht benötigte IT-Geräte muss es schnellstmöglich veräußern oder unverzüglich an Bundesbehörden abgeben, die ihren Bedarf nachgewiesen haben."

Im Zusammenhang mit der IT-Konsolidierung des Bundes wird das BMI aufgefordert, "unverzüglich unter anderem ein Kataster aller Flächen von Rechenzentren zu erstellen, um sich den notwendigen Überblick zu verschaffen." Ferne habe das BMI zu verhindern, dass durch ähnliche Fehler wie bei "Netze des Bundes" noch deutlich größere Nachteile für den Bundeshaushalt entstehen. Zudem wird dem BMI empfohlen erst einmal die wesentlichen Kennzahlen wie Miet- und Betriebskosten der Rechenzentren zu erfassen und diese dann bei einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die IT-Konsolidierung zu berücksichtigen.

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