Wenn der Koffer weg ist

Neue Tracking-Technologie im Flugverkehr



Alexander Honigmann ist Director Sales Transport & Logistics and Manufacturing DACH Region bei Zebra Technologies. In dieser Rolle verantwortet er den technischen Handel.
Gepäckverluste sind für Flugreisende ein großes Ärgernis. Mithilfe neuer Tracking-Technologie versuchen Flughäfen, dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Bei so viel Gepäck an einem Flughafen die Übersicht zu behalten, ist eine echte Herausforderung.
Bei so viel Gepäck an einem Flughafen die Übersicht zu behalten, ist eine echte Herausforderung.
Foto: Maurizio Milanesio - shutterstock.com

Weltweit ist die Reiselust in den vergangenen Jahren auf ein neues Niveau gestiegen. Selbst unter Berücksichtigung derjenigen, die nur im Inland verreisen wollen, wird die Zahl der weltweit angebotenen Flüge 2019 voraussichtlich 39,8 Millionen erreichen. Das sind über eine Million mehr als die Prognose für das Vorjahr und ein Plus von über 50 Prozent gegenüber dem vorigen Jahrzehnt.

Der rege Reiseverkehr hat bei Fluggesellschaften und Bodenpersonal zu erhöhtem Druck und damit verbundenen Schwierigkeiten geführt. Im Jahr 2018 wurden weltweit fast 25 Millionen Gepäckstücke falsch befördert, und obwohl die Zahl der fehlgeleiteten Gepäckstücke insgesamt seit Jahren sinkt, ist jeder verlorene Koffer für Betroffene ein ernsthaftes Problem.

Druck auf die Infrastruktur der Fluggesellschaften

In Europa ist das Risiko von Gepäckverlusten mit 7,3 Gepäckstücken pro 1.000 Passagiere sogar am größten - verglichen mit 2,85 in Nordamerika und 1,8 in Asien.

Dazu tragen zwar zahlreiche Faktoren bei, doch die Infrastruktur spielt hierbei eine Hauptrolle. Durch die Zunahme von Low-Cost-Verbindungen steigt der Flugverkehr und selbst entlegene Orte der Welt sind heute leichter zugänglich. An vielen Reisezielen ist die Infrastruktur, die zur Bewältigung der hohen Nachfrage vorhanden ist, den Ansprüchen jedoch nicht gewachsen.

Zudem geschieht es immer häufiger, dass Passagiere mit mehreren Gepäckstücken reisen oder mehrere Zwischenstopps machen, sodass Koffer und Reisetaschen über mehrere Fluggesellschaften hinweg an weiterführende Ziele geleitet werden müssen. An vielen Flughäfen stellt dies die Gepäckabfertiger vor große Herausforderungen. Tatsächlich gingen 46 Prozent der falsch beförderten Gepäckstücke im vergangenen Jahr bei Umsteigeflugverbindungen verloren. Unter anderem gehören Koffer, die von Flughafen-Lieferfahrzeugen fallen und nicht gemeldet werden, Gepäck, das im Flugzeug zurückbleibt, und nicht identifizierbares verlorenes Gepäck zu den größten Problemen für Flughäfen.

Um diese Herausforderungen zu überwinden, verabschiedete die IATA (International Air TransportTransport Association) 2014 die Resolution 753. Sie soll Flughäfen dazu bewegen, Gepäckverluste durch bessere Gepäcknachverfolgung zu reduzieren. Die Resolution trat 2018 offiziell in Kraft, um den Fluggesellschaften Zeit für die ordnungsgemäße Vorbereitung zu geben. Mittlerweile gehen 46 Prozent von ihnen davon aus, dass sie die neuen Vorgaben bis Ende dieses Jahres zu 75 Prozent erfüllen werden, so die SITA Air Transport IT Trends Survey. Top-Firmen der Branche Transport

An vier obligatorischen Tracking-Punkten muss jedes aufgegebene Gepäckstück erfasst werden. Dies beginnt beim Check-in, wenn die Passagiere ihr Gepäck den Fluggesellschaften übergeben. Dort wird eine unverwechselbare 10-stellige Tag-Nummer vergeben. Anschließend werden die Gepäckstücke beim Verladen ins Flugzeug erneut erfasst sowie beim Transfer, wenn die Zuständigkeit zwischen den Airlines wechselt, und schließlich bei der Ankunft, wenn die Passagiere ihre Taschen am Zielort wiedererhalten. Auf kleineren, abgelegeneren Flughäfen, bei denen die DigitalisierungDigitalisierung noch nicht sehr weit vorangeschritten war, erwies sich dieser Prozess jedoch oft als problematisch. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Verbesserung der Checkpoint-Technologie

Die bei Touristen sehr beliebten griechischen Inseln etwa erlebten bei der Bewältigung der enormen Anforderungen, die der zunehmende Tourismus und die IATA-Vorschriften an sie stellten, große Schwierigkeiten. An den meisten dieser Inselflughäfen wurde das Gepäck manuell abgewickelt, wobei häufig wenige Mitarbeiter die Gepäckstücke bei enormer Hitze tragen und ohne die Hilfe von Scannern oder Mobilgeräten verladen mussten.

Koffer können auch mit RFID-Tags gekennzeichnet werden.
Koffer können auch mit RFID-Tags gekennzeichnet werden.
Foto: chomplearn - shutterstock.com

Im Rahmen von Modernisierungsprojekten des Flughafenbetreibers FraportFraport werden nun an 14 griechischen Inselflughäfen (Rhodos, Thessaloniki, Santorini, Kos, Mykonos, Korfu, Aktion, Chania, Kefalonia, Lesvos, Samos, Skiathos, Zakynthos und Kavala) Handheld-Mobilcomputer zur Automatisierung der Gepäckverfolgung eingesetzt. Durch die mit einer speziellen Software ausgestatteten Geräte funktioniert das Scannen und Identifizieren von Gepäck deutlich schneller und genauer. Dies reduziert Fehler bei der Gepäckabfertigung und steigert die Effizienz der Mitarbeiter. Top-500-Firmenprofil für Fraport

Auf jedem der Flughäfen werden gleichzeitig etwa 30 Scanner eingesetzt. So können viele Gepäckstücke gleichzeitig gescannt werden, wobei die erfassten Informationen sofort an ein zentrales System weitergeleitet werden. Diese zentrale Datenbank ermöglicht die Echtzeitüberwachung der gescannten Gepäckstücke sowie die Fernverwaltung über Dashboards.

Einführung in die künstliche Intelligenz

Die Ausrüstung der Mitarbeiter mit mobilen Geräten ist ein guter Anfang. Wenn sie mit der Entwicklung der Nachfrage Schritt halten wollen, müssen Fluggesellschaften und Flughäfen offen sein für neue Technologien, um die Reiseinfrastruktur weiter zu digitalisieren. Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) zur Vernetzung von Mobilcomputern mit dem zentralen Terminal oder den Datenbanken von Fluggesellschaften ist ebenfalls erforderlich, um die Transparenz und damit die Sicherheit des Gepäcks zu erhöhen.

Der Vorteil von KI-Anwendungen ist, dass sie dank Machine LearningMachine Learning permanent dazu lernen und Nutzern ermöglichen, Vorhersagen zu treffen und neue Muster zu erkennen. So können beispielsweise Kalenderinformationen automatisiert in die Ressourcenplanung eingebunden werden, um eine effiziente Gepäckabfertigung zu gewährleisten. Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Koffer mit RFID-Tags ausstatten

Eine weitere Möglichkeit, um die Gepäcknachverfolgung zu verbessern, bietet der Einsatz von RFID-Technologie (radio-frequency identification). Durch die Kennzeichnung von Koffern mit RFID-Tags kann die Transparenz über das Gepäck während der gesamten Reise gewährleistet werden. Die IATA hat kürzlich beschlossen, innerhalb der nächsten zwölf Monate einen Standard für den Einsatz von RFID-Tags zu entwickeln, um schwer lesbaren Barcodes auf zerknitterten Kofferanhängern ein Ende zu setzen. Dies wird die Gepäckverfolgung erleichtern und bietet auch die Möglichkeit, Passagieren per App Informationen über ihr Gepäck zur Verfügung zu stellen.

Eine globale Einführung von RFID-Tags wird auch den weltweiten Einsatz neuer Technologien erfordern. Größere Fluggesellschaften, die ihre eigene Infrastruktur besitzen, werden den Modernisierungsprozess wahrscheinlich schneller vorantreiben können als kleinere Airlines. Doch auch wenn dies noch Zukunftsmusik ist, besteht kein Zweifel, dass RFID-Technologie das Potential birgt, das Kunden- und Flugerlebnis erheblich zu verbessern.

Die Zukunft des Flugverkehrs

Während Umweltaktivisten aufgrund der CO2-Belastung gerne einen Rückgang des Flugverkehrs prognostizieren würden, scheint es wahrscheinlicher, dass die Fluggesellschaften effizientere Wege suchen werden, um die steigende Anzahl der Reisenden zu befördern. Viele Hersteller nutzen bereits andere Materialien, um leichtere Flugzeuge zu bauen und so den Kraftstoffverbrauch und die Kosteneffizienz zu optimieren.

Möglicherweise wird sich im Flugverkehr auch das so genannte "Blended Wing Body"-Konzept durchsetzen, eine derzeit in der Entwicklung befindliche Flugzeug-Bauart, bei der der aerodynamisch geformte Rumpf fließend in die Flügelform übergeht. Verglichen mit heutigen Flugzeugen mit ihren schmalen Rümpfen könnten in einem solchen Flugzeug mehr Passagiere befördert werden.

In der Zwischenzeit werden Fluggesellschaften laut Prognosen ihr Preismodell anpassen, indem sie die Sitzbreite reduzieren, um mehr Plätze anbieten zu können. Dem gegenüber wird wahrscheinlich die Möglichkeit stehen, für mehr Komfort, Platz und Gepäckraum zu zahlen. Das Endergebnis dieser Bemühungen wird sein, dass mehr Menschen bei geringeren Kosten befördert werden können.

Solche Innovationen versprechen eine spannende Zukunft für den Luftverkehr. Doch mit höheren Beförderungskapazitäten für Passagiere und Gepäck wird die Belastung für das Bodenpersonal weiter zunehmen. Technologie ist zweifellos einer der Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen, denen die LuftfahrtindustrieLuftfahrtindustrie gegenübersteht. Top-Firmen der Branche Transport

Während Innovatoren mit neuen Materialien und Formen experimentieren, dürfen sie jedoch nicht die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden aus den Augen verlieren. Effiziente Infrastrukturen und die Integration smarter Technologie-Lösungen ist für Fluggesellschaften in unmittelbarer Zukunft der beste Weg, nachhaltig zu wirtschaften, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und ihre Zukunft zu sichern.

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