Jobverlust auf Vorstandsebene

Manager auf Entzug

23.02.2009
Von Gisela Maria Freisinger

In seinem Drama "Kain. Ein Mysterium" lässt Lord Byron Kain den ihn versuchenden Erzengel, hinter dem sich in Wahrheit Luzifer verbirgt, fragen: "Seid Ihr glücklich?" und erhält zur Antwort "Wir sind mächtig." Carl Schmitt hat dies als Motto seinem Klassiker "Gespräch über die Macht ..." vorausgeschickt.

Würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass all die Gestürzten, Pensionierten und wie auch immer vom Stromkreis der Macht Gekappten zwangsläufig unglücklich sind? Sorgen Macht- und Bedeutungsverlust dafür, dass dem Topmann auch Selbstbewusstsein und Identität abhandenkommen? Handelt es sich um eine narzisstische Kränkung solchen Ausmaßes, dass sich der Führungsmann nie mehr davon erholen kann? Und gilt für die Wirtschaft analog, was Winston Churchill über die Politik behauptet haben soll - sie sei ein mieses Geschäft, aber die transportation first class? Den Fahrer mag kein ehedem Mächtiger missen. Er ist das letzte und verlässlichste Aufgebot für ein Leben in Bequemlichkeit. Wichtiger noch, in Abhebung von der gefürchteten Masse der Normalos. Peter Löscher, Siemens-CEO, der für saubere Geschäfte stehen soll, wusste genau, welche Grausamkeit er dem früheren Führungspersonal zufügte, als er ihnen die Nadel mit der Droge Machtinsignien aus der Vene Vanitas riss. Fahrer weg. Büro und Sekretärin nur noch nach dem Motto "Eines für alle".

Pilgern auf dem Jakobsweg

"Wenn 80 Prozent dessen plötzlich weg ist, was dich ausgemacht hat", erinnert sich der ehemalige Infineon-Vorstand Andreas von Zitzewitz an seinen durchaus nicht unverschuldeten Sturz, "dann bist du erst mal ein Krüppel. Dein Leben wurde von anderen organisiert, plötzlich ist es beängstigend unstrukturiert." Er hat den Weg zurück an die Spitze als CEO geschafft und fühlt sich geradezu dankbar, weil er weiß, "in Deutschland gibt es die zweite Chance eigentlich nicht".

Auch Burkhard Graßmann, ehemals Vorstandsmitglied bei T-Online und T-Com, nahm einen zweiten Anlauf. "Konzerne sind der Mikrokosmos des modernen Krieges. Man bezahlt sein Geld mit viel Lebensqualität. Die Insignien der Macht sind da wie kleine Trostpflaster." "Diese Statussymbole", so sieht es Zitzewitz, "die verdrehen dich."

Wo bleibt der Trost, wenn die Pflaster nicht mehr da sind? Was passiert mit der Motorik und überhaupt der ganzen Adrenalinproduktion, wenn Männer, die gestern noch 25 Stunden am Tag in Konferenzen wichtig sein durften, zu Kapitänen ohne Tanker werden? Üben sie plötzlich den Kopfstand auf der Yogamatte, wie der ehemalige McKinsey-Chef Herbert Henzler? Oder brechen auf zu mehrmonatigen Weltreisen wie Ex-RWE-Chef Harry Roels?Andere pilgern auf dem Jakobsweg, wo es unter jüngeren Managern nur so hapekerkelingt - sie sind dann mal weg.

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