Public IT


Projekt mit Führungskräften

NRW testet die eAkte2go

Johannes Klostermeier ist freier Journalist aus Berlin. Zu seinen Spezialgebieten zählen unter anderem die Bereiche Public IT, Telekommunikation und Social Media.
Der IT-Dienstleister Computacenter hat im Auftrag des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen mit der eAkte2Go eine Tablet-Anwendung entwickelt, die auf Windows 8 basiert.

NRW hat den Einsatz der eAkte2go in einem Pilotprojekt getestet. In bestehende Sicherheitsinfrastrukturen eingebunden, soll sie die klassische Handakte ergänzen oder ersetzen. Jörg Flüs, Fachbereichsleiter für Basisanwendungen beim Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen IT.NRW, spricht im CIO.de-Interview über seine Erfahrungen: Was die Mobilität Behörden bringt und welche Ansätze, sich erfolgreich umsetzen lassen.

CIO.de: Seit wann beschäftigen sich die Behörden in NRW mit der E-Akte?

Will die elektronische Akte "to go" flächendeckend einführen: Jörg Flüs von IT.NRW.
Will die elektronische Akte "to go" flächendeckend einführen: Jörg Flüs von IT.NRW.
Foto: IT.NRW

Jörg Flüs: An dem Projekt zur elektronischen Akte arbeiten wir nun schon seit über zehn Jahren. Es hat mit dem DOMEA-Konzept des Bundesinnenministeriums (BMI) angefangen, das schon zwölf Jahre alt ist. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren damit aber keinen durchschlagenden Erfolg gehabt. Das lag auch an dem monolithischen Ansatz des DOEMA-Konzepts mit zertifizierten Werkzeugen. Sie sollten alles können, für 90 Prozent der Arbeitsplätze waren sie aber viel zu mächtig.

Wir haben dann vor rund vier Jahren damit begonnen, gemeinsam mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales NRW, parallel zum neuen BMI Verwaltungsarbeitskonzept eine neue E-Akten-Architektur zu entwickeln.

"Wir wollen die Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag abholen"

Diese besteht im Wesentlichen aus drei Schichten: Neben Basis-Diensten zum Bereithalten der Dokumente sowie für Assistenzdienste wie Authentifizierung, Anmeldung und sicherheitsrelevante Dinge gibt es eine Middleware-Komponente, die im Wesentlichen die dynamischen Elemente für die formale und informelle Zusammenarbeit enthält. Und darüber setzen wir eine ganze Reihe von Clients ein, die die unterliegenden Dienste im Kontext der Facharbeitsplätze nutzen. Im Ergebnis wollen wir damit Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag abholen.

CIO.de: Wie verlief das Projekt im Einzelnen?

Jörg Flüs: Wir haben im ersten Schritt unser Dokumentenmanagementsystem mit einer Standardschnittstelle (CMIS) ausgestattet. So kann man von außen über standardisierte und offene Schnittstellen an das System herankommen und beliebigen Fachverfahren Akteninhalte und Metadatenstrukturen zur Verfügung stellen.

Das Computacenter hat die neue Windows-8-App entwickelt.
Das Computacenter hat die neue Windows-8-App entwickelt.
Foto: Computacenter

Dabei lag uns besonders das „Mobil-Szenario" am Herzen. Wir haben in der NRW-Landesverwaltung viele Arbeitsplätze, etwa bei Betriebsprüfern, im Arbeitsschutz, bei den Baubehörden und Liegenschaftsämtern, beim Landesbetrieb Straßen NRW und den Gerichtsvollziehern, die mobil Arbeitende sind, und die deswegen auch ihre Akten vor Ort verfügbar haben müssen.

Unsere Führungskräfte bilden eine Gruppe, die heute in Sitzungen mit Tonnen an Papier gehen. Der Grundgedanke der mobilen E-Akte ist: Man könnte ja diese Informationen zumindest teilweise auch auf einem Tablet-PC zur Verfügung stellen.

"Zunächst muss man natürlich elektronische Akten besitzen"

CIO.de: Ist das für alle, die es wollen – oder wird das verpflichtend?

Jörg Flüs: Wir stehen in der Entwicklung noch am Anfang, wir haben ja zunächst erst einmal eine Pilotstudie zur technischen Machbarkeit durchgeführt. Wir wollten herausfinden, was überhaupt geht. Wie ist das Look und Feel? Und wie kriegen wir die Sicherheitsproblematik in den Griff? Wir haben die Studie auf der Cebit vorgestellt und ein sehr positives Feedback bekommen.

Viele haben gefragt, wann wir das einsetzen können? Aber zunächst muss man natürlich elektronische Akten besitzen. Wenn sie keine elektronischen Akten haben, können sie auch keine mitnehmen. Wir starten jetzt ein Projekt, bei dem wir unseren Top-Führungskräften alle Sitzungsunterlagen und später auch die Protokolle elektronisch zur Verfügung stellen. Wenn das erfolgreich ist, wollen wir das Projekt 2014 ausweiten und dafür bei unseren Kunden werben.

CIO.de: Wann ist es abgeschlossen?

Jörg Flüs: Wir rechnen mit den ersten Ergebnissen Ende dieses Jahres.

CIO.de: Warum dauert die Einführung der elektronischen Akte so lange?

Auf dem Windows-Tablet kann man in Zukunft alle seine Akten elektronisch lesen.
Auf dem Windows-Tablet kann man in Zukunft alle seine Akten elektronisch lesen.
Foto: Acer

Flüs: Das ist ein Teil Beharrungsvermögen, hängt aber auch damit zusammen, dass sich die Annahmen des ersten DOMEA-Konzepts als nicht tragfähig erwiesen haben. Sie waren zu mächtig. Jeder wollte seine Funktion aus der Papierakte elektronisch nachgebildet haben. Das war ein riesengroßer Aufwand, wurde unübersichtlich, und die Akzeptanz war dann weg.

Man muss die Vorteile der elektronischen Akte auch erst einmal erkennen. Dazu muss man sich aber auch auf andere Arbeitsweisen einlassen, da tun sich viele schwer. Vor dem E-Government-Gesetz gab es zudem eine Rechtsunsicherheit. Darf man die Papierakten vernichten, wenn man sie elektronisch führt? Wenn man beides machen muss, hat man keine Effizienzgewinne.

"Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit"

CIO.de: Sie machen das alles mit Windows 8, warum?

Jörg Flüs: Das sind zum einen Sicherheitsüberlegungen. Es gibt Sicherheitsrichtlinien für die Landesverwaltung NRW für Datenhaltung auf mobilen Geräten wie Festplattenverschlüsselung und den Einsatz eines VPN-Clients. Zum anderen läuft in der öffentlichen Verwaltung auf 90 Prozent der Systeme Windows. Entsprechend groß sind die vorhandene Infrastruktur und die Erfahrungen damit. Die eAkte2Go hatten wir zunächst für iOS entwickeln lassen. Es gab Sicherheitsbedenken und Probleme, sie in unsere Infrastruktur einzubinden.

CIO.de. Wie können Sie Sicherheit garantieren in Zeiten des NSA-Abhörskandals?

So sieht die App auf dem Windows-8-Tablet aus.
So sieht die App auf dem Windows-8-Tablet aus.
Foto: Computacenter

Jörg Flüs: Wir wissen alle, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Wir haben aber alles gemacht, was Stand der Technik ist. Unsere Endgeräte sind gemanagte Endgeräte, sie werden von unserer IT entsprechend aufgesetzt. Wir setzen Festplattenverschlüsselung und einen VPN-Client ein. Wir haben dafür gesorgt, dass die App in der Sandbox im Gerät läuft, so dass die Akten der App exklusiv zur Verfügung stehen. Der Endanwender ist aber auch mitverantwortlich, welche Akten er auf das Gerät lädt. Das können wir aber zusätzlich auch an unserem elektronischen Aktenschrank steuern und Akten für die mobile Nutzung sperren.

CIO: Wie weit sind Sie in NRW mit der Digitalisierung?

Jörg Flüs: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Behörden wie die Bezirksregierungen in Münster oder Düsseldorf, die haben bereits in 50 Prozent der Abteilungen elektronische Akten eingeführt. Manche Behörden sind schon flächendeckend ausgestattet. Die meisten aber erst in Pilotreferaten. Wir hatten Anfang 2012 um die 12.000 DOMEA-Lizenzen im Einsatz, das sind zehn Prozent aller IT-Landesarbeitsplätze.

CIO.de. Wie ist das Feedback für die Akten-App?

Jörg Flüs: Das war begeisternd. Die ersten Anwender waren aber auch die technikaffinen early adaptors, die als erste geschrien haben: Wir, wir, wir.

CIO.de: Was muss noch verbessert werden?

Das Land Nordrhein-Westfalen kooperiert mit dem Land Hessen bei der Einführung der elektronischen Akte.
Das Land Nordrhein-Westfalen kooperiert mit dem Land Hessen bei der Einführung der elektronischen Akte.
Foto: Dan Race - Fotolia.com

Jörg Flüs: Das große Problem war, die technischen Dinge in den Griff zu bekommen. Wir haben auch lange über die Software-Ergonomie diskutiert, hier warten wir jetzt auf weiteres Feedback, bevor wir etwas verändern.

"Ich rechne mit bis zu 35 Prozent Effizienzgewinnen"

CIO.de. Wie groß waren die Effizienzgewinne?

Jörg Flüs: Ich rechne mit bis zu 35 Prozent Effizienzgewinnen. Bei der Umstellung für Fortbildungsanträge von Papier auf einen elektronischen Workflow in unserem Hause haben wir die Durchlaufzeiten von im Schnitt vier Tagen auf wenige Stunden senken können. Wir müssen nichts mehr suchen, was auf dem Postweg ist, wir nutzen einfach die Suchmaschine und finden die Vorgänge. Auch durch die Einführung von SharepointSharepoint als Collaborations-Plattform vor einigen Jahren, beobachteten wir ähnliche Effizienzgewinne. Alles zu Sharepoint auf CIO.de

Die neue E-Akten-Architektur ist ein Kooperationsprojekt zwischen NRW und Hessen. Wir sind, was das mobile Szenario angeht, sehr weit vorne in Deutschland. Auf der Jahrestagung E-Akte werden wir demnächst über unsere Erfahrungen berichten.

CIO.de: Wie lautet Ihr Fazit?

Jörg Flüs: Man muss das Thema aus Sicht der Anwender her denken. Aber auch kritisch hinterfragen, ob alle Arbeitsweisen der Papierwelt auch noch unbedingt gelten müssen, wenn wir auf die elektronischen Arbeitsweise umstellen. Welche Prozesse kann die Technik unterstützen? Eine solche Diskussion fördert die Akzeptanz auf beiden Seiten.

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