Chefs müssen mehr Orientierung geben

New Work ist eine Frage der Firmenkultur



Barbara Liebermeister ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter IFIDZ. Die Wirtschaftswissenschaftlerin ist u.a. Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“. Zu diesem Thema hält die Managementberaterin auch (Online-)Vorträge und Seminare. Zudem betreibt sie den Podcast „Business Secrets: Warum Frauen gelikt werden und Männern gefolgt wird“.

 
Lange Zeit wurden die Themen New Work und New Leadership als reine Personalthemen betrachtet. Doch es zeigt sich: Die Unternehmen müssen sich mit ihnen befassen, weil sich ihr Umfeld und ihre Märkte in einem fundmentalen Wandel befinden.
Für Führungskräfte wird es künftig vor allem auch darum gehen, den Teamspirit im Unternehmen zu bewahren und eine Kultur des Vertrauens aufzubauen.
Für Führungskräfte wird es künftig vor allem auch darum gehen, den Teamspirit im Unternehmen zu bewahren und eine Kultur des Vertrauens aufzubauen.
Foto: Thanisnan Sukprasert - shutterstock.com

Seit einigen Jahren wird in der Gesellschaft sowie in den Unternehmen lebhaft über das Thema "New Work" debattiert - unter anderem, weil sich in den Betrieben ein Generationswechsel vollzieht: Die Babyboomer scheiden aus dem Berufsleben aus, die Angehörigen der Generationen Y und Z treten an ihre Stelle und übernehmen teils bereits das Ruder.

Diese "Digital Natives", also Frauen und Männer, die mit dem Internet und Smartphone sowie den Social Media aufwuchsen, haben oft andere Wünsche und Erwartungen bezüglich ihrer Arbeit als ihre älteren Kollegen. Und hierauf müssen die Unternehmen reagieren, ob sie wollen oder nicht - auch aufgrund des Fach- und Führungskräfte-Mangels.

Corona zeigte: Andere Formen der Zusammenarbeit sind möglich

Ein Verstärker dieser Entwicklung war die Corona-Pandemie. Sie machte unter anderem aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen Veränderungen in der Zusammenarbeit möglich - wie zum Beispiel das vermehrte Arbeiten im Homeoffice; verknüpft mit einer verstärkten virtuellen Kooperation und Kommunikation. Auch die betriebliche Weiterbildung fand vermehrt digital statt.

Dadurch wurde für die Mitarbeitenden erfahrbar: Andere als die traditionellen Formen der (Zusammen-)Arbeit sowie des Lernens sind, wenn gewollt, möglich. Dies veränderte auch ihre Erwartungshaltung. Auch deshalb sind viele der zunächst Corona-bedingten Veränderungen inzwischen unumkehrbar.

New Work ist kein "Nice to Have"

Das sehen auch die meisten Unternehmen so. Das zeigt unter anderem das jüngste Leadership-Trendbarometer des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ). An dieser Online-Befragung Anfang 2023 nahmen 177 Führungskräfte teil. Von ihnen waren 75 Prozent der Auffassung: Die Beschäftigung mit dem Thema New Work ist für die Unternehmen keine "Nice to Have"-Angelegenheit; sie ist vielmehr aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen eine Notwendigkeit.

Nicht nur Mitarbeitererwartungen haben sich verändert

Auffallend dabei ist: Nur 14 Prozent der FührungskräfteFührungskräfte sehen in der Beschäftigung mit dem Thema New Work primär eine Reaktion der Unternehmen auf die veränderten Erwartungen und Bedürfnisse der Generationen Y und Z. Die Ursachen hierfür sind ihres Erachtens vielmehr vielschichtiger und tiefgründiger. Alles zu Personalführung auf CIO.de

So wiesen in den vertiefenden, persönlichen Interviews, die das IFIDZ mit etwa einem Fünftel der Befragungsteilnehmer führte, diese immer wieder darauf hin: Auch die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Kunden haben sich unter anderem durch die gefühlte Omnipräsenz des Internets und der Social Media so massiv geändert, dass die Arbeit in den Betrieben teils neu strukturiert werden muss. Und diese Notwendigkeit wird weiter steigen.

KI-Einsatz wird den Veränderungsbedarf weiter erhöhen

Davon ist der Gros der Führungskräfte überzeugt. Sie wiesen in den Gesprächen zum Beispiel immer wieder darauf hin, dass durch die seit November 2022 mögliche allgemeine, kostenfreie Nutzung des Chatbots ChatGPD auch vielen Top-Entscheidern in den Unternehmen erst bewusst geworden sei, welche Chancen zur Neugestaltung vieler Prozesse die künstliche Intelligenz ihrer Organisation heute bereits biete. Deshalb erwarten sie:

  • Der Change- und Lernbedarf in den Unternehmen wird weiter steigen.

  • Künftig werden in ihnen verstärkt KI-Systeme zum Einsatz kommen und als Folge davon werden auch zahlreiche Geschäftsprozesse neu strukturiert werden. Und:

  • Hierdurch werden sich außer den Aufgaben vieler Mitarbeiter insbesondere in den marktnahen Bereichen der Unternehmen auch die Anforderungen an sie massiv verändern.

New Work und New Leadership sind miteinander verknüpft

Trotz dieser gravierenden Veränderungen, vor denen viele Unternehmen in den kommenden Jahren voraussichtlich stehen, sind 62 Prozent der befragten Führungskräfte überzeugt: New Work ist "primär eine Kultur- und weniger eine Strukturfrage". Und den hieraus resultierenden Change-Bedarf gelte es den Mitarbeitenden im Betriebsalltag zu vermitteln. Deshalb ist für das Gros der Führungskräfte (72 Prozent) das Thema New Work untrennbar mit dem Thema New Leadership verknüpft.

Generell sind die Führungskräfte überzeugt: Die Bedeutung von Führung in den Unternehmen wird in den nächsten Jahren immer weiter steigen - auch weil aufgrund der vielen Unwägbarkeiten zurzeit aktuell noch niemand weiß, wohin die Reise mittel- und langfristig geht. Dadurch verändert sich, so ihre Überzeugung, auch die Funktion der Führungskräfte.

Der Chef wird zum Sinnstifter

Sie seien in ihrem Arbeitsalltag immer stärker als "Sinnstifter" und "Beziehungsmanager" gefragt, die ihren Mitarbeitenden in einer Situation, in der gefühlt sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht, Orientierung und Halt bieten. Zu einer ihrer Kernaufgaben entwickle es sich zunehmend, in einem von rascher Veränderung geprägten Umfeld den Teamspirit in ihrem Team zu bewahren und eine von Vertrauen geprägte Beziehung zu ihren Mitarbeitenden aufzubauen - auch damit diese bereit sind, ihnen zu folgen.

Was dies für ihr Führungsverhalten im Arbeitsalltag konkret bedeutet, diesbezüglich sind viele Führungskräfte noch extrem unsicher. Sie erleben sich selbst noch stark als Suchende, nicht nur wenn es um das Gestalten der Strukturen der künftigen Zusammenarbeit in ihrem Team, sondern auch das Gestalten der Beziehung zu ihren Mitarbeitenden geht.

Führungskräfte müssen sich mehr austauschen

Entsprechend wichtig ist es, dass in den Unternehmen zum Beispiel Foren geschaffen werden, in denen sich die Führungskräfte zum Beispiel über wichtige Fragen austauschen wie:

  • Welche Veränderungen in der Zusammenarbeit werden in naher Zukunft unter anderem aufgrund des verstärkten KI-Einsatzes und der sich immer rascher wandelnden Kundenbedürfnisse in unserer Organisation noch nötig sein? Und:

  • Was bedeutet dies für meine Mitarbeitenden und mich als Führungskraft.

Denn nur wenn die Führungskräfte selbst eine gewisse Orientierung haben, können sie ihren Mitarbeitenden den gewünschten Halt und die nötige Orientierung geben - und diese bei ihren Lernprozessen unterstützend begleiten. Außerdem können sie nur dann in ihrem Bereich die Weichen in Richtung Zukunft stellen.

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