Starlink Internet

Nur ein genialer Werbebluff?

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mit dem Satellitennetz Starlink wird aus dem Versprechen der Politik, Breitband für alle zu ermöglichen, nichts. Wir zeigen wieso.
Breitband für alle via Satellit (Symbolbild)? Klingt in der Theorie gut, doch in der Praxis fehlen wohl die Kapazitäten.
Breitband für alle via Satellit (Symbolbild)? Klingt in der Theorie gut, doch in der Praxis fehlen wohl die Kapazitäten.
Foto: Andrey Armyagov - shutterstock.com

Im Juni 2021 sorgte das für seine Pannen bekannte, von Andi Scheuer geführte Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) mal wieder für Schlagzeilen. Um das politische Versprechen "Breitband für alle" endlich zu realisieren, brachte das BMVI einen Gutschein für Satelliteninternet in Höhe von 500 Euro ins Gespräch. Dass in Sachen Breitband Handlungsbedarf besteht, zeigt der Breitbandatlas. Ende 2020 konnten gerade einmal 88 Prozent der Haushalte auf Angebote mit 100 Mbit/s und mehr zugreifen. Allerdings verzerrt der Durchschnittswert das wahre Problem. Während die Städter eine Verfügbarkeit von fast 96 Prozent haben, sind es in den ländlichen Gebieten lediglich 65 Prozent.

Starlink: Breitband für alle via Satellit?

Vor diesem Hintergrund ist die Idee einer Breitbandversorgung via Satellit ein verlockender Gedanke, zumal man sich langwierige und kostspielige Verlegungsarbeiten für Kabel oder Glasfaser spart (einen Praxistest zu Starlink finden Sie hier). Und ein Anbieter entsprechender Satellitendienste war in der öffentlichen Diskussion auch gleich gefunden: Warum nicht einfach das Satellitennetz Starlink von Elon Musk´s Unternehmen SpaceX nutzen? Zumal sich Starlink bereits im Betatest befindet.

Die Sache hat allerdings einen Haken. Starlink ist nämlich, wie Professor Dr.-Ing. Kristof Obermann von der Technischen Hochschule Mittelhessen im "Gutachten zur Leistungsfähigkeit von Starlink" berechnet, gar nicht in der Lage, genügend Haushalte in Deutschland mit Breitband zu versorgen, um die Versorgungslücke zu schließen. Allerdings sind einige Ergebnisse der Studie mit Vorsicht zu genießen, weil die Studie im Auftrag des Breko verfasst wurde. Als Interessensvertretung der Glasfasernetzbetreiber ist der Verband nicht unbedingt für eine Satelliten-affine Einstellung bekannt.

Starlink Internet: Die Grenzen

Bei seinen Berechnungen kommt Obermann zu dem Ergebnis, dass sich in Deutschland maximal 1,3 Millionen Haushalte via Starlink mit einer Anschlussgeschwindigkeit von 100 Mbit/s versorgen lassen. Damit könne der Marktanteil von Starlink in Deutschland bei maximal drei Prozent liegen. Orientiert man sich dagegen an dem im Koalitionsvertrag der scheidenden Bundesregierung vereinbarten Ziel Deutschland bis 2025 zur flächendeckenden Gigabit-Gesellschaft auszubauen, fällt das Ergebnis noch ernüchternder aus: Via Starlink ließen sich in Deutschland nur 134.000 1 Gbit/s-Anschlüsse realisieren. Wollte man andererseits alle rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland, so der Professor, mit dem Starlink-NetzNetz versorgen, so ergäbe sich pro Teilnehmer eine minimale Bitrate (Planbitrate) von nur 167 Kbit/s. Alles zu Netzwerke auf CIO.de

Alle diese Berechnungen basieren zudem auf der Annahme, dass es Starlink gelingt, wie für Phase 3, den Endausbau, geplant, fast 42.000 LEO-Satelliten in den Orbit zu schießen. Je nach Quellenlage scheint das Unternehmen bislang erst eine befristete Genehmigung für den Start von bis zu 11.927 Satelliten bis 2027 zu haben. Davon sollen bis Ende Mai 2021 1.663 realisiert worden sein.

Mit der Falcon-9-Rakete von SpaceX sollen ab 2021 etwa alle zwei Wiochen 60 Starlink-Satelliten in den Orbit gebracht werden.
Mit der Falcon-9-Rakete von SpaceX sollen ab 2021 etwa alle zwei Wiochen 60 Starlink-Satelliten in den Orbit gebracht werden.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

Besser als bei der potenziellen Versorgung sieht es bei Starlink in Sachen Latenz aus. Im Gegensatz zu GEO-Satelliten mit Verzögerungszeiten von 240 bis 250ms kommen die Starlink-Satelliten in einer Höhe von 550 km auf eine Latenz von 3,7 bis 4,8 Millisekunden (ms) (zwischen Teilnehmer und Gateway). Ab einer Distanz von über 1080km seien die Latenzzeiten von Starlink sogar niedriger als bei einer Glasfaserverbindung, so Obermann. Der Professor begründet dies unter anderem damit, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum höher sei als in einer Glasfaser. So ergibt etwa eine Beispielsberechnung für eine Verbindung von London nach New York für Starlink einen Round Trip Delay von 43 ms. Transportiert man die Daten dagegen über das Unterseekabel AC-2 (Atlantic Crossing 2) liegt der Round Trip Delay bei 76 ms.

Starlink: Im professionellen Einsatz

Aufgrund dieser geringeren Latenzzeiten wird das Satellitennetz für professionellen Anwendungen wie etwa dem Highspeed-Trading in der Finanzindustrie interessant. Aber auch in Sachen IoT, autonomes Fahren oder Maschinenkommunikation sowie 5G low latency Anwendungen könnten die geringeren Latenzzeiten für Business-Kunden von Interesse sein. So äußerte sich denn auch Gundbert Scherf, Partner und zuständig für Tech-Themen bei der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey, gegenüber dem Handelsblatt: "Privatkunden sind nicht unbedingt die Kernzielgruppe für Starlink. Wichtiger sind kommerzielle Kunden…".

Ein prominenter Anwender ist etwa Microsoft. Der Konzern ist Partner von Starlink und will über das Netz im Rahmen von Azure Space Satellitenzugänge zu seiner Cloud-Plattform Azure vermarkten. Eine ähnliche Idee verfolgt etwa auch das Projekt Kuiper - eine Bezos-Company - mit AWS. Project Kuiper soll mittelfristig mit 3236 LEO-Satelliten ebenfalls Breitband-Internet zur Verfügung stellen.

Konzeption des Starlink-Netzes.
Konzeption des Starlink-Netzes.
Foto: Kristof Obermann/BREKO

Für den professionellen Einsatz ist zudem noch ein anderer Aspekt interessant. Dank der Mesh-Architektur - jeder Satellit kann mit bis zu vier anderen über Laserverbindungen mit je 10 Gbit/s kommunizieren - lässt sich im Netz ein Load Balancing praktizieren. Dabei ist es möglich, Breitbandressourcen in Echtzeit zuzuweisen und Kapazität dort zu platzieren, wo sie am meisten benötigt wird. Allerdings handelt es sich dabei um dynamische Verbindungen, da sich ja die Satelliten relativ zueinander bewegen. Eine Bewegung, die mit einer Geschwindigkeit von 27306,6 km/h erfolgt.

Aufgrund der hohen Geschwindigkeit hat ein Teilnehmer in Deutschland gerade einmal 114 s Sichtkontakt zum Satellit. Und ein Überflug über Deutschland dauert ungefähr eine Minute. Um die Satellitenverbindung zu terminieren, betreibt Starlink in Deutschland drei Gateways. Über Deutschland kann dabei jeder Satellit innerhalb der erlaubten sieben Spot Beams eine Fläche von rund 3167 km22 ausleuchten - bei einer Fläche von über 357.000 km2 für Deutschland.

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