Alternative zum tropischen Kautschuk

Löwenzahn im Autoreifen

06.12.2018
Continental will einheimischen Naturkautschuk gewinnen und in ihren Autoreifen verarbeiten. Noch steckt die Technologie, Kautschuk aus Löwenzahnwurzeln zu extrahieren, in den Kinderschuhen. Doch in Anklam entsteht ein Versuchslabor.
Kautschuk aus der Löwenzahn-Wurzel stellt eine ökologisch wie ökonomisch attraktive Alternative zum tropischen Kautschukbaum dar.
Kautschuk aus der Löwenzahn-Wurzel stellt eine ökologisch wie ökonomisch attraktive Alternative zum tropischen Kautschukbaum dar.
Foto: Continental AG

Die weiße Pflanzenmilch im Löwenzahn klebt: Sie enthält Kautschuk. Der Reifenhersteller ContinentalContinental will sich dies zunutze machen und künftig Kautschuk für AutoreifenAutoreifen aus Löwenzahnwurzeln statt ausschließlich aus tropischen Kautschukbäumen gewinnen. Versuche dazu gab es schon in den 1930er Jahren unter anderem in der Sowjetunion sowie während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Top-500-Firmenprofil für Continental Top-Firmen der Branche Automobil

Doch es haperte an geeigneten Pflanzen und einer vernünftigen Extraktionstechnik, wie Professor Dirk Prüfer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sagt. Er ist Leiter eines Teams, das gemeinsam mit dem Reifenproduzenten nach Möglichkeiten suchte, den Kautschuk aus Löwenzahnwurzeln zu extrahieren. Am Donnerstag will Continental im mecklenburg-vorpommerschen Anklam ein Forschungs- und Versuchslabor zur Kautschukgewinnung eröffnen. Naturkautschuk ist aktuell für Lkw-Reifen sowie Winterreifen für Pkw unerlässlich.

Russischer Löwenzahn als Rohstoff

An dem Projekt haben Wissenschaftler der Universität Münster und des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, das Julius-Kühn-Institut Quedlinburg und Continental sowie Pflanzenzüchter jahrelang gearbeitet. Als Rohstoff dient Russischer Löwenzahn, der kleiner ist, aber einen viel höheren Kautschukgehalt besitzt als die einheimische Pflanze, wie Prüfer erläutert. Die Wurzel bestehe zu etwa 15 Prozent aus Kautschuk. "Schon bei den ersten Experimenten zeigte sich, dass der Kautschuk so gut ist wie vom Kautschukbaum", sagt der Wissenschaftler. Inzwischen sei der Löwenzahn züchterisch so optimiert worden, dass der Gehalt an Inhaltsstoffen stabil ist.

Bei der Standortwahl für das Versuchslabor, das "Taraxagum Lab" nach dem lateinischen Namen Taraxacum für Löwenzahn, half der Zufall mit. Prüfer stellte die Idee 2013 in Anklam auf Biotechnologietagen vor und stieß in der Stadt auf Interesse. Alles weitere ergab sich: Geeignete Böden und große Flächen in der Umgebung, Landwirte, die zum Anbau des "Unkrauts" bereit waren, sowie Erfahrungen in der Stadt mit der Verarbeitung von Wurzeln - von Zuckerrüben. In Anklam produziert die einzige Zuckerfabrik Mecklenburg-Vorpommerns.

2017 bauten Landwirte von vier Unternehmen rund um das nahe gelegene Ducherow erstmals in größerem Umfang Löwenzahn an, auf etwa 30 Hektar. Anfang der Woche erntete die Ducherower Agrar GmbH ihre 12 Hektar große Fläche ab, wie ein Mitarbeiter sagt. Das Blattgrün bleibe auf dem Acker, die Wurzeln würden nach Anklam gebracht. Sorgen, dass der Löwenzahn sich in der Region jetzt überall verbreitet, gebe es in der Bevölkerung nicht. Der Russische Löwenzahn wildert nicht aus, wie Prüfer versichert.

1 Tonne Kautschuk pro Hektar Ertrag

Ziel seien größere Wurzeln und ein Ertrag von einer Tonne Kautschuk pro Hektar. Das entspräche dem Ertrag auf Kautschukplantagen, vergleicht Prüfer. Geerntet werden die Wurzeln vorläufig mit einer Möhrenerntemaschine. "Es muss aber eine spezielle Erntemaschine gebaut werden", sagt er.

Im Labor werden die Wurzeln in Mühlen mit Wasser zerquetscht, wobei der Kautschuk ausgewaschen wird, ohne dass giftige Lösungsmittel nötig seien. Die Rückstände können in die Biogasanlage gehen oder zu Bioethanol verarbeitet werden. Auch das ist Prüfer zufolge ähnlich wie bei der Zuckerrübenverarbeitung. (dpa/rs)

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