Softwareentwicklung

Mit Low-Code gegen die Great Resignation?

Lucas Mearian ist Senior Reporter bei der Schwesterpublikation Computerworld  und schreibt unter anderem über Themen rund um  Windows, Future of Work, Apple und Gesundheits-IT.
Immer mehr Unternehmen wenden sich der Softwareentwicklung mit Low-Code-Tools zu - auch um dem Entwicklerschwund im Zuge der Great Resignation zu begegnen.
Können Low-Code- und No-Code-Plattformen die Folgen der Great Resignation abfedern?
Können Low-Code- und No-Code-Plattformen die Folgen der Great Resignation abfedern?
Foto: Visual Generation - shutterstock.com

Low-Code-Entwicklungsplattformen haben durch die Pandemie und die nachfolgende Kündigungswelle (Great Resignation) einen enormen Aufschwung erlebt. Viele Firmen suchen händeringend nach fähigen Softwareentwicklern und hoffen, mit Low-Code- und No-Code-Tools schneller zu werden und auch technikaffine Mitarbeitende aus dem Business für die Programmierung zu begeistern. Eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens IDC kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass:

  • 48,6 Prozent der befragten Unternehmen in Low-Code- oder No-Code-Plattformen investieren, um digitale Innovationen aus dem Kreis der eigenen Mitarbeiter heraus anschieben zu können.

  • Für 39,3 Prozent der Befragten sind "pandemiebedingte Anforderungen" der Grund für die Anschaffung solcher Tools.

Low-Code-Tools vs. Entwicklermangel

Laut Gartner wächst der Verbreitungsgrad von Low-Code-Entwicklungsplattformen jährlich um mehr als 20 Prozent. Im Jahr 2021 habe das weltweite Marktvolumen 13,8 Milliarden Dollar betragen. Bis 2023 erwarten die Analysten, dass mehr als die Hälfte aller mittleren und großen Unternehmen auf den Low-Code-Zug aufspringt. "Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie haben das Werteversprechen von Low-Code bestätigt", schreibt Fabrizio Biscotti, Research Vice President bei Gartner. "Low-Code-Funktionen, die mit digitalen Formularen oder Workflow-Automatisierung Remote Work unterstützen, sind erforderlich, um den Betrieb am Laufen zu halten."

Nach Angaben der US-Bank Morgan Stanley fehlen auf der ganzen Welt Software-Ingenieure. Derzeit gebe es weltweit 26 Millionen Entwickler, der Bedarf werde bis 2024 auf rund 38 Millionen steigen. Die Low-Code-Technologie könnte helfen, diese Lücke zu schließen. Gartner prognostiziert, dass 70 Prozent der von Unternehmen neu entwickelten Applikationen bis 2025 auf Low-Code- oder No-Code-Technologien basieren werden. Im Jahr 2020 habe dieser Wert noch bei weniger als 25 Prozent gelegen.

Laut John Bratincevic, Senior Analyst bei Forrester, wird Low Code nicht ganz zu Recht mit überwiegend Citizen Developern in Verbindung gebracht. Rund ein Drittel der professionellen Entwickler nutze die Technologie ebenfalls, um die Software-Entwicklung zu vereinfachen und zu beschleunigen: "Für Profi-Entwickler sind das keineswegs Nischenlösungen."

Auch in anderen Bereichen des Business, in denen Low-Code- oder No-Code-Entwicklungsplattformen eingesetzt würden, gebe es technische Kompetenz. "Datenspezialisten etwa können durchaus ihre technischen Fähigkeiten einsetzen, um Low Code zu verwenden und gute Anwendungen zu entwickeln. Die Tools verbergen einen Großteil der Komplexität im Software-Stack", sagt Bratincevic. Gehe es um Mitarbeitende in den Fachbereichen, die Low Code verwendeten, stünden etliche Plattformen zur Verfügung, die mit mehr oder weniger großem Aufwand zu erlernen seien. "Ich werde von meinen Kunden vor allem danach gefragt, wie sie eine gute Citizen-Developer-Strategie entwickeln und skalieren können", so der Forrester-Analyst.

Jack Gold, Gründer von J. Gold Associates, glaubt, dass Beschäftigte mit einer gewissen Erfahrung in der App-Produktion und einer genauen Kenntnis dessen, was ihr Unternehmen braucht, besonders gute Voraussetzungen für Low-Code- und No-Code-Optionen haben. Könnten diese experten motiviert werden, stünden mehr Mitarbeiter für die Entwicklung bereit als etwa bei einem klassischen DevOps-Modell.

"In Anbetracht der Tatsache, dass die durchschnittliche Wartezeit für neue Anwendungen oft mehrere Monate beträgt und in vielen Fällen nur etwa 15 bis 20 Prozent der urprünglichen Anforderungen umgesetzt werden, ist es ein großer Vorteil, wenn in wenigen Tagen oder sogar Stunden größere Funktionsbestandteile entwickelt werden könnten", sagt Gold. "Das ermöglicht schnelle Anpassungen in Unternehmen, in denen sich die Dinge oft ändern und keine Zeit bleibt, die Arbeiten an einer Applikation vom DevOps-Team vornehmen zu lassen."

Deshalb habe beispielsweise die Microsoft Power Platform großes Potenzial und ermögliche Anwendungen, die unter normalen Bedingungen sehr viel länger dauerten oder sogar gar nicht möglich wären. "Das soll nicht heißen, dass die Power Platform omnipotent ist. Im Gegenteil, sie ist fokussiert auf Office 365 und in dieser Hinsicht limitiert. Aber sie verleiht Unternehmen eine Flexibilität, die sie sonst nicht hätten", meint Gold.

Der Low-Code-Boom hält an

Laut einer Gartner-Studie passen im Schnitt 41 Prozent der Mitarbeitenden außerhalb der IT- oder Technologie-Abteilung Softwarelösungen eigenständig an - oder erstellen ihre eigenen. Die Marktforscher gehen davon aus, dass Business-User außerhalb der IT bis Ende 2025 die Hälfte aller neuen Low-Code-Kunden ausmachen werden.

Laut einer weltweiten Umfrage von Salesforce sind 93 Prozent der befragten CIOs davon überzeugt, dass es mit der Great Resignation noch schwieriger wird, qualifizierte Entwickler zu bekommen. Gleichzeitig geben 91 Prozent der in diesem Rahmen befragten Unternehmen an, Lösungen zu benötigen, um zentrale Prozesse für Entwickler zu automatisieren, damit diese mit weniger Aufwand mehr erreichen können.

Daten von IDC zufolge planen 39 Prozent der Unternehmen in den nächsten zwei Jahren mit Low-Code- und No-Code-Entwicklungsplattformen - neun Prozent nutzen sie bereits. Darüber hinaus gehören Anwendungsplattformen für die Entwicklung von Geschäftsanwendungen - einschließlich Low Code und No Code - zu den drei wichtigsten Investitionsbereichen aller Plattform-as-a-Service-Anbieter, so IDC: Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer (45,5 Prozent) gab an, in den nächsten zwei Jahren die Investitionen in die Applikationsentwicklung erhöhen zu wollen.

Laut Gartner bieten alle großen SaaS-Anbieter derzeit Funktionen an, die Low-Code-Entwicklungstechnologien einbeziehen: "Da SaaS immer beliebter wird und die Plattformen dieser Anbieter zunehmend angenommen werden, wird der Low-Code-Markt ein entsprechendes Wachstum bei Anwendungsplattformen und Tools zur Prozessautomatisierung verzeichnen." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.

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