Ausgebrannte IT-Mitarbeiter

Miese Stimmung

02.06.2003
Von Marita Vogel

Das ahnt auch Holger Hagedorn, Hauptabteilungsleiter Informationssysteme bei den Bremer Stahlwerken. Die Tochter des französisch-spanischen Stahlkonzerns Arcelor muss 35 Prozent der 4800 Mitarbeiter abbauen. Ob es auch die IT-Abteilung mit ihren 47 Experten trifft, ist noch unklar. "Ich kommuniziere so offen wie möglich", sagt Hagedorn. An Spekulationen werde er sich auf keinen Fall beteiligen: "Das beunruhigt doch nur."

Motivationsbedürfnis wird unterschätzt

Klar ist jedoch, dass die Rationalisierungen in der Fertigung zu deutlicher Mehrarbeit in der IT führen werden. "Seit dem vergangenen Jahr wissen alle, dass sie ihre Arbeitszeit besser organisieren müssen", so Hagedorn. Obwohl viele Mitarbeiter erweiterte Aufgabenbereiche zugewiesen bekamen und Einsparungen drohten, "ist die Situation recht stabil", meint der 43-Jährige. Die Leute wüssten, was auf sie zukäme, seien aber noch optimistisch. Momentan durchforstet ein Team das Unternehmen nach Einsparpotenzial; im August sollen Ergebnisse vorliegen.

Viele Manager stehen der Frage, welche Motivationsmaßnahmen den gefürchteten Burn-out-Symptomen vorbeugen, hilflos gegenüber. Personalberaterin von Atzigen stellte 2002 bei einer Umfrage unter rund 150 IT-Leitern und 250 IT-Mitarbeitern fest, dass Führungskräfte das Motivationsbedürfnis ihres Teams offenbar falsch einschätzen. Galten bisher vor allem Gehaltshöhe oder Boni als Anreiz, habe sich dies in den vergangenen zwei Jahren geändert: "Heute ist wichtig, dass Aufgaben mit Kompetenzen und Verantwortung verknüpft werden", so die Personalberaterin. Als größter Motivationsfaktor gälten "Anerkennung der Leistung" und "Lob". Bei den Chefs folge anschließend "Förderung und Weiterbildung", während sich die Mitarbeiter mehr "interessante, herausfordernde Aufgaben" wünschten.

Dennoch sahen die meisten der befragten IT-Experten der Studie zufolge wenig Anlass zur Kritik an ihren Vorgesetzten: 12 Prozent gaben an, "immer" mit ihrem Chef zufrieden zu sein, 59 Prozent "meistens"; für ein knappes Drittel allerdings war es nur "manchmal" oder sogar "nie". Der Grund für das Missfallen könnte die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild der Chefs sein: 81 Prozent der IT-Manager, so ein Ergebnis der Studie, glauben, ihren Mitarbeitern ein fachliches Vorbild zu sein; von denen sehen das aber nur 40 Prozent so. Ein ähnlicher Unterschied zeigt sich danach auch bei der Einschätzung der "Karriereförderung" (siehe Grafik).

Als nicht vorbildlich wurde das Verhalten des neuen Winterthur-CIOs Martin Frick von vielen Mitarbeitern beurteilt. Als Ende April die Wogen der Empörung hochschlugen, war er im Urlaub. "Ein komischer Moment, um zu entspannen", kritisiert Applikationsentwickler Kaspar Hohler. Die Stimmung unter den verbleibenden Kollegen schwanke zwischen Galgenhumor und Frustration: "Die Leute können nicht mehr hinter der Firma stehen."

Managern in solchen Krisen bricht von Atzigen aber auch eine Lanze: "Sie sind oft nur ein Rädchen im Getriebe und müssen sich der Unternehmenskultur beugen." Vielen Chefs, die als ausgezeichnete Fachkräfte in ihre Position gekommen seien, fehle nun Führungserfahrung. Ihr Rat: "Wichtiger als jede Weiterbildung wäre der Austausch mit anderen, erfahrenen Managern."

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