Data Science

Nur das Einstellen von Spezialisten reicht nicht

Philipp Ramin ist CEO des Schulungs-, Beratungs-, und Forschungsunternehmens Innovationszentrum für Industrie 4.0, das Kompetenzarchitekturen und Lernpfade rund um Digitalisierung und Industrie 4.0 für Unternehmen in weltweit 14 Ländern entwickelt und mit Hilfe von ganzheitlichen Schulungsprogrammen und E-Learning Nuggets umsetzt. Zudem ist er stellvertretender Geschäftsführer des Münchner Kreises. Darüber hinaus lehrt und forscht er an mehreren Hochschulen.

Was ist eigentlich Datenkompetenz?

Begriffe wie Digital- oder Datenkompetenz müssen zunächst einmal kritisch gesehen werden, denn sie versuchen etwas zu definieren, was tatsächlich überaus veränderlich und kontextspezifisch ist. Kompetenz, das ist eine schwer greifbare Synthese aus bestimmten Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nichts unmittelbar mit formellen Bildungsabschlüssen oder Zertifikaten zu tun hat.

Um das Thema zu operationalisieren, müssen benötigte Kompetenzen, beispielsweise im Umgang mit Daten, in Relation zu einem zukünftigen Arbeitskontext definiert werden. Konkret gilt es für Unternehmen somit herauszuarbeiten, welche Aufgaben zukünftig auf ihre Mitarbeiter und Führungskräfte in den einzelnen Bereichen zukommen. Dazu gehört auch, die meist vage formulierten Unternehmens- und Digitalstrategien sehr konkret auf Bereichs-, Abteilungs- und Personenebene herunterzubrechen.

Beispielsweise findet sich in zahlreichen Unternehmensstrategien die Zielsetzung datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln, um das bestehende Produktportfolio gegen den Wettbewerb zu differenzieren. Doch welche Kompetenz lässt sich aus dieser Forderung für eine Vertriebs-, Instandhaltungs-, oder Entwicklungsabteilung ableiten? Welche Personengruppen müssen in der Lage sein, ein Grundverständnis dafür zu entwickeln, wo relevante Prozessdaten heute noch ungenutzt bleiben?

Welche Mitarbeitergruppen müssen ganz grundsätzlich sprechfähig in Bezug auf den Stellenwert von Daten gemacht werden? Welche Mitarbeiter werden eine aktivere Rolle hinsichtlich der Identifikation von Datenpotenzialen oder der Interpretation von datenbasierten Kennzahlen einnehmen und damit weitergehende Kenntnisse benötigen? Fragen wie diese können in einer unternehmensweiten Kompetenzarchitektur ganzheitlich und systematisch zusammengefasst werden, um die Organisation auch in der Breite Schritt für Schritt zu transformieren. Eine solche Architektur zeigt auf, wie die unterschiedlichen Entwicklungspfade für Mitarbeiter und Führungskräfte in den Unternehmensbereichen hinsichtlich zentraler Zukunftsthemen und damit auch für Data Science aussehen.

Data Science zur unternehmensweiten Kernaufgabe entwickeln

Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass die eigentliche Auswertung von Daten nur einen Teil der gesamten Datenwertschöpfungskette ausmacht. Möchte ein Unternehmen beispielsweise prädiktive Remote-Dienstleistungen für Nachbestellungen oder Servicefälle entwickeln und verkaufen, setzt dies in allen Unternehmensbereichen voraus, dass Daten konsequent auf unterschiedlichen Anspruchsebenen genutzt und weitergegeben werden.

Der Data Scientist kann in diesem Gesamtprozess zwar als Nukleus agieren, jedoch bedarf es der Unterstützung vieler Bereiche, um die notwendige Datenqualität- und Durchgängigkeit zu erreichen. Hierfür muss eine gemeinsame Basis geschaffen werden, so dass nicht nur der fachliche Verstand Platz findet, sondern auch Mut zur Veränderung und zur Zusammenarbeit erzeugt wird. Dementsprechend ergibt sich auch für den bereits fachlich ausgebildeten Data Scientist kontinuierlich Weiterbildungsbedarf. Mathematik und Programmierung sind wichtig, aber die Kommunikation und Empathie für sein Umfeld sind es genauso, weshalb auch ein Data Scientist Lernpfade durchlaufen muss.

Eine entsprechende Kompetenzarchitektur für Data Science umfasst daher zumeist ein fachliches Fundament, das für alle Mitarbeiter sehr ähnlich ist. Mit einer Kombination aus digitaler Wissensvermittlung durch modularisierte E-Learning-Nuggets und praktischen Übungsmöglichkeiten in Data Labs lässt sich dieses Fundament zielorientiert und kosteneffizient entwickeln.

Darauf aufbauend können dann in einem zweiten Schritt vertikale Kompetenzsäulen hinzugefügt werden, um konkrete Tools und tieferes Methodenwissen bestimmten Mitarbeitergruppen domänenspezifisch zugänglich zu machen. Diese Pfade sind ein wesentlicher Bestandteil einer umfassenden Kompetenzarchitektur, um nicht nur Grundlagen, sondern auch Umsetzungskompetenz ganzheitlich aufzubauen. Unabhängig von der genauen Ausgestaltung, gilt es, diese Architekturen regelmäßig zu aktualisieren und zu erweitern, um mit der Vielzahl neuer Technologien und der Schnelllebigkeit der Entwicklungen Schritt halten zu können.

Entscheider sollten den beträchtlichen Aufwand hinter dieser Aufgabe nicht scheuen, da so eine Transformation von innen heraus gelingen kann, ohne in die Abhängigkeit von Beratern oder Headhuntern zu geraten. Soll der Data Scientist im Unternehmen seine volle Wirkung entfalten, um das "Herz" der digitalen Transformation zum Schlagen zu bringen, muss er die Mitarbeiter mitnehmen können. Dies erscheint nur mit Mut zu einem Gesamtkonzept im Management möglich.

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